Matthäus 2,1-12

Matthäus 2,1-12

1. Sonntag nach dem Christfest | Matthäus 2,1-12 (dänische Perikopenordnung)[1] | Thomas Reinholdt Rasmussen |

Einer der größten moralischen Mahner in Dänemark ist der Psychologe und Soziologe Svend Brinkmann. Seinen ersten großen Erfolg hatte er mit dem Buch: „Steht fest“. Das war eine moralische Kritik an der Tendenz unserer Zeit, dass alles in Bewegung sein soll. Alles soll sich bewegen, und wir sollen uns immer verändern.

Das Buch war eine notwendige Auseinandersetzung mit einer atemlosen Welt. Denn, wie das ein anderer vor ein paar Wochen formuliert hat, ein Direktor einer größeren Bank: Wenn alles in einer Firma in den nächsten drei Monaten geändert werden muss, dann hat man ein Problem. Dann hat man keinen Kern. Dann hat man, in dieser Sprache gesprochen, kein Produkt.

Und das ist ja richtig: Wenn alles in Bewegung ist, dann verschwindet immer alles. Wir müssen feststehen, hier ist die Bemerkung von Brinkmann angebracht.

Aber wir Martin Luther einmal gesagt hat, die Welt ist wie ein betrunkener Bauer. Wenn man ihm von der einen Seite aufs Pferd hilft, fällt er auf der anderen Seite herunter.

Es ist als seinen wir wie betrunkene Bauern, die immer von der einen Seite des Pferdes zu anderen herunterfallen. Denn wenn wir erst damit aufgehört haben, in ständiger Veränderung zu leben, sitzen wir hilflos fest. Von einem Extrem ins andere.

Ein kluger Mann hat einmal gesagt, dass Ketzerei eine Wahrheit ist, die man übertrieben hat. So kann die Ideologie des „Steht fest!“ über das Ziel hinausschießen, und auch mit der Ideologie des Veränderns kann man es zu weit treiben. „Steht fest!“ kann auch zu Stillstand und Tod werden. So wie es in einem beliebten Lied des Liederbuchs der dänischen Heimvolkshochschulen heißt:

Kampf gehört zum Leben,

nicht Kampf für‘s tägliche Brot,

nein Kampf für Freiheit im Leben und Tod –

denn ewiger Stillstand ist Tod.

„Steht fest!“, das kann ewigen Stillstand bedeuten. Konstante Bewegung aber auch. Es muss einen dritten Weg geben.

Denn es war ja eigentlich gut, dass die Heiligen drei Könige nicht stehen blieben. Sie wurden durch das Wort in Bewegung gesetzt. In Bewegung gebracht von dem Stern, den das Wort an den Himmel stellte, um zu leuchten. Sie wurden in Bewegung gesetzt, um zum Wort zu kommen. Bewegung war für sie nicht das Ziel, es war Mittel zur Erreichung des Ziels.

Und das Problem unserer Tage ist wohl, dass wir das Mittel zum Ziel machen, dass die Bewegung zum Ziel an sich wird. Dass wir verändern, nur um zu verändern. Das wäre ja wirklich geistlos.

Die Heiligen drei Königen wurden in Bewegung gesetzt. Sie bewegten sich zum Kind in der Krippe. Ihr Leben wurde von ihm in Bewegung gesetzt, der still in der Krippe lag, und von dem Stern, der stillstand über der Stelle, was das Kind lag, wie geschrieben steht. Und es war ja gut, dass etwas stillstand in all der Bewegung. Und die Heiligen drei Könige wussten, dass ihre Bewegung nicht das Ziel war, sondern nur das Mittel zur Erreichung des Ziels. Das was das Entscheidende.

Vielleicht ist es das Problem unserer Zeit, dass wir Mittel und Ziel verwechseln. Dass wir Veränderung zum Entscheidenden machen, weil wir kein Ziel haben, nach dem wir streben. Deshalb ist das Anliegen Brinkmanns auch so merkwürdig leer, wenn es zum einzigen Ziel wird, dass man feststeht. Da hat ja das Lied aus dem Heimvolkshochschulgesangbuch Recht. Bewegung und Veränderung sind notwendig, um ein Ziel zu erreichen. Aber das Ziel darf nicht durch die Reise in den Schatten gestellt werden, denn das würde vor allem bedeuten, dass man von sich selbst eingenommen ist.

Aber das war ja nicht das, was die Könige taten. Sie vergaßen die Reise, als sie am Ziel niederknieten. Und das Ziel schickte sie zurück in die Welt „auf einem anderen Weg“, wie es auch in der Schrift heißt.  So war die Bewegung nicht Ziel an sich. Das Ziel war etwas anderes als die Bewegung. Es war da, wo der Stern stehen blieb. Oder feststand, ist man versucht zu sagen. Das war das Ziel, und die Veränderung der Könige war nicht die Bewegung, sondern sie lag im Stillstand. Es war das Kind, in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegend, das alles veränderte.

Wir sollen uns vorsehen, dass wir nicht von einem Extrem ins andere fallen oder sind wie der betrunkene Bauer, der auf das Pferd gehievt wird und auf der anderen Seite wieder herunterfällt. Sich bewegen und doch feststehen, beides ist wichtig, und beides ist in der Tat möglich, wie die Erzählung von den heiligen drei Königen uns zeigt.  Denn der, der einen festen Halt hat, hat auch den Mut, sich zu bewegen. Das sind die Worte des Evangeliums von heute. Sich in die Welt und zu einander bewegen. Vom Kind in der Krippe her.

Das ist ein merkwürdiger Horizont, dass sich alles ändern soll und verändert werden soll, nur weil das möglich ist. Da muss etwas sein, was Veränderung erforderlich macht, und dieses „Etwas“ war für die Könige das Kind in der Krippe. Lass auch das Kind in der Krippe die Veränderung sein, die uns in Aussicht gestellt wird: Dass wir uns von ihm bewegen und in die Welt schicken lassen mit der Botschaft von Weihnachten, dass da Trost ist für die Trostlosen, Friede für die Friedlosen, Vergebung für das Unvergebbare, ja Evangelium für die Welt. Amen.

Bischof Thomas Reinholdt Rasmussen

DK-Aalborg

E-Mail: trr(at)km.dk

[1] In Dänemark ist dies der Sonntag der Heiligen drei Könige.

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