Matthäus 21,1-9

Matthäus 21,1-9

Palmarum | Mt 21,1-9 | 10.04.2022 | Leise Christensen |

Wenn man eine Zeitung aufschlägt in diesen Tagen, ist sie voll von Berichten über den Krieg in der Ukraine, davor waren es die Probleme im Kongo, der Völkermord in Ruanda vor 25 Jahren, die Kämpfe in Syrien, Afghanistan. Es nimmt kein Ende mit dem Grauen, das zufällige Menschen trifft – in vielen Ländern, in diesen Tagen in der Ukraine. 

   Heute feiern wir Palmarum – den Beginn der stillen Woche, wie man die ersten Tage in der Osterwoche nennt. Die stillen Tage. Die Tage, wo Zeit ist zum Nachdenken. Zu Beginn der stillen Tage kommt Jesus  reitet auf einem Esel in Jerusalem, dem langsamen, starken und unerschütterlichen Esel, der immer die Ankunft des Königs im antiken Orient signalisiert hat. Sanftmütig kam er, wie geschrieben steht. In den stillen Tagen sollen wir darüber nachdenken, was das bedeutet.  Es ist ein großer Unterschied, ob man donnernd mit Tod und Zerstörung in der modernen Kriegsmaschinerie kommt oder ganz langsam und sanftmütig mit der Kraft eines Esels. So wie Jesus. Es gibt viele Arten und Weisen, wie man Macht n der Gesellschaft gewinnt, damals wie heute, um nun die beiden Extreme zu nennen. Durch Machtanwendung und Bomben und – ja wirklich – durch Sanftmut. Viele hatten gehofft, dass Jesus mit seinen besonderen Gaben, die Wasser in Wein verwandeln und tausende Menschen mit fünf Broten und zwei Fischen sättigen konnten und dann auch alle Krankheiten und Nöte heilen konnten, dass er mit all diesen Gaben die verhasste römische Besatzungsmacht beseitigen würde und den Menschen in Jerusalem ordentliche Verhältnisse sichern würde und überhaupt ein König sein würde, den man ernst nimmt. Man hatte vielleicht gehofft, dass er mit etwas mehr Kraft als einem Esel kommen würde, vielleicht mit einigen Raketen in der Satteltasche oder jedenfalls mit großer göttlicher Kraft und Stärke und etwas weniger Sanftmut. Ja, man hatte gehofft, dass er nun als König auf einem Esel kommen würde und dass er die Probleme lösen würde. Dass er sich der Sache des Volkes annehmen und die Machtverhältnisse klären würde. So wie man heute seine Sache mit Gewalt durchzusetzen versucht. Damals wie heute will man seine Sache jetzt lösen, schnelle Veränderungen, seinen Willen durchsetzen. Schnell. Deshalb rief man damals „Hosianna“, als Jesus in die Stadt ritt auf einem sanftmütigen Esel. Hosianna bedeutet einfach: „So erlöse uns doch. Rette uns doch!“ Sie sahen, dass Jesus König war, der erwartete König, die Erfüllung der Verheißung. Aber mit Jesus verhält es sich anders. Der kommt nicht schnell mit dem Flugzeug, mit Bomben und Gewalt. Er kommt langsam, ohne Waffen. Sanftmütig. Und es dauert Zeit, ehe sein Reich kommt. Man kann es nicht durch Bomben erzwingen. Gewiss, es kann notwendig sein mit Machtanwendung. Aber es gibt auch Dinge, die man nicht erzwingen kann.

