Matthäus 11,2-20

Matthäus 11,2-20

3. Advent | 11.12.2022 | Matthäus 11,2-20 (dänische Perikopenordnung) | Laura Lundager Jensen |

Die Erzählung von Jesus gehört zusammen mit der Erzählung von Johannes.

Vielleicht waren sie vielleicht verwandt, das sagt die Schrift. Jedenfalls verwandt im Geist. Und beide waren Wanderprediger und verkündigten das Wort Gottes.

Bei Matthäus, von dem das heutige Evangelium stammt, hören wir ein paar Mal von Johannes. Meist weil Jesus auf Johannes verweist, aber sie begegnen sich ein einzelnes Mal bei der Taufe Jesu, wo der Zusammenhang zwischen beiden deutlich wird. Und dennoch nicht ganz durchschaubar – denn warum muss Jesus von Johannes getauft werden und nicht umgekehrt? „Damit alle Gerechtigkeit erfüllt wird“, ist die Antwort Jesu.

Selbst sieht sich Johannes nur als der, der den Weg bereitet für Jesus, er tauft mit Wasser, aber „der nach mir kommt, ist stärker als ich, … er hat die Worfschaufel in seiner Hand und wird die Sporen vom Weizen trennen und seinen Weizen in die Scheune sammeln, aber die Spreu wird er verbrennen mit unauslöschlichem Feuer“. Das ist das Bild vom Gerichtsprediger, mehr als vom guten Hirten, das hier erscheint. Überhaupt ist Johannes mehr heftig, die Pharisäer nennt er Otterngezücht, und seine eigenen Jünger sollen fasten und enthaltsam sein, während die Jünger Jesu feiern dürfen, „solange der Bräutigam bei ihnen ist“. Für Johannes ist es ernst, hier und jetzt gilt es – die letzten Zeiten sind nahe, das ist seine Botschaft. Und er, der da kommt, ist nun auf dem Wege, predigt er. Die Zeichen sind überall zu sehen, verkündet er.

Wie wir wissen, ist das Schicksal des Johannes tragisch, er wird von König Herodes Antipas gefangen genommen, und als die schöne Tänzerin Salome, die Stieftochter des Königs, das Haupt des Johannes auf einer Schüssel verlangt, wird Johannes geopfert.

Aber bevor das geschieht, will Johannes Gewissheit haben über sein ganzes Wirken als Prediger. Und im Gefängnis ist sein festes Vertrauen zu Jesus zu einer Frage geworden. Es ist offenbar in Zweifel gekommen. Ist Jesus der, „der kommt“? Kann es wirklich wahr sein, dass dieser freundliche Mann der weltverändernde Messias ist? Johannes ist im Zweifel.

Aber auch wenn Johannes vielleicht an Jesus zweifelt, Jesus zweifelt nicht an ihm. Johannes ist mehr als ein Prophet. Er ist der Engel, der den Weg bereiten soll. Das erzählt er seinen eigenen Jüngern. Und auch wenn sich die Art ihrer Verkündigung unterscheidet, ist ihre Botschaft dieselbe, sagt Jesus. Das Ende ist nahe, Neues ist auf dem Wege. Gottes Gerechtigkeit ist nahe.

Das ist der letzte Abschnitt im heutigen Evangelium.

Der erste Abschnitt handelt vom Zweifel des Johannes.

Und in seinem Zweifel schickt er die Frage mit seinen Jüngern an Jesus. Denn auch wenn er sich wohl selbst als den sieht, der den Weg bahnt, wie ein Elias, der infolge der alten jüdischen Erzählung den Weg für den Messias bahnen soll, ist er in Zweifel geraten, ob Jesus nun auch der Messias ist.

Jesus empfängt die Jünger des Johannes, wendet die Frage aber sogleich zu einer Gegenfrage: „Was seht ihr?“ Fragt er. Seht ihr all das, was das Zeichen enthalten sollte?

Wenn sie schneller gewesen wären, hätten sie sicher von all dem erzählen können, was Johannes gesagt hatte von Zeichen für das Kommen der letzten Zeiten, mit Szenarien, die wahrscheinlich an die schlimmsten Katastrophenfilme unserer Zeit erinnern – von einer Welt auf dem Weg in die Hölle. Von Waldbränden, dem Rasen von Kriegen, dem Rasen von Pandemien, steigenden Meeren, drohenden Kometeneinschlägen und der Drohung von Atombomben.

