Mir geschehe, wie du gesagt

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Mir geschehe, wie du gesagt

Mir geschehe, wie du gesagt hast | Predigt zu Lukas 1,26-38 (dänische Perikopenordnung)[1] | verfasst von Leise Christensen |

Heute sing en wir Weihnachtslieder. Wir singen von der Jungfrau Maria, dem Engel und dem kleinen Jesuskind. Das tun wir, weil es noch etwa neun Monate bis Weihnachten ist, und die Empfängnis Jesu heute ist. Hier ist die Kirche einmal dem Geschäftsleben voraus – denn die großen Warenhäuser verteilen wohl erst einmal in der nächsten Woche Weihnachtskataloge. So etwa jedenfalls. Die Empfängnis des kleinen Jesuskindes stellt den Übergang dar zwischen dem Alten und dem Neuen Testament in unserer Bibel. Nun habe ich gerade wieder einmal die ganze Bibel gelesen. Was mir diesmal auffiel, war dies, dass Gott wirklich im ganzen Alten Testament die Leute, also uns, dazu zu bring en versucht, das zu tun, was er eigentlich will, dass wir es tun sollen: Dass wir einigermaßen friedlich zusammenleben, uns der Witwen annehmen, der Waisen und der Fremden, wie dies immer wieder gesagt wird. Dass wir soziale Gerechtigkeit sichern und dass wir überhaupt unserem Nächsten nichts Böses antun und dafür sorgen, dass wir nicht Götzen anbeten, wie es da heißt. Und wenn wir glauben sollten, dass wir keine Götzen haben, bloß weil wir keine Götzenbilder und keine Hausgötter haben, dann irren wir uns. Heutige Götzen, das kann ungehemmter Gebrauch des Handys sein, unser Bankkonto, wo wir glauben, das Leben nach ökonomischen Modellen berechnen zu können, ja alles Mögliche, was stört und unser Leben mit Gott und mit einander langsam übernimmt.

Man sagt oft vom Christentum, dass es die Religion sei, wo man den Nächsten lieben soll wie sich selbst. Und das ist sicher auch wahr, aber das ist in Wirklichkeit ein Gebot, das aus dem Alten Testament stammt, wo man auch dieses Gebot kannte. Das Projekt Gottes mit dem Menschen ist nicht sehr erfolgreich, denn der Mensch hat, wie an einer Stelle geschrieben steht, so viele eigenartige Dinge vor, dass dann nicht richtig Platz ist, das zu tun, was man eigentlich tun sollte, einander zu lieben und für einander zu sorgen. Gott versucht vieles, um uns Menschen dazu zu bringen, das zu tun, wozu wir eigentlich bestimmt sind – er redet Klartext, der tröstet, er schickt Propheten, er straft, er tut alles Mögliche. Aber nein, es will offenbar nicht gelingen.

Mit dem Neuen Testament aber ändert sich etwas, denn es sieht so aus, dass Gott auf die Idee gekommen ist, dass er vielleicht seine Geschöpfe besser verstehen würde, wenn er selbst Mensch wird und unter den Bedingungen lebt, unter denen die Menschen nun einmal und zu allen Zeiten gelebt haben. Mit Freuden, mit Furcht, mit Glück und Unglück, mit Liebe und Gleichgültigkeit, mit lauter Scherereien und Problemen, mit Leid und Klage, mit Gaben, Weinen und Lachen. Also das ganze Programm. Davon hören wir im heutigen Evangelium. Hier wird der allmächtige Gott ganz klitzeklein im Mutterleib eines jungen Mädchens. Ja hätte er sich bloß dafür entschieden, von einer Königin hoch auf dem Schloss geboren zu werden oder von der Gattin eines reichen Mannes. Aber nein, er wird empfangen und geboren von einem jungen unverheirateten Mädchen – was wir in unserer sogenannten aufgeklärten Welt nur seit ganz wenigen Jahrzehnten als etwas akzeptierten, was in Ordnung ist und erfreulich – ja immer noch  ist es an vielen Orten in der Welt so, dass junge unverheiratete schwangere Mädchen Leib und Leben riskieren.

