Matthäus 12, 31-42

Matthäus 12, 31-42

12. Sonntag nach Trinitatis | 04.09.2022 | Mt 12,31-42 (dänische Perikopenordnung) | Rasmus Nøjgaard |

’Alle Sünde und Lästerung wird den Menschen vergeben.‘

Das ist das das Evangelium für uns an diesem Sonntag: ’Alle Sünde und Lästerung wird den Menschen vergeben.‘ Hier gibt es keine Vorbehalte. Jesus teilt nicht aus mit geizigen Vorbehalten, er ist großzügig, ja geradezu verschwenderisch. ’Alle Sünde und Lästerung wird den Menschen vergeben.‘ Das ist nicht ein kleiner Tropfen Barmherzigkeit, sondern eine Flut der Liebe Jesu, eine überschäumende Vergebung, er versöhnt sich ganz und eindeutig mit allen Menschen. Die Himmel öffnen sich, und ein seliger Regen fällt auf alle Menschen dieser Erde ohne Unterschied. Die Regentropfen treffen uns alle und durchnässen Hemd und Kleid, Haar, Mütze, Schleier. Die Liebe Jesu fließt uns allen zu. Das ist das Evangelium aller Sonntage.

Ich sehe das Pfingstwunder vor mir, wo der Heilige Geist von Gott über die ganze Welt ausströmt und sich mit allen Menschen verbindet wie das Nordlicht, das zitternd um ihre Körper ruht. Ein Licht und eine magische Spannung, die Versöhnung verheißt. Versöhnung zwischen Gott und Menschen und zwischen den Menschen. Eine Welt, die miteinander verbunden ist wie in einem weltumspannenden Netzwerk, das World Wide Web des Heiligen Geistes.

Die Liebe Gottes strömt durch die ganze Welt, und Jesus tritt hervor und verkündet, dass nicht einmal eine Verspottung des Menschensohnes unvergebbar ist, denn zusammen mit aller Sünde wird auch die Gotteslästerung in dieser neuen Wirklichkeit vergeben, wo die Versöhnung alles durchströmt. Das ist eine einzigartige Aussage Jesu. Die Dummheit und Unsicherheit der Menschen soll nicht zwischen ihm und ihnen stehen. Unseren Drang, das Größte herunterzumachen, um uns nicht ganz so klein erscheinen zu lassen, hat er durchschaut, auch Ironie, Sarkasmus und Karikatur können Jesus nicht von den Menschen trennen. Das Mysterium Gottes ist so groß, dass das Urteil der Menschen über Gott nicht entscheidend ist, denn die Liebe Gottes verändert alles. Das ist wie mit den Sakramenten, wo Christus handelt ungeachtet der Unterschiede zwischen Menschen und Kirchen, ihrem Eigensinn und ihrer Exklusivität. Deshalb nehmen wir alle auf, die die Taufe begehren, und der Tisch des Herrn beim Abendmahl steht allen offen. Christus hat schon den Tod erlitten und kann nicht mehr verhöhnt werden, und die dreitägige Bewegung vom Kreuz, dem Reich der Toten zur Auferstehung hat die Tür für alle geöffnet. Die Auferstehung ist der Beginn allen Lichts. Das Christus-Licht scheint für alle Schöpfung.

Alles kann vergeben werden, sagt Jesus, alle Sünde und Lästerung. Die Vergebung, die Jesus schenkt, ist universal und allumfassend. Sie räumt ein, dass der Mensch fehlbar ist, dass niemand ohne Sünde ist, dass alle Jesus lästern, ob man das nun als Ablehnung Jesu versteht oder dass man nicht nach seinen Geboten lebt. Die Vergebung umfasst den, der sich sowohl in Wort und Tat gegen Jesus wendet, den Menschensohn. Jesus fordert nicht blinde Unterwerfung, er zensiert nicht die Sprache und moralisiert nicht über die Werke.

Es ist etwas anderes, was für Jesus eine Grenze setzt, und das ist die Sünde gegen den Heiligen Geist: ‚Wer etwas redet gegen den Heiligen Geist, dem wird’s nicht vergeben, weder in dieser noch in der künftigen Welt‘.