„Ja“, könnten sie sicher antworten. Ihr Herr und Meister Johannes ist gefangen durch Frauenlist und Machtgier, Krieg und Besatzung und Hunger herrschten überall. Also „ja“, könnten sie antworten, wenn es um die Zeichen des Johannes ginge, nach denen sie suchten.

So wie wir antworten können, wenn wir gefragt würden, Die Zeichen, die Johannes verkündete vom Untergang der Welt und dem Ende der Zeiten, die ganze Palette an katastrophalen Zeichen, die sehen wir wohl.

Aber die Jünger des Johannes kommen nicht dazu zu antworten.

Auf die Frage; „Bist du, der da kommen sollen wir auf einen anderen warten?“ antwortet Jesus selbst. Was seht ihr? Seht ihr es: „Blinde sehen und Lahme gehen. Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt“.

Die Jünger des Johannes müssen ganz verwirrt geworden sein. Da ist nicht viel Wüten und Gericht. Die Rufe und Fahnen der Revolution sind am Horizont nicht zu hören. Die Posaunen des Untergangs klingen nicht in der Ferne.

Dafür aber ja all das, von dem der alte Jesaja prophezeite. Von einem neuen Weg, der sich öffnet für den, der sieht und mit und im Glauben das Wort Gottes annimmt. Ein von Gottes Gerechtigkeit gebahnter Weg, der in die Welt gekommen ist in der Taufe Jesu durch Johannes am Jordan. All das, in dem Jesus sich zeigte, was er zeigte und in dem er handelte durch seinen Wandel im Lande der Menschen. Trotz der Zeichen des Untergangs bei Johannes – oder eher zugleich mit ihnen.

Im heutigen Evangelium geht es darum, Zeichen zu sehen. Mut zu fassen, Zeichen zu sehen.

Zeichen gibt es ja genug, und es besteht kein Zweifel daran, dass wir Zeichen wahrnehmen sollen, nicht zuletzt die Zeichen, die Handeln hier und jetzt verlangen, damit sich die Katastrophenszenarien von Johannes und all den anderen nicht bewahrheiten.

Nicht das ist die Frage oder die Antwort. Die Frage ist, ob die Jünger des Johannes und wir mit ihnen auch das andere sehen.

Sehen wir, dass Gott in der Welt ist? Sehen wir, dass er herrscht mitten in all der Gewalt, mitten in der Zeit der Irrungen, mitten in der Offenbarung unserer Verletzlichkeit und mitten in unserem Zweifel und unserer Verzweiflung? Da ist etwas, was stärker ist und kräftiger. Etwas, das wächst und getragen wird selbst mitten in Krieg und Katastrophen. Eine Hoffnung, die nicht zuschanden wird.

Das Licht, das jeden Advent im Kranz mehr wird. Das Licht, das leuchtet für die im Finstern wohnen. Wir kleine Mirakel und Botschaften der Liebe, die selbst dort geschehen, wo Sinnlosigkeit und Missmut herrschen. Trotz dem bösen in der Welt.

Sehen wir – oder besser haben wir den Mut zu sehen, auch wenn der Messias nicht wie eine Marianne der Freiheit leuchtend vorangeht als die Personifizierung der Hoffnung selbst, so ist die Freiheit in der Welt, die Gerechtigkeit in der Welt, so sind die Liebe und das Licht in der Welt. Geboren im Stall von Bethlehem und getauft mit Wasser im Jordan von dem Menschen und Wegbereiter und Engel Johannes, und versehen mit dem Geist und Wort Gottes als dem Schwert des Lichts gegen die Macht der Welt.

Auf die Frage: „Bist du, der da kommt, oder sollen wir auf einen anderen warten?“ hätte Jesus antworten können: „Ja, ich bin der Messias“. Stattdessen antwortete er: „Was seht ihr“. Statt auf eine Antwort zu verweisen, werden wir und Johannes und seine Jünger darauf verwiesen, die Werke der Liebe in einer Welt zu sehen, die so voll ist von allem anderen. Statt die Frage an eine fertige Antwort zu binden, werden die und wir in Arbeit gebracht, werden beauftragt, selbst nach der Antwort zu suchen in der Welt, die Gott geschaffen hat und in der er noch immer wirkt, in der Weisheit seiner Gerechtigkeit.

Advent bedeutet, dass wir unsere Augen öffnen, unsere Augen all das sehen lassen, was schon ist, es zu Herzen nehmen und den Weg bereiten für das was nach dem Willen Gottes kommt. Amen.


Pastorin Laura Lundager Jensen
Langetoften 1, Osted
DK-4320 Lejre
E-mail: luje(at)kp.dk

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