   Wir alle haben das in uns, anderen weh zu tun. Uns selbst in den Mittelpunkt zu stellen.                                                                                                                                                            Das zu tun, was wir wollen, ohne Rücksicht auf andere. Gegen die Gemeinschaft handeln oder gegen die Liebe. Zu glauben, dass das, was ich will, auch das beste ist für alle. So denken wohl alle Diktatoren. Dieser Gedanke, dass ich das, was ich tue, nicht für mich tue, sondern für das Volk – die wissen es nur noch nicht. Das Gute und das böse kämpfen über alle gegeneinander – aber vielleicht am meisten auch in uns selbst, in jedem von uns. Diese Erkenntnis kommt langsam zu uns mit dem Reiter auf dem Esel damals in Jerusalem. Das reich, mit dem er kommt, kann man nicht erzwingen, es kommt von innen, von dem Korn, das er in uns gepflanzt hat. Das Korn, das von der Sehnsucht handelt, die wir auch haben nach  Frieden und Liebe, die Hoffnung, die wir haben auf Gemeinschaft, Zusammengehörigkeit, von unserem Glauben daran, dass die geschaffene Welt trotz allem, was dagegen spricht, gut ist, weil sie von Gott gewollt ist, von dem Gedanken, dass auch das Sanftmütige Wert hat. Das Reich Jesu ist nicht von dieser Welt und hat mit den Wirren dieser Welt nichts zu tun. Der Friede, mit dem er kommt, ist nicht notwendigerweise ein Friede für die Welt, ein Friede in der Welt oder ein Friede für die Tyrannen dieser Welt.  Wir können uns ja nur umsehen in der Welt und sehen, dass der Friede keine Realität ist, wenn man damit meint Friede vor aller Waffenmacht, Übergriffen, Unterdrückung und Hunger. Nein, das war nicht der Friede, mit dem Jesus an jenem Tag nach Jerusalem kam. Es war vielmehr ein Friede für den Sinn eines jeden einzelnen Menschen. Ja, ja, denken wir vielleicht, was in aller Welt sollen wir damit anfangen? In einer Welt voller Gewalt und Probleme, draußen in der Welt und bei uns. Hier sitzen wir in einem Alltag, wo Sanftmut nicht gerade gefragt ist, wo Dinge wie Effektivität, Initiativreichtum, Schnelligkeit und Mut geschätzte Tugenden sind. Man stelle sich eine Bewerbung für eine Stelle vor, wo der Bewerber schreibt, er sei sehr sanftmütig. Wir wissen, wo diese Bewerbung endet. Und dann jemand noch so sehr sagen, er sei König, das interessiert einen Arbeitgeber nicht. Hier sitzen wir mit einer Welt im Krieg, mit Not, Tod und Zerstörung, und dann wird nur geredet von Sanftmut und von einem Frieden, der nicht von dieser Welt ist, sondern in das Reich Gottes gehört. Was sollen wir anfangen mit so einem nicht handgreiflichen Frieden? Die Antwort ist einfach und schwierig zugleich: Alles sollen wir damit anfangen! Der Friede Gottes ist keine politische Größe, die man mit leichter Hand ausstreuen kann über die Konflikte diese Welt. Der Friede Gottes ist das, was dem Menschen in seinem Inneren gegeben wird. Der Friede Gottes ist das, was dem Menschen gegeben wird, so dass wir trotz allem eine Hoffnung für das Leben haben. Der Friede Gottes ist das, was und wieder aufhilft, wenn wir gefallen sind, wenn wir meinen, dass wir nicht mehr können. Der Friede Gottes ist das, was und Kräfte gibt, gegen alle die Neigungen zu kämpfen, es nicht gut zu meinen mit anderen Menschen. Solange die Welt besteht, wird Gottes Wort von einer lebenden, kommenden Wirklichkeit erzählen, die von Gott in uns gesät ist. Gottes Wort – in der Gestalt eines Mannes auf einem Esel – spricht Trost zu für die, die Angst haben Hoffnung für die Gefangenen und Gemeinschaft für die Einsamen. Als lebendiges Wort hat Gott in allen gestakten gewirkt. Er ist den Menschen gefolgt bis in die Grenzen des Daseins mit seinem Frieden. Er ist mitgegangen bis in die tiefste Finsternis und hat dort Licht gebracht, wie wir das später in dieser Woche hören), so wie er uns im schlimmsten Sturm festgehalten hat. Das ist der Friede, mit dem Jesus an jenem tag in Jerusalem kam, das ist der Friede, der unseren Kindern in der Taufe geschenkt wird und den wir im Abendmahl empfangen. Dort wiederholen wir den Ruf aus Jerusalem: Hosianna – befreie uns. All dies tut er, auch wenn die Welt oft etwas anderes will, und das tut er, damit wir trotz allem den Mut haben, unsere Leben zu leben – für den Nächsten und für uns selbst. Amen.


Pastorin Leise Christensen

DK 8200 Aarhus N

Email: lec(at)km.dk

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