Matthäus 21,1-9

Matthäus 21,1-9

1. Advent | 27.11.22 | Mt 21,1-9 (dänische Perikopenordnung) | Elof Westergaard |

Heute beginnt ein neues Kirchenjahr. Der Text dieses Sonntags ist der Einzug Jesu in Jerusalem, und seinen Einzug sollen wir heute als einen Einzug in die Welt der Menschen, in unsere Zeit, Häuser und Städte hören.

Der Einzug in Jerusalem und die Huldigung Jesu sollen wir als einen Ausdruck für die Freude sehen, mit der wir Gott begegnen sollen. Er hat seinen Sohn in die Welt gesandt, ist uns in Fleisch und Blut begegnet und lässt seinen Geist mitten unter uns sein. Also her mit den Instrumenten. Singe und spiele und freue dich!

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In der letzten Woche ist Mehran Karimi Nasseri gestorben.

Ich habe ihn nicht gekannt, aber als uns die Nachricht erreichte, hatten die meisten von uns dennoch von ihm gehört. Nasseri stammte aus dem Iran, und er kam im Jahr 1988 am Flughafen Charles de Gaulle in Paris an. Er sollte eigentlich nur zwischenlanden, wollte weiter nach England, aber er verlor seine Papiere und landete deshalb in einem Limbo, wo er nicht weiterkommen konnte. Er ließ sich dann im Flughafen nieder, und er sollte viele Jahre lang in diesem Transitort leben. Er lebte 18 Jahre lang im Abflugterminal, bekam Essen vom Personal und las und schrieb. Sein Leben wurde sogar verfilmt. Schließlich erhielt er Aufenthaltsgenehmigung in Frankreich, aber er wollte nach England. Kurz vor seinem Tod kehrte er zurück zum Flughafen, wo er jetzt auch letzte Woche starb. Der Flughafen war sein Zuhause geworden.

Nasseri war einer von Millionen Menschen im Transit, ohne Heimatland, ein Flüchtling auf dem Wege, der dann unterwegs mitten in der harten Welt eine Bank findet, einen Ort, ein Zuhause, trotz allem.

   Da ist jedoch auch etwas anderes in Nassaris Geschichte, was mich anrührt und wo er mit seinem Leben im Flughafen vieles in unserer Zeit wiederspiegelt. Ich denke daran, dass wir Menschen heute immer unterwegs zu sein scheinen, in Entwicklung und in Intensivierung. Wir scheinen dauerhaft in einer Art von Transit leben zu müssen. Das unruhige Herz des Menschen, die Schattenseite der Selbstreflexion, die nie selbst zur Ruhe kommen will und stattdessen stets sagt: „Immer weiter“, die immer mehr von sich selbst und von der Welt, in der wir leben, verlangt.

   Nasseris Geschichte ist dann zugleich voller Hoffnung: Selbst in dieser Welt, wo alle unterwegs sind, einige nach Frankfurt, New York, Johannesburg oder auf dem Weg zum Koffer und hinaus durch den Zoll zum Auto. da ist es selbst in dieser beweglichen Welt möglich, nach Hause zu kommen. Es gehört nicht viel dazu, zeigt Nassiri uns mit seinem Leben und damit, dass er sich eine Ecke in einem Flughafen fand, die er zu seinem Zuhause machte.

Heute beginnt ein neues Kirchenjahr, und dieser neue Beginn trägt zusammen mit dem Bericht vom Einzug Jesu in Jerusalem dazu bei, uns ein Bild davon zu verschaffen, dass wir mehr sind und anderes als Menschen auf dem Wege in einem ewigen Transit. Was Jesus uns zeigt und was auch die Huldigung des Volkes mit unterstreicht, ist dies: Gott begegnet den Menschen eben hier, mitten in der Welt. Jesus ist der Mann der Hoffnung, wenn wir in ihm einem Mensch en begegnen, der mit uns geht. Er überlässt uns nicht uns selbst, sondern begleitet uns, geht hinein in unsere Städte und Häuser. Jesus bringt uns hier Gottes versöhnende Liebe und die Hoffnung auf Vergebung. Wir sind nicht mehr allein auf unserem Weg.

Einen frohen Advent wünsche ich allen! Amen.


Bischof Elof Vestergaard

Ribe – Dänemark

Email: eve(at)km.dk

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