Matthäus 7,22-29

Matthäus 7,22-29

8. So. n. Trinitatis | 07.08.22 | Mt 7,22-29 (dänische Perikopenordnung) | Thomas Reinholdt Rasmussen |

Bei der Predigtvorbereitung fiel mir ein alter Witz ein, den Sie sicher kennen, das müssen Sie entschuldigen. Es geht um die Frage, wie man einen Boomerang nennt, der nicht zurückkehrt, also ein Boomerang, den man wirft, der nicht zurückkehrt.

Man nennt ihn einen Zeigestock!

Und warum?  Warum denke ich an diesen alten Witz?

Vielleicht weil der Text in vieler Hinsicht wie ein Boomerang sein kann. Denn während man so eifrig damit beschäftigt ist, alle die falschen Propheten zu entlarven und sie zu verurteilen, können die Worte auf einen selbst zurückfallen. Denn so viele müssen wissen, dass sie schlimme Leute sind. Dass sie Fake News verbreiten, wie es heute heißt. Aber steht man da selbst auf der richtigen Seite? Wohl kaum!

Bloß weil man sich über andere aufregt, so bedeutet das ja nicht, dass man allein deswegen notwendigerweise das reine Evangelium verkündigt. Der Anstoß kann einen selbst treffen mit der Kraft eines Boomerangs.

Ja, es geht auch um die Frage, ob es eigentlich unsere Aufgabe ist, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Ist es nicht eigentlich unsere Aufgabe, auf Christus zu zeigen?

Ist das nicht die Aufgabe? Und bedeutet das nicht, wenn man auf Christus zeigt, dann kann man nicht auf andere zeigen? Dass Christus der ist, auf den man zeigen soll, damit wir anderen nicht betroffen sind?

Jemand hat mior neulich gesagt, dass der Graben heute nicht besteht zwischen denen, die an Gott glauben, und denen, die nicht an Gott glauben, sondern der Graben geht zwischen denen, die die Sünde anerkennen, und denen, die die Sünde nicht anerkennen.

Das klingt vielleicht etwas kryptisch, aber das ist vielleicht so, weil wir uns nicht ganz klar sind, was Sünde bedeutet. Das bedeutet ja nicht, dass man schlimme Dinge tut. Das bedeutet nicht, dass man schlecht handelt. Sondern es bedeutet, dass man seine Welt nicht überschauen kann. Das ist Sünde. Dass wir stets daran tragen, Mensch zu sein, und dass wir nicht davon loskommen mit der Begrenzung, die das bedeutet. Eigentlich bedeutet es, dass man nie saubere Hände hat und sich nie an dem ganz richtigen Platz befindet.

Wenn man die Sünde nicht anerkennt, kann man sie zwar mit Worten und Begriffen beschreiben, und dann fängt man an, mit den Fingern auf andere zu zeigen und zwischen wahren und falschen Propheten zu unterscheiden. Dann baut man sein Haus auf Sand.

Wenn man diese Schuld anerkennt – lasst uns das bloß so nennen – dann ist man nicht imstande, mit dem Finger auf andere zu zeigen und sich gegenseitig abzugrenzen. Dann sind wir alle im selben Boot.

Und dann wird es etwas schwierig, die falschen Propheten zu finden, denn dann besteht die Gefahr, dass alles wie ein Boomerang auf einen zurückfällt und es sich erweist, dass wir selbst nicht anders sind wie die anderen.

In Wirklichkeit, wenn es darauf ankommt, können wir ja deshalb nur auf Christus zeigen. Christus, und nur er, macht uns alle gleich. Wo man Christus vergisst, entstehen Hierarchien, wo die, die das Sagen haben, immer im Recht sind. Wo Christus vergessen wird, werden die Menschen zu Klienten. Wo Christus vergessen wird, werden einige darum gebeten zu schweigen. Wo Christus vergessen wird, werden Menschen kleinlich gegen einander, wollen wir Recht haben gegen einander, und das dürfen wir nie haben – wir sollen niemals auf einander sehen wir ein Gericht. Wo Christus vergessen wird, bauen wir unser Haus auf Sand, und wenn die Fluten, d.h. die Forderungen der Liebe, steigen, dann fällt unser Haus schließlich zusammen.

Wenn wir nur auf Christus zeigen, dann stehen wir da als Menschen, von denen Christus einer wurde, im Fleisch gekommen, wie es im Johannesevangelium heißt. Dann können wir einander sehen als Mitmenschen, denen wir verpflichtet sind, eine Pflicht zu lieben und ehren. Trotz allem.

Denn wo die Worte auf Christus zeigen, stehen wir da, ohne jemanden etwas vorwerfen zu können, nur der Nächstenliebe verpflichtet.

Das heutige Evangelium ist ein Boomerang. Ein Boomerang, der furchtbar zurückkehren kann und uns als den falschen Propheten entlarven kann. Deshalb ist der heutige Text ein Evangelium, weil er auf Christus verweist und auf ihn allein, und uns damit dazu befreit, dieses schwierige Leben miteinander zu leben.

In dieser Hinsicht ist das Evangelium dann kein Boomerang, sondern ein Zeigestock, der nicht auf sich selbst zurückweist, sondern auf Christus verweist, in dem all unsere Hoffnung, alle unsere Freude und all unserer Trost ist. Christus ist der, auf den wir zeigen sollen, damit wir andere frei sind. Bei ihm, der allein recht haben kann uns gegenüber und Recht hat mit dem Recht der Vergebung, der uns deshalb aus der Finsternis rufen kann, wenn sie uns überwältigt.

Lasst deshalb das Unwetter nur kommen und lasst uns nur fallen – wir fallen mit dem Herrn, der uns ruft als die Seinen und der uns wiederaufrichtet, auch wenn ein falscher Prophet daher fährt und Finsternis in der Welt verbreitet. Selbst da steht Christus und sagt: Du bist mein! Amen.

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Bischof Thomas Reinholdt Rasmussen

DK-Aalborg

E-Mail: trr(at)km.dk

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