
1. Korinther 10,17–23
Gottes Liebe geht durch den Magen | Gründonnerstag | 17.04.2025 | 1. Kor 10,17–23 | Dr. Friedrich Schmidt-Roscher |
Liebe Schwestern und Brüder,
„Essen und Trinken halten Leib und Seele zusammen“. Das erleben wir nicht nur bei Geburtstagsfeiern und anderen Festen, das erleben wir auch beim täglichen Essen in der Familie, mit Kolleginnen oder Freunden. Wie das Essen uns bewegt und verändert, das merken wir an so Sätzen wie „Liebe geht durch den Magen.“ Oder „Das liegt mir schwer im Magen.“
In der Hafenstadt Korinth freilich feiern die Christen das Abendmahl so, dass es dem Apostel Paulus sauer aufstößt. Denn das Abendmahl war nicht nur wie bei uns eine liturgische Feier, es war eingebettet in eine richtige Mahlzeit, eine Agape. Die ersten Christen trafen sich in den Häusern von Privatleuten. Sie waren froh, wenn es in ihrer Gemeinschaft Wohlhabende gab. Denn nur in diesen großen Häusern war Platz für alle, vielleicht 50-70 Männer und Frauen, Arme und Reiche.
Doch die Gemeinschaft der Körper hatte Grenzen. Denn dort wo die Wohlhabenden zu Tisch lagen, da war nur Platz für 9 oder 12 Personen. Da war man unter sich. Körper lagen neben Körper, aber nur neben Seinesgleichen. Die anderen menschlichen Körper, die dort noch gebückt herumliefen, die waren zum Bedienen da.
Die übrigen Christen aber trafen sich im Atrium. Da war mehr Platz und das war auch für die Klienten der wohlhabenden vorgesehen. So kam es, dass die Wohlhabenden Christen schon einmal miteinander im Triklinium aßen und die Hafenarbeiter oder Seilmacherinnen oder Schankfrauen, die später dazu kamen nicht mehr viel zu essen bekamen, während andere schon halb betrunken waren. So erlebten alle im Essen vorher die Unterschiede am eigenen Leib, während in der Feier des Herrenmahls die Gemeinschaft und die Verbundenheit mit dem Herrn gefeiert werden sollte. Ein krasser Widerspruch, den Paulus so kritisiert:
Lesung 10, 17-23
Da sich Jesus für alle dahingegeben hat und so mit allen eine neue Gemeinschaft begründet, soll sich auch in der Gemeinde widerspiegeln. Deshalb kritisiert Paulus mit scharfen Worten, dass die Reichen ihre guten Speisen futtern und den Wein saufen, währen einige Arbeiter und Sklavinnen hungrig auf dem Brot herumkauen. Was Jesus mit seinem Körper, mit seinem Dienst getan hat, dass muss auch an unseren Körpern, in der Gemeinschaft miteinander erfahrbar und sichtbar werden.
Vielleicht sind heute die sozialen Gegensätze in unserer Gemeinde nicht mehr so sichtbar. Aber wir können es manchmal auch sehen, wer arm oder reich ist. Doch bei der Feier des Abendmahls soll das keine Rolle spielen. Auch nicht der Unterschied von Männern und Frauen oder von Einheimischen und Zugezogenen, Alten und Jungen. Der Kreis, den wir bilden, symbolisiert dies. Wir stehen nebeneinander, trotz aller sozialen Unterschiede. Jeder und jede ist willkommen und Teil der Gemeinschaft.
Leider feiern wir das Abendmahl inzwischen nur noch als eine liturgische Feier, nicht mehr als ein gemeinsames Essen. Das ist schade, weil gerade auch das Miteinander-Essen, das Teilen der Lebensmittel zu einer größeren Gemeinschaft führen kann. Wir können so darauf achten, dass wir uns nicht nur mit Unseresgleichen umgeben, sondern bewusst auch die Verbindung und das Gespräch mit anderen Christen suchen. Zum Frieden in einem Dorf ist diese Gemeinschaft über soziale Unterschiede hinweg ganz wesentlich.
Das Abendmahl verstärkt die Gemeinschaft untereinander. Denn schon im Abendmahl wird daran erinnert, dass unter Menschen nicht alles gut ist oder glückt. Da wird davon gesprochen, dass Jesus ausgeliefert oder verraten wurde. In seinem Freundeskreis gab es einen, der ihn an seine Feinde auslieferte. Solche enttäuschenden und bitteren Erfahrungen gibt es immer wieder zwischen Menschen. Verleugnung, Verrat oder Lüge. Deshalb brauchen wir das Abendmahl, damit wir unser Versagen bekennen können und die Gemeinschaft erneuert wird durch die Vergebung.
