Matthäus 16,13-26

Matthäus 16,13-26

5. Sonntag nach Trinitatis | 17.07.2022 | Mt 16,13-26 | Poul Joachim Stender |

Das dänische System ”NEMiD” für elektronische Kommunikation mit den Behörden wird bald durch ein neues abgelöst. Aber es ist noch in Betrieb, man kann mit einem Kode sein Bankkonto einsehen oder Mitteilungen der Behörden lesen. Man muss dann mit verschiedenen Schlüsseln Sicherheitsschleusen überwinden. Aber haben wir auch solche Schlüssel, wenn wir zu einander finden wollen? Ich erinnere mich an die Frauen in meiner Jugend, die einen undurchdringlichen Firewall hatten. Ich machte Witze, ließ mich von der Sonne braun brennen, um gut auszusehen, so dass ich heute einen festen Parkplatz vor der Hautklinik meiner hellhäutigen Schwester in Charlottenlund habe. Aber ich hatte keinen Schlüssel für 9% von ihnen Und wenn ich die Frauen fragte: „Was ist dein Kode? Was ist der Schlüssel zu dir?“ machte es die Sache nur noch schlimmer. „Armer Kerl“, antworteten sie. Und so ist es noch immer mit unserem Verhältnis zu unseren Mitmenschen. Hätten wir doch nur einen Schlüssel, einen Kode, der uns die Leute aufschließen könnte. Einen Kode für den Mitmenschen. Man kann versuchen, den Firewall zu seinen Mitmenschen mit gutem Essen oder Witzen oder Bildung zu durchbrechen. Aber das gelingt in der Tat nicht immer.

Jesus sagt im heutigen Text zu Petrus: „Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben. Was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmelreich gebunden sein“, und was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein“. Das nenne ich ein Schlüsselwort, einen Kode. Wir müssen erkennen, dass wir auch den Schlüssel haben, unsere Mitmenschen total herunterzumachen. Führe dich auf wie ein Schwein, sei ungebildet, stinke nach Schweiß. Rede hässlich. Sag, dass du Trump magst. Du hast die verschlossen. Access denied. Aber es gibt auch einen Schlüssel, der einen anderen Menschen öffnen kann. Bildung, Höflichkeit, Charme, Mut, einen besonderen Blick auf das Leben. Ich weiß es, wir haben die Schlüssel, mit denen wir einander aufschließen können.  Und ich weiß, dass Jesus in die Welt gekommen ist, um uns solche Kodes zu geben, mit denen wir in den Himmel und zueinander finden. Das ist banal gesprochen. Aber die Wahrheit ist banal.  Jesus ist der Schlüssel zum Himmelreich, und die Liebe, die er uns gab, ist der Schlüssel zu unseren Mitmenschen. Jesus fragt, wer er ist. So wie ich das sehe, so haben wir Jesus furchtbar abgewertet mit den Antworten, die wir heute geben. Gott ist genauso wertlos gemacht worden wie unser Geld zurzeit wegen der Inflation. Wir haben Christus zu einem netten Mann gemacht, einem großen Denker, einem Beispiel für die Liebe. Und natürlich ist er das. Aber er ist in erster Linie Gott selbst. Und wir sollten erschrecken, wenn wir vor ihm stehen. Nichts ist so unbegreiflich, so groß, so undefinierbar wir Gott. Als Jesus fragt, wer er ist, sagt Petrus sehr treffend das, was wir nicht gerne bekennen: „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“. Und besser und zutreffender lässt sich das nicht sagen. Die dänische Volkskirche beruht auf dem Bekenntnis. Unsere kirchliche Grundlage ist nicht Ökologie oder grüne Kirche oder Nachhaltigkeit oder gutes Arbeitsmilieu. Die Grundlage, auf der alles beruht, ist das folgende Bekenntnis: „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“. Wir sollten deshalb die Kirche nicht für alles Mögliche da sein lassen und dann vergessen, dass wir ausschließlich Kirche sind, um zu verkünden, dass Jesus der Sohn des lebendigen Gottes ist. Das ist nicht ein toter Gott, eine Statue, ein goldenes Kalb, was wir anbeten. Wir beten einen lebendigen Gott an, und wenn wir einen lebendigen Gott haben, sollen wir Menschen auch lebendig sein und keine vertrockneten Mumien, Stockfische, die nur an Geld denken, an Karriere oder Pension im Alter. Nachdem Petrus gesagt hat, wer Jesus ist, sagt Jesus zu Petrus: „Und ich sage dir, du bist Petrus, und auf diesem Felsen will ich meine Kirche bauen!“  Und da stand Petrus. Klein jund verletzlich und beweglich neben den enormen, starken, soliden Felsen bei Cäsarea Philippi, und doch ist sein Name Felsen. Sollte unsere Kirche wirklich auf etwas so Wackligem und Zerbrechlichen wie ihn gebaut werden?

