1 Könige 8,22-24. 26-28

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Salomo schaut nach oben | Christi Himmelfahrt | 29. 05. 2025 |1 Könige 8,22-24. 26-28 | Katharina Wiefel-Jenner |

In Jerusalem gibt es keinen Tempel mehr. Mächtige Kriegsherren sind gekommen und haben getan, was mächtige Kriegsherren von Anbeginn der Welt an immer wieder tun. In Jerusalem gibt es keinen Tempel mehr. Einst ragten seine Trümmer in den Himmel. Zwischen den Steinen sammelte sich der Staub. Die Stadt lag wüst, es war nicht mehr erkennbar, wo die Straßen verliefen; Häuser standen wie hohle Zähne im Nirgendwo, Kinder suchten vergeblich nach Essbarem.

Wo wohnt Gott jetzt? Hat sich Gott in den Himmel zurückgezogen? War das mit der Treue und Barmherzigkeit nicht ernst gemeint? Wozu waren die Opfer nötig? Die Menschen sind einen sinnlosen Tod gestorben und die Klagen und das Weinen sind gar nicht bis an Gottes Ohr gedrungen.

Jerusalem ist weit, weit weg. Und womöglich ist es Gott genauso. Fern im Himmel, unerreichbar, nicht mehr zuständig. Wie soll man da noch beten? Wo soll man jetzt noch Trost und Hoffnung suchen?

Predigttext: 1 Könige 8

22 Und Salomo trat vor den Altar des HERRN angesichts der ganzen Gemeinde Israel und breitete seine Hände aus gen Himmel 23 und sprach: HERR, Gott Israels, es ist kein Gott weder droben im Himmel noch unten auf Erden dir gleich, der du hältst den Bund und die Barmherzigkeit deinen Knechten, die vor dir wandeln von ganzem Herzen; 24 der du gehalten hast deinem Knecht, meinem Vater David, was du ihm zugesagt hast. Mit deinem Mund hast du es geredet, und mit deiner Hand hast du es erfüllt, wie es offenbar ist an diesem Tage.

26 Nun, Gott Israels, lass dein Wort wahr werden, das du deinem Knecht, meinem Vater David, zugesagt hast. 27 Denn sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen – wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe? 28 Wende dich aber zum Gebet deines Knechts und zu seinem Flehen, HERR, mein Gott, auf dass du hörst das Flehen und Gebet deines Knechts heute vor dir.

Was waren das für Zeiten, als der Tempel noch neu war. Das war eine Vergangenheit! Zu schön, um wahr zu sein. Wie hatte Salomo damals gebetet, als er endlich den Tempel errichtet hatte, den sein Vater David schon gerne gebaut hätte! Beten konnte der weise Salomo, der sich ein hörendes Herz gewünscht hat und dem Gott offenbar manches verzieh, was bei anderen geahndet wurde. Man denke nur an seinen Harem. Salomo, der mit dem hörenden Herz, der hatte die richtigen Worte zum Beten. Salomo wusste, wo Gott ist und wo nicht. Er wusste, dass sich Gott nicht in den Tempel einsperren lässt und nur bei Bedarf die Tür öffnet. Sollte Gott für sich einen Tempel brauchen, dann wird die ganze Welt zu seinem Heiligtum – ohne Ausnahme, ohne blinde Flecken oder Orte, die niemand zu betreten wagt. Salomo weiß, dass Gott größer ist und deswegen hält er Gott das ganze Elend der Welt hin – ohne Ausnahme, ohne blinde Flecken oder Orte, die niemand zu betreten wagt. Nichts verschwieg Salomo vor Gott. Er zögerte nicht, Gott daran zu erinnern, wo die zugesagte Bundestreue und Barmherzigkeit gebraucht werden. Gott soll sich eilen. Mit seinem hörenden Herzen hatte Salomo alles im Blick und schonte weder sich noch Gott. Krieg, Dürre, Hunger, Pest, Belagerung, Exil und Gefangenschaft, Flüchtlinge, die eigene bittere Verzweiflung und die Verführbarkeit durch die dunkle Seite der Macht – Salomo hielt Gott alles hin.

Ja, Salomo konnte beten. Und wenn man genau auf seine Worte achtet, hört man, wie sich Salomo fragt, ob er den Tempel nicht vielmehr für sich selbst errichtet hatte. Salomo ahnte, dass er den Tempel nötiger hat als Gott. Salomo brauchte ein Haus zum Beten, sein hörendes Herz brauchte den Ort, an dem es auf den Atem Gottes hört. Mitten im Lärm der Welt kann das Herz nicht innehalten und lauschen. Erst in Gottes Haus konnte es aufatmen und hören, lauschen, atmen, singen, sich an Gott hängen, neu werden. Der Himmel über der Erde und das ganze Universum können Gott nicht fassen, aber das hörende Herz findet den Ort, an dem es sich nach Gott ausstrecken kann.

