Reich der Schönheit

Home / Bibel / Neues Testament / 02) Markus / Mark / Reich der Schönheit
Reich der Schönheit

7. Februar 2021 | Markus 4,1-20 (dänische Perikopenordnung) | von Tine Illum |

”Die Schönheit wird die Welt verändern“, sagt man im östlichen Teil der Kirche. Schönheit nicht im kleinlichen Sinne. Nicht als Schmuck oder Oberfläche. Nicht glatte Haut oder geschmackvolle Wohnungen. Nicht einmal die schönste Musik oder der schönste Sonnenaufgang.

Die Schönheit verstanden als Leben und Wahrheit, die in uns leuchten. Die verändert. Die verwandelt. So dass sich die Art und Weise verändert, in der wir die Welt sehen. So dass wir in einer neuen Weise in der Welt sind. So dass sich die Welt verändert. In Schimmer, als eine Ahnung. Aber dafür ausreichend, dass wir wissen, dass es die Schönheit, die verändernde Schönheit gibt. Ich kann mich erinnern, dass ich als Kind in der zweiten Klasse Lieder sang von den Blumen des kommenden Frühlings. Nicht dass ich geahnt hätte, worum es in den Liedern ging … aber das Wort vom Reich der Schönheit … und dann ausgerechnet in einem richtig tristen graugemalten Klassenzimmer. Es fiel schwer, sich irgendein Reich der Schönheit dort vorzustellen. Und dann war es eben gerade doch überhaupt nicht schwer.  Denn das Wort war ja da. Es existierte. Und stand da und leuchtete im Klassenzimmer in der Zentralschule von Nørre Løgum – und die Welt war nicht mehr dieselbe.

Wir brauchen das. Wir sehnen uns danach. Dass sich die Welt verändert. Nie haben wir uns so sehr danach gesehnt wie in diesem Jahr. Es ist Winter. Es ist grau. Wir haben nun fast ein Jahr in einer Pandemie gelebt. Die Winterlieder, die Melodien und die Lieder vom Winter berühren uns wie nie zuvor.

Die Müdigkeit kann besonders für einige unerträglich schwer sein, und die Worte der Lieder vom schwachen Sinn, von der Verletzlichkeit sind nahezu körperlich spürbar.

Das gibt es in uns und um uns herum, das was so schön besungen wird in den Liedern vom Winterschlaf. Das ist nicht nur die Natur, die schläft, wir spüren wohl auch, dass das auch für unsere Lebenskraft gilt und unseren Lebensmut, ja für unseren Geist.

In den Liedern bebt die Sehnsucht, und die Hoffnung wird herbeigesungen, und wir halten Ausschau nach Frühling und Leben – in uns und um uns herum als Vorboten des Vorsommers, dem Frühling vergangener Zeiten, der unter dem schweren Grau liegt, als Verheißung und als eine Hoffnung  … und der nur darauf wartet, durch das Gelb der Winterlinge aus der Erde in unser leben einzubrechen.

Die Zeit wird lang, und das zerrt an uns. Die Mutlosigkeit liegt nahe. Bei einigen mehr als bei anderen. Wir unterscheiden uns, was das Gemüt und unser Leben betrifft.

Wir sehnen uns danach zu singen, Besuch zu bekommen nach allgrünen und neugrünen Frühlingszeichen. Nachdem sich unser geöffnet hat und empfänglich ist für Worte wir Glaube, Hoffnung und Reich der Schönheit.

Als Ihr heute in die Kirche gekommen seid, habt Ihr ein kleines Weizenkorn bekommen. Nur eines. Es enthält ein Reich der Schönheit. Das können wir nicht sehen. So ein kleines graues Korn … aber so ist es … Bald werden Körner wie das, was du in der Hand hast, in die Erde gesät. Und sie wachsen und werden zu Ähren, das schönste Feld mit wogendem Korn.

Gib Zeit, gib Zeit!

Gut, dass wir in die Kirche kommen können, um das zu hören. Ihr habt etwas, worauf ihr hoffen könnt, auf ihn, der uns über alle Maße beschenkt. Im Weizenkorn, das uns den Sommer ankündigt und goldene Felder, Ernten und etwas zu essen. Leben. Das Weizenkorn ist wie ein Hoffnungszeichen. Eine fast unsichtbare kleine Schale mit einem Reich der Schönheit darin. Das uns entgegenleuchtet und unser mutloses Warten in frohe Erwartung verwandelt.

Dann wird die Wartezeit erhellt und das Grau bekommt Farbe. Eine „lebendige Hoffnung“ hieß es, als wir getauft wurden. Schöner kann das nicht gesagt werden. Und auch nicht wahrer.

Dann strömt das Leben wieder. Vielleicht merkst du das ganz schwach, gerade so viel, dass du noch etwas mehr durchhältst. Und mehr brauchst du nicht. Das ist die Verheißung. Gib Zeit. Bald geschieht es. Jeder Zweig bekommt Blätter, das Leben blüht und wird bunt. Das Weizenkorn keimt. Müdigkeit und der Winterschlaf des Geistes werden sich in einen herrlichen Sommer verwandeln.