Was sehr groß und gewaltig war, wurde sehr klein und völlig ausgeliefert. Und Maria, was mit ihr? Als sie sich gefangen hatte nach der beginnenden Überraschung darüber, dass ausgerechnet sie schwanger sein und einen Sohn gebären sollte, der den Namen Jesus tragen und der Heiland der Welt sein würde, sagt sie: „Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast“. Hätte sie wohl das gesagt, wenn sie gewusst hätte, wie es ihrem geliebten Kind ergehen sollte? Dass er einen schrecklichen und qualvollen Tod als Verbrecher an einem Kreuz sterben würde? Hätte sie dasselbe gesagt? Ich jedenfalls meinerseits weiß, dass es Aufgaben in meinem Leben gibt, die ich unmittelbar nicht so einfach auf mich genommen hätte, wenn ich gewusst hätte, was das dann an Mühen kosten würde und was dann dabei herausgekommen wäre. Ich gestehe, da hätte ich mir das oft zweimal überlegt. Da sind Dinge, die man auf sich genommen hat, ohne zu wissen, dass man da so gesehen sowohl für seine Lieben aus auch sich selbst das Leben schwer machen würde. Aber das sind die Bedingungen. Man weiß nicht, was einen erwartet, wenn man sich auf den Weg macht. Auch wenn man glaubt, dass man alles unter Kontrolle hat. Man hat alles Für und Wider, alle Vor- und Nachteile erwogen. Auch wenn man sich eigentlich gerne zur Verfügung stellt – sagt man gerne. Die Wirklichkeit, zeigte sich, war eine ganz andere. Es wurde etwas ganz Anderes. Mir geschehe, wie du gesagt hast, sagt Maria. Würden wir das sagen? Vielleicht. Denn die Sache ist nicht so einfach.  Man kann nicht einfach nein danke sagen zu allem, weil man fürchtet, dass es dann Schwierigkeiten geben wird. Man kann nicht nein sagen zu allem, was schwer ist im Leben, zu allem Leid und allen Schwierigkeiten. Oder ja, das kann man vielleicht doch, aber nicht ohne einen hohen Preis zu zahlen. Denn dann sagt man nein zur Liebe, zum Vertrauen, zur Hoffnung, zu all dem, was das Leben liebens- und lebenswert macht. Die Trauer ist die treue, wenn auch zuweilen unerwünschte Begleiterin der Liebe.

Wie sah die Sache aus in Maria, als sie unter dem Kreuz stand und ihr Kind sah, wie es da hang in unsagbarem Schmerz, ohne dass sie helfen konnte? Wäre sie lieber rechtzeitig dem entgangen, als sie jung war und sagte: „Mir geschehe, wie du gesagt hast“? So würde man vielleicht als Außenstehender sagen, aber wenn man geliebt hat und den Geliebten verloren hat, dann weiß man ja sehr wohl, dass man keineswegs lieber auf die Liebe zum Ehepartner, zum Kind, dem Geliebten oder wem auch immer verzichtet hätte. Man würde nicht wünschen, dass einem alle diese Schwierigkeiten erspart geblieben wären. Auch wenn man dasteht und verzweifelt ist, so war es das alles wert.

Leid und Glück sind keine Gegensätze, das eine trägt das andere in sich wie die zwei Seiten einer Medaille. Der Heiland der Welt, den Maria unter ihrem Herzen trug, ist der, der und beisteht, wenn wir selbst nicht mehr weiterkönnen. Wenn der Weg zu steinig und zu hart wird, dann ist er es, der uns tragen wird. Wenn das Herz seufzt in Unglück und Leid und wo wir aufgegeben haben, dass uns etwas nach jemandes Wort geschieht, sondern wo wir wünschen, dass es lieber nach  unserem eigenen Wort geschieht, da ist der Gott nahe bei uns, der selbst von extremem Schmerz und Einsamkeit weiß. Weil er Mensch geworden ist unter anderen Menschen, die nicht das wollen, was Gott will, sondern meist am liebsten sich selbst wollen. In ein paar Wochen ist Ostern, und wir feiern die Auferstehung. Da wird es so sein, dass wir alle das Licht erblicken. Wir glauben daran, dass es so wein wird. Amen.

Pastorin Leise Christensen

DK 8200 Aarhus N

Email: lec(at)km.dk

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[1] In Dänemark wird dieser Sonntag als Mariae Verkündigung gefeiert

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