Lukas 24,13-35

Lukas 24,13-35

Ostermontag | 10.04.2023 | Lukas 24,13-35 (dänische Perikopenordnung) | Christiane Gammeltoft-Hansen |

Was ist das, was bewirkt, dass etwas in einer Weise auf uns wirkt, wo die Worte eines anderen nicht nur eigene Worte werden, sondern etwas, was man gemeinsam singen kann?

Ich glaube, es beginnt mit der Aufrichtigkeit, dass man sich ehrlich zum Menschlichen bekennt.

Wer sich selbstsicher hinstellt, von seiner Sache überzeugt und sicher in seinem Glauben, hält andere außen vor. Die Ehrlichkeit dagegen, die auch Zweifel zulässt, lädt andere ein.

Grundtvig ist im Zweifel. Er soll über die Auferstehung predigen, aber er ist selbst nicht dabei. Er ist vielmehr dort, wo viele andere auch sind. In einer Art Zwischenleben des Ostersamstages. Da wo wir sehen, dass vieles auf uns wartet, wo aber auch Zweifel da sind und eine Unsicherheit hinterlassen. Wie das Wetter im März – ein gegenwärtiges Bild für die Wechselhaftigkeit des Zwischenlebens.

Das Zwischenleben hinterlässt mehrere Fragen als das es Antworten gibt. Fragen, die sich die beiden                                                                  Wanderer nach Emmaus auch gestellt haben müssen. „Was hat das zu bedeuten? Ist nach Leben, nachdem der Tod das Seine genommen hat? Und was bedeutet das, dass einer lebt, wenn wir die Hoffnung verloren haben?

Jemand hat eine Osterblume auf den Schreibtisch von Grundtvig[1] gestellt. Grundtvig wundert sich. Er kann nicht sehen, was die da soll. Sie duftet nicht, ist viel zu gelb und zu gewöhnlich. Zu seiner Zeit eine Art Unkraut. Heute würde man sie wie Löwenzahn betrachten. Was soll der hier?

Dichter brauchen Rosen. Und die müssen rot sein. Rot wie das Blut und das Herz, das schlägt. Über Rosen kann man Lieder schreiben. Von Dornen, die kratzen und beißen. Oder anders, man kann für einen Augenblick vergessen, dass da so viel ist, was trotzdem da ist, und sich stattdessen der Schönheit hingeben. Dass es so etwas wie ein seidenes rotes Kronenblatt gibt.

Aber nun steht die Osterblume auf seinem Tisch und drängt sich fast neon-gelb auf. Das kann sehr wohl einem Dichter in die Augen fallen. Zugleich aber ist das auch eine Aufdringlichkeit, die einen Zweifler zum Reden bringen kann. Und eben dies geschieht: Der Dichter und die Blume reden miteinander.

Wir müssen dort beginnen, wo wir nun einmal sind, andere Möglichkeiten gibt es nicht. Für die beiden auf dem Weg aus Jerusalem beginnt es auf einem Weg nach Emmaus. Mit gebeugten Häuptern gehen sie los, weg von dem, was sie geglaubt hatten und von dem sie gehofft hatten, dass es eine Erlösung ist. Für einen Dichter beginnt es in zweifelnder Nachdenklichkeit. Es mag ja gut sein, dass der Engel sagt, das Christus auferstanden ist, für die, die im Zwischenleben beginnen, kann es nur schwierig sein, damit richtig etwas anzufangen.

Vielleicht aber mit etwas Gelb. Eine einfache Blume. Hier ist ein Anfang, wo die meisten mit dabei sind.  Oder in einem Gespräch, das sich entwickelt, bereichert und tröstet, wo man es am meisten braucht – eine Begegnung auf dem Weg, auf dem man sich bewegt, und die bewirkt, dass sich ein neuer Weg für einen jetzt öffnet.

Eine Osterlilie hat es an sich, dass sie zur rechten Zeit blüht. Sie bricht hervor bei winterlichem Sturm und Regen und kommt damit eben zum Zwischenleben. Eben da, wo man leicht unsicher werden kann, ob es bloß immer kälter wird und wo man den Glauben an eine gemeinsame Zukunft verlieren kann.