Hört her, sagt Jesus. „Es ist wichtig, dass ihr hört, was ich sage“.

Hier nämlich hören wir vom Reich Gottes. Vom Gottesreich der Schönheit. Das unsichtbar ist und oft verborgen hinter seinem Gegensatz.

Du kannst nichts hören, was tiefer und wichtiger ist in deinem Leben.

Nur spricht Jesus so ganz anders davon als wir es gewohnt sind.

Er sagt nicht: Du sollst schön sein. Du sollst jung aussehen. Verberge deine Narben und deine Falten und all das an dir selbst, was dich einem wirklichen Menschen gleichen lässt mit dem Leben, das nun einmal deins ist. Er sagt nicht: Das Reich Gottes ist das Perfekte, was du nur erlangen kannst, wenn du wirklich dein Leben unter Kontrolle hast und dir größte Mühe gibst.

Nein – das Reich Gottes ist ein Rätsel und liegt im Rätsel verborgen: in einem kleinen Korn. Gott gleicht einem Bauern, der sät – einer Frau, die Teig knetet – oder einer anderen Frau, die weder ihr Geld noch ihr Haus unter Kontrolle hat und deshalb nicht die Münze finden kann, die weggerollt ist. Jedenfalls nicht ehe sie saubergemacht hat. Er sagt, dass Gottes Reich der Schönheit in dem verborgen ist, was du nicht bemerkst und von dem du vielleicht nicht viel hältst: einem grauen kleinen Korn.

In der Bibel finden sich  so viele verschiedene Bilder von Gott und dem Reich Gottes – und Jesus erzählt so viele Gleichnisse, dass wir einsehen müssen, dass all das, was mit Gott und dem Glauben zu tun hat, nicht eine perfekte und stichfeste Theorie ist, sondern eine lebendige Erzählung, in die wir immer einbezogen werden, wenn wir sie hören. Eine Erzählung von einem Reich der Schönheit, die das Leben will. Die stets darauf wartet, Lüge und Härte und Kälte an ihrer Entfaltung zu hindern.

Heute handelt das Bild, das wir vor uns haben, von dem Bauern, der sät,. Es ist ein merkwürdiger Bauer. Wenn ich sehen würde, wie ein Bauer hier über das ganze Dorf sät einschließlich der Bürgersteige, würde ich ja glauben, dass mit dem Mann etwas nicht stimmt. Und wenn er dabei auch noch vergnügt aussieht, dann wäre ich sicher, dass er verrückt ist. Von eben einem solchen Bauern hören wir hier. Er ist großzügig und sorglos – und er ist ein Bild für Gott.

Gib Zeit! Denkt er. Das Reich der Schönheit kommt. Und sät weiter.

Wenn du in Mutlosigkeit verfällst und der Meinung bist, dass es sehr schwierig ist an der Hoffnung und am glauben festzuhalten, dann sollst du wissen, dass in die ein kleines Korn ist, das wird sicher fruchtbaren Boden finden. Gib Zeit … Und lerne von dem Bauern, großzügig zu sein. Von ihm wissen wir ja – was sie nicht wussten, als die Geschichte zum ersten Mal erzählt wurde, dass er am Karfreitag sein Leben hingab, damit das Leben Gottes und sein Reich der Schönheit uns zuteilwerde. Dass er ein Korn wurde, das in die Erde gelegt wurde und zu einem leben im Überfluss auferstand.

Das ist das Wichtigste, was du hören kannst. Das ist das Wichtigste, was du weitergeben kannst – immer und nicht zuletzt in dieser Zeit. Weitergeben mit Worten, die die Welt heller machen – und mit Taten, die Hoffnung nähren. Sei großzügig. Etwas wird schon aufgehen. Und das genügt.

Denn wenn die Welt Gott gehört, dann geschieht etwas. Viele von uns haben es erlebt, an einem Sarg zu stehen und die Worte zu hören: Aus der Erde bist du gekommen – zu Erde wirst du werden – aus der Erde wirst du wieder auferstehen. Eine Lebenskraft stärker als der Tod.

Die kommt nicht von selber – sie kommt gar nicht von uns. Sie kommt von Gott. In der Erzählung von Jesus, der stirbt und aufersteht, damit wir Leben und das Reich der Schönheit im Überfluss haben.

Es wird Frühling und Ernte. Das weiß der geduldige Bauer. Und dann wird da ein Feld stehen mit wogenden Kornähren, die sich – ganz eggen die Erwartungen – gegen Dornen und Disteln und unfruchtbare Erde durchgesetzt haben. Nehmt das kleine Weizenkorn mit nach Hause und legt es an euer Bett oder auf den Schreibtisch oder wo ihr euch nun aufhaltet. Und lasst es das erzählen, was ihr hören müsst:

Gib Zeit … Hoffnung … und sei hoffnungsvoll – denn da ist alles zu hoffen … ein Reich der Schönheit ist auf dem Weg. Amen.

Pastorin Tine Illum

DK-6091 Bjert

Email: ti(at)km.dk

de_DEDeutsch