Johannes 10,22-30

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Johannes 10,22-30

Misericordias Domini |14.04.24 |  Joh 10,22-30 (dänische Perikopenordnung) | Rasmus Nøjgaard |

Das Bedeutungsvolle ist das Verletzlichste

Kein Zweifel: Das Evangelium stammt aus einer Krisenzeit. Für Jesus selbst war es ein existenzielles und persönliches Drama, das immer intensiver wurde. Es hatte seinen Höhepunkt und endgültige Wende in seiner Gefangenahme, dem Verhör, der Kreuzigung und der Auferstehung am Ostermorgen, die niemand hatte erwarten können, die aber alles veränderte. Das war ein epochales Ereignis, das das Leben Jesu in ein neues Licht stellte. Durch seine plötzliche Abwesenheit betont Jesus seine Gegenwart: Hier war er wirklich gegenwärtig. Der schmerzliche Tod Jesu macht sein Leben so wirklich. Das leere Grab verkündet, dass Jesus dort lag, aber nun nicht mehr dort ist. Die Abwesenheit verkündigt seine Wirklichkeit.

Es muss für das Evangelium von entscheidender Bedeutung sein, dass alle, zu denen Jesus spricht, noch nichts wissen, während wir, denen es erzählt wird und die das Evangelium hören, schon alles wissen. Wir können uns so im Evangelium spiegeln und sowohl die, die verstehen, und die, die nicht verstehen, ein Vor- und Nachher in unserem eigenen Leben sein lassen. Wir sind zugleich außerhalb der Schar und Teil der Schar. Wir gehören dazu und dennoch auch nicht dazu. Die Frage: ‚Bist du der Christus, so sage es frei heraus‘, trifft uns noch immer, wenn wir noch immer nicht glauben. Das Evangelium soll nicht Distanz und Trennung schaffen, nicht festhalten an einem Draußen und Drinnen, es soll vielmehr das Leben, den Tod und die Auferstehung für uns so wirklich machen, dass wir sie sehen und hören. Er ist wirklich ein Mensch, und er ist wirklich Gottes Sohn. Das sollen wir sehen und hören und dann kommt der Glaube. Was wir sehen und hören, soll diesen Glauben wecken. Was Jesus sagt, soll Hoffnung geben, und daraus soll der Glaube erwachsen in diesem Vertrauen auf die Liebe Gottes.

„Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie und sie folgen mir, und ich gebe ihnen das ewige Leben, und sie werden nimmerdar umkommen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen.“

Das Ziel des Evangeliums muss sein, den Menschen Hoffnung zu geben und Vertrauen darauf, dass sie in den Händen Gottes sind. Wir sollen hören und darauf vertrauen, dass wir nie verloren gehen, sondern ewiges Leben bei Gott haben. In Krisenzeiten ist diese Botschaft eine Notwendigkeit. Ob das eine persönliche existenzielle oder eine universale gesellschaftliche Krise ist, so sollen wir wissen, dass wir nicht selbst die Zukunftshoffnung tragen sollen, sondern dass wir teilhaben an einer Gemeinschaft, die uns trägt. Die Gemeinschaft Gottes. Gott hat dieser Welt schon Bedeutung gegeben. Unsere Aufgabe ist es, die Liebe Gottes zu erwidern mit dem Vertrauen, dass auch wir der Welt mit Versöhnung und Vertrauen begegnen.

 Bei Johannes weist vieles darauf hin, dass die Leute Jesu konkret auf ein Eingreifen Gottes warten, sie erwarten Christus. Sowohl der Glaube an Jesus als auch die Ablehnung Jesu ist beding von derselben messianischen Hoffnung auf Erlösung und Errettung. Die Anhänger Jesu sehen und hören seine Botschaft, und die teilt sie in zwei Gruppen: In die, die das Wunderbare in und um Jesus sehen und die deshalb an ihn glauben, und die, die das Wunderbare erwarten, es aber nicht erfüllt sehen und hören, und deshalb bestreiten sie, dass er Christus ist.

Das Bild von der Schafsherde, die nicht glaubt, weil sie nicht Jesus gehört, wird dadurch erklärt, dass sie Jesus nicht hören. Die Leute um Jesus hören ihn nicht, auch wenn er mitten unter ihnen ist. Das Evangelium nach Ostern verkündigt aber, dass es nie zu spät ist zu hören, denn der Tod und die Auferstehung Jesu sind die Stimme Gottes für die ganze Schöpfung, nicht nur für die wenigen, die sich lokal um Jesus scharten, während er durch Galiläa, Samarien, Jordan und Judäa wanderte. Nach der Auferstehung und Himmelfahrt Jesu ist die Botschaft universell. Die umwerfende Botschaft des Kreuzes ist, dass unsere Sünde vergeben ist, wenn wir Christus vertrauen. Dann bekommen wir Mut, in dieser unruhigen Welt zu leben, weil wir schon in Gottes Händen sind. Der hat unsere Sünden gesühnt, und wir sind durch ihn auferstanden. ‚Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich‘.

Wir leben in einer Krisenzeit. Krieg in Europa, im Nahen Osten, in Afrika. Wir leben mitten in einer Flüchtlingskrise, nicht nur in Europa, sondern auf allen Kontinenten. Wir sind überlastet und gestresst, und auch wenn wir in unserem Teil der Welt einen unerhörten Wohlstand erleben, so vermissen viele Gemeinschaft. Die Einsamkeit ist schreiend.

Wir kämpfen jeder für sich und gemeinsam damit, die Worte zu hören, die uns das Evangelium verkündet. Denn wir suchen Erlösung., wir sehnen uns danach, uns mit unserer Geschichte zu versöhnen und mitten in der Unruhe Seelenfrieden zu finden.

Ich und der Vater sind eins, sagt Jesus. Auch wir sollen hören und verstehen, dass wir Gemeinschaft und Fürsorge brauchen. Wir sollen es wagen, Vertrauen darin zu finden, dass die Liebe, die Jesus seinem Vater erweist, dieselbe Liebe ist, die wir Jesus erweisen sollen. Unsere Gemeinschaft mit Jesus verpflichtet uns also, mit derselben Demut und demselben Gehorsam in der Welt zu sein. Mit derselben Stärke und Kraft. Mit dem Vertrauen darauf, dass Gott uns schon trägt und uns mit den Sünden der Vergangenheit versöhnt hat und uns eine hörende und sehende Gemeinschaft geschenkt hat. Für alle, die hören und sehen wollen.

Das Wichtigste ist zugleich das Verletzlichste, das zeigte Gott, als er geboren wurde und ein Mensch wurde, der sich selbst hingab, um die Sünden der Welt zu sühnen.

Das gilt auch für unser eigenes Leben. Mitten in der Unruhe und Verwirrung können wir wackeln im Vertrauen darauf, ob wir Gott gehören, und wir können uns verloren fühlen. Mitten im Lärm ruft Jesus, und wir können auf den Gott hören, der lebt und die Verletzlichkeit erhob, weil das Verletzliche für ihn alles bedeutete. Denn das Verletzliche ist das Allerwichtigste. Amen.

Pastor Rasmus Nøjgaard

DK-2100 København Ø

Email: rn(at)km.dk

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