Das verlangt eine Erklärung. Was bedeutet der Heilige Geist hier im Evangelium von Jesus Christus? Jesus tritt doppelt auf, sowohl als Menschensohn, der trinkt isst, sich vergnügt, der sich ärgert, der wohl auch einmal austritt – und dann tritt er auf mit göttlicher Autorität, kann deshalb Wunder tun und Übernatürliches bewirken, er ist Mensch und Gott. Was ihn göttlich macht, ist dies, dass er mit derselben Kraft und Autorität handelt wir der Vater, nämlich dem Heiligen Geist. Die Kraft Jesu ist der Heilige Geist. Wer den Heiligen Geist lästert, verleugnet die Gottheit Jesu und zweifelt am wahren Wesen Jesu. Handelt er i Namen Gottes oder ist er von bösen Kräften getrieben, vom Teufel selbst?

In der inneren Geschichte des Evangeliums kommt dieser Zweifel zum Ausdruck u.a. in der Begegnung mit den Pharisäern und Schriftgelehrten. Sie bezweifeln die Autorität Jesu, und sie können nicht genug Beweise bekommen. Aber Jesus lehnt es ab, ihnen mehr Zeichen zu geben, denn sie würden das dennoch nicht verstehen.

In einem größeren Zusammenhang trifft uns die Zweideutigkeit in einer anderen Weise, denn wir kennen die Geschichte und wissen, dass Jesus sterben und wieder vom Tode auferstehen wird. Aber wir stehen auch vor der gleichen Herausforderung wie die Zeitgenossen Jesu, dass auch von uns gefordert wird, an die Rede Jesu von Vergebung und Versöhnung zu glauben. Das Wort soll noch nimmer in guten Boden fallen, um Wurzeln zu schlagen. Wir müssen selbst zeigen, dass es Wurzeln geschlagen hat und jetzt Frucht bringt. Wir müssen selbst die Frucht sein, die andere schmecken können, so dass das Wort seine Glaubwürdigkeit zeigen kann: Vergebung und Versöhnung. Das müssen auch wir in Wort und Tat weitergeben. Und eines Tages müssen wir selbst uns dafür verantworten, ob wir uns die Botschaft zu Herzen genommen haben und sie in Wort und Tat an andere weitergegeben haben.

Auf diesem Hintergrund können wir vielleicht verstehen, dass die sanften und liebevollen Worte Jesu durch entsprechende harte Worte abgelöst werden. Die Lästerung des Geistes wird nicht vergeben. Der Geist, der sich mit den Menschen verbunden hat. Gott lebt damit, dass wir ihn verlästern als einen Himmelskönig und einen Menschensohn, aber wenn wir seinen Geist verlästern, dann wird der Spott ein Gericht über uns selbst, denn wir haben schon Teil am Heiligen Geist, das ist die Gabe und Forderung des Pfingstwunders. Was Jesus danach sagt, ist überraschend. Unsere Worte und unsere Sprache verraten, wer wir sind. Wenn wir etwas Böses oder Herabsetzendes über andere sagen, entlarvt das uns selbst. Wenn wir abwertend über andere reden, dann offenbaren wir unsere eigene Niedertracht. Wenn wir den nicht ertragen können, der anders ist als wir, offenbaren wir unsere Kleinlichkeit. Jesus sagt, dass ein guter Baum gute Früchte trägt, und ein schlechter Baum schlechte Früchte. Er macht uns für unsere Worte verantwortlich, denn Wort sind Taten, Worte schaffen im Guten wie im Bösen, was sie sagen. Worte bauen auf und reißen nieder, Unter dem ganzen Arsenal von Waffen ist das Wort das stärkste. Die Kraft der Sprache ist enorm, Sie kann lösen und befreien, sie kann Freude schenken und Liebe erweisen, sie kann Würde vermitteln und Glück. Aber sie kann auch das Gegenteil bewirken.

Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Das ist dasselbe Wort, das uns heute frei macht und uns Sünde und Lästerung vergibt. Das göttliche Wort, das uns anvertraut ist, mit dem wir uns in der Welt bewegen und an dem wir erkannt werden. Und nach diesem Wort sollen wir leben und frei werden. Seht, das ist mehr als Jona, ja mehr als die Weisheit Salomos. Amen.

Pastor Rasmus Nøjgaard

DK-2100 København Ø

Email: rn(at)km.dk

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