Matthäus 6,24-34

Matthäus 6,24-34

15.Sonntag nach Trinitatis | 17.09.23 | Mt 6,24-34 (dänische Perikopenordnung) | Thomas Reinholdt Rasmussen |

Nicht Schicksal, sondern Verheißung

Es hat mich oft gewundert, wie ganz anders das Christentum vom Leben denkt. Viele andere Weltanschauungen und Religionen beruhen auf einem Glauben an ein Schicksal, das einen sehr großen Einfluss auf das Leben und das Ergehen des Menschen hat.

Man kann zuweilen auch Menschen begegnen, die krank sind und sich vielleicht von dieser Welt verabschieden müssen, und sie sagen und fragen hören, was sie denn getan hätten, dass es ihnen so er geht wie jetzt. Man plagt sich damit, eine Antwort zu finden in seinen eigenen Wegen, und auf fast wunderliche Weise die Schuld auf sich zu nehmen. Man will einen Zusammenhang finden zwischen den Taten der Vergangenheit und dem gegenwärtigen Geschehen.

Und hier denkt das Christentum so ganz anders. Hört nur einen Ausschnitt aus dem heutigen Evangelium: „Darum sorget nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat“. Für die Zukunft sorgt Gott. Die Zukunft als Objekt für unsere besorgten Gedanken ist abgeschafft. Sie existiert nur als Verheißung – der Verheißung, die in der Vorsehung Gottes besteht – er wird unter dem Zeichen des Regenbogens dafür sorgen, dass wir Kleidung, Essen und Trinken bekommen. Die Vergangenheit ist damit auch uninteressant. Denn die Verheißung gilt, solange die Welt besteht“, ganz gleich wie die Vergangenheit war und trotz aller ertränkten Sünden. Es bleibt der Tag, jeder Tag, heute.

Christentum ist der Glaube daran, dass wir immer neu beginnen können. Die alttestamentliche Lesung für den heutigen Tag handelt von Noah. Das ist ja eigentlich ein ganz schlimmer Bericht von Überschwemmung und Vernichtung., aber er enthält auch ein Evangelium. Das Evangelium, dass Gott sagt: „Nie wieder“. Die Vergangenheit bedeutet nichts, oder besser: Die Vergangenheit ist Geschichte geworden, und in der Zukunft erwartet uns die Fürsorge Gottes, auf die Jesus heute als eine Verheißung verweist mit den Worten: Seht die Vögel des Himmels, seid ihr nicht viel mehr wert als sie?

Damit umfassen die heutigen Texte sowohl die Vergangenheit, die wirklich Vergangenheit ist – also Geschichte und nicht mehr als das – und die Zukunft, wo nur Gott regiert. Und Vergangenheit, die ohne belastende Bedeutung ist, das nennen wir Vergebung der Sünden, und die Zukunft, wo nur Gott regiert, nennen wir Gottes Gnade und Vorhersehung.

Und dies ist somit der Kern im Christentum: Dass wir stets neu beginnen dürfen, immer neu beginnen können, immer eine neue Möglichkeit bekommen im Leben. Niemals ganz verdammt. Niemals ganz zu Boden gegangen durch Schuld durch Schuld und Vergehen, denn Gott macht unser Leben neu.

Und das ist nach meiner besten Überzeugung eine Botschaft, die wir in hohem Maße brauchen. Dass nicht alles allein meine Schuld ist. Dass meine Gegenwart nicht notwendigerweise die Form und den Ausgang hat, den sie nun hat, weil ich dies und jenes in der Vergangenheit getan habe. Dass nicht alles in der Welt allein meine Schuld ist. Es ist in hohem Maße wichtig, dass wir das hören, denn der moderne Mensch ist nach meiner besten Überzeugung kein Ideal. Entweder ist er neurotisch und von Schuld geplagt, ob das nun schlechte Eltern sind oder allein schuld zu sein sogar an globalen Klimaveränderungen, oder auch ist man ästhetisch, geht auf Wellness-Urlaub, um wie ein Baby umsorgt zu werden. Wir leben in einer Zeit, die erwachsen werden muss. Wir sollten das Evangelium hören, so dass wir das Menschenleben verantwortlich und im Glauben leben können.

Und dies Evangelium wird uns heute hier vorgestellt, wenn wir hören, wie Jesus von den Vögeln des Himmels und den Lilien auf dem Feld spricht. Das ist eine Rede, die den Glauben an die Fürsorge und Gegenwart Gottes enthält und damit den Gedanken, dass nicht alles in der Welt meine Schuld und Verantwortung ist. Gott regiert auch. Gott ist auch in seiner Allmacht beteiligt.

Und hier wollen wir schließlich einen kleinen Anstoß ausräumen. Jesus spricht davon, sorglos zu sein. Wir sollen uns keine Sorgen machen. Hier ist ganz entscheidend, dass wir diese Worte als eine Verheißung hören, gegeben in Fürsorge und nicht als eine Forderung, die erfüllt werden muss. Wenn wir die Worte als eine Forderung verstehen, sorglos zu sein, die wir dann erfüllen sollen, dann wird alles verkehrt. Man kann nicht sorglos sein auf Kommando. Aber wir können die Worte, dass Gott regiert, hören, und deshalb ist es möglich, sorglos zu sein, trotz aller täglichen Sorgen in unserem Leben. Trotz der Sorgen und dem Schmerz des Lebens, es handelt sich also um eine Sorglosigkeit, die in der Fürsorge und Gnade Gottes gründet. In Gottes Vergebung der Schuld und Sünde der Vergangenheit und in Gottes Schöpfung neuer Möglichkeiten im Leben und in der Gemeinschaft mit anderen Menschen.

Das ist das Evangelium, das wir hören sollen, und das Evangelium, das Gott uns vor Augen stellt, wenn er jeden Tag Vögel unter dem Himmel schweben und die Lilien des Feldes blühen lässt, und seht, welch ein Überfluss ist das und was für ein Leben und Freude oft trotz allem. Wenn Gott in seiner Allmacht dafür sorgt, so kann Gott gewiss auch für dich sorgen. Zudem in Geborgenheit, da die Allmacht sich in Jesus Christus als gnädig erwiesen hat. Gott hält dich fest in Gnade in seiner Allmacht. Amen.

Bischof Thomas Reinholdt Rasmussen

Thulebakken 1

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