Aber die Osterlilie kommt an. Sie weiß Bescheid. Selbst wenn es kalt ist, wird das nicht so bleiben. Es ist dunkel, da bahnt sie sich den Weg. Aber sie schlägt aus, weil sie von einem lichtvollen Ort weiß.

Eine Osterlilie, das ist nichts. Ein flacher und kantiger Spross mit einem Kragen, der gezackt ist und einem Kopf, der nach unten gebeugt ist. Ganz gewöhnlich. Zugleich aber ist das auch ein Gewächs mit einer Erfahrung. Nämlich der, dass neues Leben entstehen kann. Dass das, was tot in der Erde lag, durchbrechen kann so gelb, dass es das graue Grab überstrahlen kann.

Wenn da keine Kraft der Auferstehung wäre, hätte man die Osterlilie längst vergessen.  Sie würde der Vergangenheit angehören. Aber hier ist sie, und irgendjemand hat sie auf einen Schreibtisch gestellt, so dass ein Dichter sie nicht übersehen kann.

Mit seiner Dichtergabe, die mit der menschlichen Gottesebenbildlichkeit zusammenhängen muss, hat er einen Blick für ihre Bedeutung. Er sieht, hier ist nicht nur eine gezackte Blüte. Hier ist ein Becher, aus dem man trinken kann, einen Schluck aus ihrer Auferstehungserfahrung.

Eine Osterlilie könnte nur eine Osterlilie sein, vor der nichts weiter zu sagen ist. Etwas, was für eine Zeit da ist und dann wieder fort ist. Aber sie kann auch ein Ort sein, wo der Glaube beginnt.

Das ist wie mit der Ostererzählung selbst. Sie konnte auch für eine Zeit da sein und dann wieder verschwinden. Als eine Erzählung von einer Niederlage, wo die Anhänger des Verstorbenen sich als feige und unbegabt erwiesen, und wo das entscheidende Zeugnis von Frauen stammte, denen später gesagt wurde, dass sie in der Versammlung zu schweigen hätten. Aber hier sind wir dennoch am Ostermontag, auf dem Weg zu neuen Tagen.  Hier sind wir am Ostermontag und erhalten eine Antwort, die nicht selbstsicher ist, sondern darauf verweist, dass man von diesen Auferstehungserfahrungen zehren kann. Wie eine gelbe Blume, die in unseren Landen blüht. Wie ein Dichter, der ihre Bedeutung sieht und die Bedeutung anderer Blumen auch. Wie die Begegnung auf einem Weg, die man nicht abschütteln kann, weil sie neue hoffnungsvolle Gedanken eröffnet, die den gang wieder leichter machen. Ein Gespräch, das die Zukunft öffnet statt sie zu verschießen.

Wir hatten gehofft, sagen die beiden auf dem Weg nach Emmaus. Eine Blume und eine Begegnung können bewirken, dass wir wieder von der Hoffnung als Gegenwart und Zukunft reden können. da ist Hoffnung, so wahr wie da ein Puls ist, ein Herzschlag, offene Augen und Ohren und ein Leben, an dem wir teilhaben. So wahr wir Worte haben, mit denen wir uns begegnen und die und erzählen, dass wir die sind, die Gott nicht alleinlässt, sondern zu denen er zurückkommt. Wir sind die, die eine Zukunft in der Wirklichkeit Gottes haben.

Für Zweifler erfordert das, dass der Auferstandene nicht nur auf uns in Galiläa wartet, sondern uns dahin folgt. Das ist unser Evangelium des Ostermontags, dass er das tut, uns auf dem Wege folgt.

Und auf dem Wege haben wir Lieder, die wir singen können, und Worte, die uns näher zum Leben bringen. Und wir haben Bescher, die gefüllt werden, und wir hören, dass uns gesagt wird: Dies ist für dich, mein Leben ist dein Leben, die Auferstehung gilt auch dir. Amen.


Pastorin Christiane Gammeltoft-Hansen

DK-2000 Frederiksberg

E-mail: cgh(at)km.dk


[1] Anspielung auf das bekannte Osterlied des dänischen Dichters Grundtvig: Påskeblomst, hvad vil du her, Dänisches Gesangbuch Nr. 236, deutsch im Deutsch-dänischen Kirchengesangbuch Nr. 236: Sag mir doch, was willst du hier, Osterglocke, dorfgeboren, ohne Duft und Pracht und Zier.

de_DEDeutsch