Ach Salomo, weiser König, der die Liebe besungen hat und in der Welt bewundert wurde. Sein Tempel, den er für Gott und sein hörendes Herz gebaut hat, steht nicht mehr. Es gibt nicht einmal mehr den Tempel, der aus den Ruinen auferstand, von dem Hesekiel geträumt hat, in dem Jesus diskutiert und auch einmal aufgeräumt hat.

Wir müssen ohne diesen Tempel beten. Wir können ohne diesen Tempel beten. Israel hat unter Tränen gelernt, dass ein Abschied von seinem Tempel aus Holz und Stein kein Abschied von Gott ist. Die Jünger haben das gelernt, als sie mit dem Evangelium in alle Welt aufgebrochen sind. Sie haben wie einst Jakob auf der Flucht Schutzräume und Kraftorte gefunden und dort Jesus Christus gefeiert. Unsere Mütter und Väter haben die Tempel ihrer Kindheit zurückgelassen und  an sicherer Stelle neue gebaut. Und unsere Generation fragt, was aus unseren Orten werden soll, an denen wir Gott begegnet sind, den Frieden Christi das erste Mal gespürt haben und wo wir die Lieder des Glaubens miteinander gesungen haben. Weil nicht einmal der Himmel Gott fassen kann, ist jeder Tempel nur ein Ort auf Zeit, an dem das hörende Herz seinen Atem auf Gott ausrichten kann. Gott bleibt selbst in unseren Abschieden von gemauerten Häusern gegenwärtig, denn Gott ist größer als unser Herz ist und schöner als alle Räume, die wir schaffen können.

Ach, wenn das so einfach zu ergreifen wäre.

Salomo musste den Abschied vom Tempel nicht erleben und hat bereits geahnt, dass sich das Vertrauen auf Gottes Treue und Barmherzigkeit nicht an Zedernholz und Marmor binden darf. Es ist leichter Salomos Liebeslieder zu singen, als die Liebe zu den Orten loszulassen, an denen einmal Gottes Heiligkeit zu uns gesprochen hat. Auch die Jünger brauchten dabei Hilfe. Ihr Tempel war Jesus; hatte er doch von sich als Tempel gesprochen, der niedergerissen und in drei Tagen neu aufgebaut werden wird. Der Auferstandene war ihr Tempel und doch mussten sie ihn hergeben.

Auch für das hörende Herz ist es schwer, Gottes Größe, ohne einen festen und geschmückten Ort zu loben, an dem es sich auf Gott ausrichten kann. Die Jünger haben es vermocht, weil der Auferstandene sie zum Abschied von ihrem Tempel gesegnet hat. Der Auferstandene war bei ihnen und würde es immer bleiben. Sie mussten ihn nicht festhalten. Sie brauchten sich nicht an ihn zu klammern. Als ihre Augen ihn nicht mehr fassen konnten, spürten sie ihn auf neue Weise.

Sie haben die heilige Geisteskraft erfahren. Nur mit der war es ihnen möglich, wie einst Salomo für den Auferstandenen Kirchen zu errichten und doch zu wissen, dass kein Himmel ihn fassen kann.

Die Jünger damals in Betanien sind uns schon vor langer Zeit vorausgegangen. Jerusalem ist weit weg, und unter Trümmern suchen Kinder wieder vergeblich nach Essbarem.

Die Menschen sterben einen sinnlosen Tod. Die Klagen und das Weinen hallen durch die Welt. Das hörende Herz schaut nach oben, sucht den Himmel ab und weiß, dass der Himmel und aller Himmel Gott nicht fassen können. Aber es glaubt, dass sich der Auferstandene nicht hinter den Wolken verbirgt. Das hörende Herz erinnert sich daran, gerade dann, wenn Kinder in Trümmern nach Essbaren suchen und wenn die Lieder der verboten werden, an das Versprechen des Auferstandenen. Das hörende Herz findet seinen Ort, an dem es zu Atem kommt, die Welt ohne Ausnahme und blinde Flecken dem Auferstandenen hinhält.

Und dann hält es sich auch selbst dem Auferstandenen hin. Das hörende Herz stellt sich dem Frieden des Auferstandenen zur Verfügung und bricht auf.

Amen.

Dr. Katharina Wiefel-Jenner

Berlin

wiefel_jenner@hotmail.com

Katharina Wiefel-Jenner, geb.1958, Pfarrerin i.R., bildet als Dozentin für Liturgik und Homiletik Ehrenamtliche für den Verkündigungsdienst aus.