Predigt zu Lukas 16,19-31

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Predigt zu Lukas 16,19-31

Luft nach oben | 1. Sonntag nach Trinitatis, 6.6.21| Lukas 16,19-31 (dänische Perikopenordnung) | verfasst von Poul Joachim Stender |

Der frühere dänische Justizminister, Mitglied der liberalen Partei, hat einmal gesagt: „In Dänemark ist viel Luft nach oben“. Aber nach einer kleinen Pause fuhr er fort: „Aber was nutzt es, wenn keiner springen will“. Und irgendwie rührt er mit dieser Aussage an einen wunden Punkt in dänischer Mentalität. Ja es ist Luft nach oben in unserem Land. Aber die Sehnsucht z.B. nach Gott zu springen hat stark abgenommen. Wir haben Religionsfreiheit. Die Christen werden in Dänemark nicht verfolgt wie anderswo in der Welt. Wir können hüpfen wie wir wollen, Dänemark ist ein Eldorado für Springer. Auch für Nichtchristen. Aber unter Christen wird nicht besonders viel gesprungen. Die Anzahl der Taufen ist in Dänemark rückläufig. Das liegt nicht daran, dass sich die Eltern vom Christentum abwenden. Sie meinen nur, dass ihre Kinder selbst entscheiden sollen, wenn sie groß werden, ob sie sich taufen lassen oder nicht.

Über Gott kann man vieles sagen. U.a. dass er jemand ist, der springt und abspringt. Er sprang ab oder hernieder von den schwindelnden Tiefen des Himmels hinab zu uns Menschen in Jesus Christus. Er war es, der zu uns kam, und wir brauchen deshalb nicht nach ihm zu springen. Und doch. Man muss nach dem Göttlichen Springen, um zu sehen, dass er angekommen ist. Viele Menschen bilden sich ein, dass man in die Kirche geht, weil man glaubt. Aber das stimmt nicht. Die meisten gehen in die Kirche, weil sie gerne glauben wollen. Kirchgang kann ein Sprung hoch zum Glauben sein. So spring doch! In Dänemark ist Luft nach oben und die Möglichkeit besteht, nach dem Ewigen zu springen, nach großen Gedanken und Visionen, nach neuen Idealen und taten.

Gestern, am 5. Juni feierten wir das dänische Grundgesetz. Ein Fest für die Demokratie. Man denke nur, wir haben das Glück, in einem Land zu leben, wo wir eine Demokratie haben, die uns die Möglichkeit gibt in einem Land zu leben, wo Luft nach oben ist. So spring doch im Leben, spring im Glauben, spring in der Phantasie. Spring, spring, spring, bediene dich der Möglichkeit, dass wir in Dänemark eine grundgesetzlich gesicherte Demokratie haben, wo Luft nach oben ist.

Man könnte den Versuch machen, den Politikern die Erzählung dieses Sonntags von Lazarus und dem reichen Mann vorzuhalten. Sie handelt von einem reichen Mann, vor seiner Tür liegt ein armer Mann. Und dann stirbt der Arme, und dann stirbt er Reiche, und im Reich des Todes werden die Rollen vertauscht. Der Arme wird verwöhnt. Dem Reichen geht es schlecht. Was könnte das für dänische Politiker bedeuten?

Die Sozialisten würden sagen, dass wir von dem Gleichnis lernen sollen, die Welt zu verändern, so dass die ökonomischen Ungleichheiten geringer werden. Dagegen werden die Liberalen sagen, dass die Gefahrenzonen der ganzen Welt lernen müssen, selbst etwas zu ihrem Unterhalt beizutragen. Und keiner von beiden hat Unrecht. Die Welt muss verändert werden, so dass die wirtschaftlichen Ungleichheiten geringer werden, und die Armen der Welt  müssen selbst etwas zu ihrem Unterhalt beitragen, und es geht im Leben nicht nur um Wachstum und Produktion, aber bestimmt auch darum, dass man ein gutes Leben hat.

Aber keines von beidem ist der eigentliche Kern des Gleichnisses. Der ist etwas anderes. Vielleicht ist die Pointe in dem Satz des Textes zu finden, der so lautet: „Und in all dem besteht zwischen uns und euch eine große Kluft, dass niemand, der von hier zu euch hinüberwill, dorthin kommen kann und auch niemand von dort zu uns herüber“. Da ist vom Himmel die Rede, wo Lazarus ist, und der Hölle, wo sich der reiche Mann aufhält. Zwei Größen, die unfassbar nahe beieinander liegen. Ein gutes Leben kann in wenigen Sekunden durch Krankheit und Tod zu einer reinen Hölle werden, und ein Leben in der Hölle kann in einem Augenblick durch die Begegnung mit der Liebe himmlische Dimensionen erlangen. Aber hier kommt Jesus Christus, der Sohn Gottes und Herr des Christentums, ins Bild als Brückenbauer über die tiefe Kluft zwischen Hölle und Himmel.

Mit seinem Tod am Kreuz und seiner Auferstehung von den Toten schuf er eine Verbindung über die Kluft, von der der Text spricht. Wir, die wir die Armen der Welt nicht viel besser behandelt haben als der reiche Mann, können von dem Nichts und der Leere des Todes in das Reich Gottes überführt werden. Wir können schon hier im Leben, wenn das Dasein zur Hölle wird, mit Jesus in ein Leben mit Glauben, Hoffnung und Liebe eingehen. Wie es in Grundtvigs Lied O Christgläubigkeit heißt: „Du schlägst den schwankenden Steg über Schlünde und trägst die deinen trotz Eisgang am brandenden Strand vom Totenreich heim zu der Lebenden Land“. Und gerade der Gedanke, dass der Sohn Gottes eine Verbindung weg vom Tod zum Reich Gottes schafft, ist für uns Christen eine große Verpflichtung vor unserem Tod. Wir sollen unseren Mitmenschen aus der Hölle heraushelfen, ihrem Todesreich, in dem wir enden können. Wir sind für einander der Weg aus der der Hölle. Lazarus lag vor der Tür am Hause des reichen Mannes. Sein Leben war eine Hölle von Armut. Der reiche Mann hätte ihn in ein irdisches Paradies führen können, indem er ihm Hilfe, Stütze und Barmherzigkeit gewährte. Aber das tat er nicht.

Das Gleichnis lässt und die Frage stellen: Wer soll unseren Nächsten aus seinem Elend erlösen? Die Antwort ist: Das sollen wir! Und die nächste Frage: Wer soll uns selbst aus der Hölle erlösen, in der wir landen können?  Die Antwort ist: das soll unser Nächster. Wenn wir diese gegenseitige Verpflichtung wahrnehmen, springen wir als Christen hoch in seinem Land, wo Luft nach oben ist. So springt doch! Gott befohlen. Amen.

Pastor Poul Joachim Stender
DK 4060 Kirke Såby
pjs(at)km.dk

 

 

 

 

 

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