Es gab mal einen dänischen Sänger, der hieß John Mogensen. Der schrieb einen Song, in der diese Zeile vorkam: „Aber du bist Geröllstein“ (ein „Rollstein“). Das bezog sich zwar in dem Lied auf eine Frau, die er liebte, die an seine Liebe nicht genug hatte und von der er schrieb: „Du bist ein Geröllstein, du hast nicht genug an einem, deshalb musst du deine eigenen Wege gehen“. Aber ich kann den Satz verwenden, weil ein Geröllstein wesentlich ist im Christentum. Der Stein, der vom Grab Jesu rollte, war ein Geröllstein. Er rollte fort vom Tode und schuf neues Leben für Jesus und damit für uns alle. Und wenn Jesus bei Cäsarea Philippi seine Kirche mit Petrus bauen will, so deshalb, weil seine Kirche in Bewegung sein will, neues Leben schaffen will, sie soll rollen können, sie soll immer unterwegs sein in Richtung auf mehr Liebe, mehr Mitmenschlichkeit und mehr Kontakt mit Gott. Und wir Christen sollen auch Geröllsteine sein. Nicht in dem Sinne, dass wir für alles offen sein sollen und uns durch den geringsten Wind bewegen lassen sollen. Wenn Toleranz ein großes Scheunentor ist, das immer offensteht und alles hineinlässt, dann habe ich nicht viel übrig für Toleranz. Aber Jesus Christus, der Sohn Gottes, soll mit seinem mächtigen Wort imstande sein, und in Bewegung zu bringen zu ihm und zu einander.

Der Konflikt zwischen Russland und Ukraine ist tragisch. Wie die Felsen bei Cäsarea Philippi stehen sie sich standhaft, unbeugsam und steinhart einander gegenüber. Aber eben dies sollen wir nicht sein, wenn unsere Haltungen und Einstellungen dazu führen, dass Menschen getötet werden. Wir sollen in Bewegung sein, wir sind die „rollende“ Kirche, die rollenden Christen, stets auf dem Wege zu Gott, zu einander, zu Frieden, zu Liebe. Was ist das Höchste, was ein Mensch erreichen kann? Ist es Wissen? Tugend? Güte? Schönheit? Sieg? Es gibt etwas, was höher und mächtiger ist. Respekt. Es ist nichts so groß wie der Respekt, der daher kommt, dass wir verstanden haben, dass das Leben eine Gabe ist. Das Leben gehört nicht uns. Es gehört Gott. Und wir halten wirklich das Leben anderer Menschen in unseren Händen. Ich bin es, der das Leben meines Mitmenschen schützt. Und wenn wir einem anderen Menschen gegenüberstehen, müssen wir voller Respekt sein. Denn dieser Mensch ist im Bilde Gottes geschaffen. Wir sind nicht wie die Felsen in Cäsarea Philippi. Wir sind wir der Fels Simon Petrus. In Ehrfurcht vor dem Leben, das uns Gott gegeben hat, können wir Meinungen und Einstellung sowohl als Menschen wie auch als Kirche ändern, wenn wir uns in Bewegung setzen zu Gott und zueinander, zu Liebe und Frieden. Gott befohlen. Amen.

Pastor Poul Joachim Stender
DK 4060 Kirke Såby
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