Doch das Abendmahl stärkt nicht nur die Gemeinschaft zwischen verschiedenen Menschen, es stärkt auch meine Verbindung zu Gott. Denn auch diese Verbindung leidet manchmal. Durch Vergesslichkeit, durch falsche Erwartungen, durch Gleichgültigkeit. Die Worte Jesu von dem Brot und von dem Kelch, die helfen, dass meine Verbindung zu Gott gestärkt wird, unsere Gemeinschaft mit Jesus wieder lebendig wird.
Ich bedaure es ein wenig, dass viele Christen diese Kraft des gemeinsamen Essens und Trinkens beim Abendmahl aus den Augen verloren haben. Das Abendmahl ist auch eine Medizin. Ein Heilmittel gegen die Einsamkeit und Verlorenheit. Ein Heilmittel gegen die Zweifel oder Angst.
Das Brot, das wir essen erinnert an den Leib Jesu, der am Kreuz gebrochen wurde. Er hat das für uns getan, damit wir versöhnt werden und die Vergebung gegenüber Gott erfahren. Wenn ich also das Brot esse, so verbinde ich mich mit dem Leib Jesu, ich werde ein Teil von ihm oder besser, er wird ein Teil von mir. Natürlich bleibt das Brot Brot. Doch der liebe Jesus geht durch meinen Magen und verwandelt mich.
„Dieser Becher ist der neue Bund in meinem Blut.“ Der Segen über dem Brot und über dem Weinbecher gehört zum jüdischen Passamahl, das Jesus an dem Tag vor seiner Hinrichtung mit seinen Freunden gefeiert hat. Mit dem Segensbecher schenkt Jesus einen neuen Bund. Er schafft eine neue Verbindung zwischen Gott und seinem Volk.
Normalerweise gehören zwei Bundespartner dazu – sowie bei einem Ehe- oder Freundschaftsbund. Doch der Bund, den Jesus an Gründonnerstag neu stiftet ist einseitig, weil er von Gott ausgeht. Gott schafft unseren Bund mit ihm. Aus Liebe und Gnade, erwählt er uns zu seinem Volk. Trotz unserer Schwächen.
Das erwähnte Blut dient der Besiegelung des Bundes und erinnert an die Kreuzigung Jesu. Mit seinem Leben tritt Gott für die Versöhnung ein.
Auch wenn Jesus uns diese neue Verbindung mit Gott schenkt, so dürfen und können wir uns doch als Gottes Bundespartner einbringen. Wir leben wie ein Bundespartner, wenn wir mit Gott in Verbindung bleiben und dankbar leben. Wenn ich auch in anderen Menschen eine Schwester und einen Bruder sehen und in Frieden mit ihnen leben.
Dazu zählt auch, dass ich nicht nur mit Meinesgleichen mich umgebe, sondern auch mit Menschen, die eine andere Herkunft habe. Modern gesprochen, dass ich nicht in meiner Blase bleibe, sondern sehr bewusst, mit anderen treffe, esse und trinke. Die Erfahrung bei einem Essen mit unbekannten Menschen in ein gutes Gespräch zu kommen, gehört zu den schönsten Erlebnissen. Es ist ein Vorgeschmack auf eine Gemeinschaft der Menschheit.
Das Abendmahl ist immer schon auch ein Vorgeschmack auf das große Mahl im Himmel, wenn alles Leid und alle Krankheit überwunden ist, aller Krieg und aller Streit. Wenn wir miteinander im Namen Jesu das Mahl feiern, so dürfen wir in Brot und Wein schon ein wenig den Himmel schmecken. Mein Leib und meine Seele sind verbunden mit vielen anderen Leibern und Seelen und ich bin Teil des Körpers Jesu. Das können wir heute schmecken und fühlen. Gottes Liebe geht durch den Magen und hält Leib und Seele beisammen. Wohl bekomms! Amen.
Jahrgang 1962, Gemeindepfarrer in der Evangelischen Kirche der Pfalz, seit 2007 Gemeindepfarrer in der Prot. Kirchengemeinde Haßloch.
E-Mail: fr.schmidt-roscher@gmx.de
Impulse für diese Predigt von Moisés Mayordomo, Bedenkt den Körper!, in GPM 79, 217-222