1 Korinther 11,17-34

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Das Leben geteilt – wider die Trennung | Gründonnerstag | 17.04.2025 | 1 Kor 11,17-34 | Kira Busch-Wagner |

Liebe Gemeinde,

wir sind zusammengekommen, uns an den letzten Abend im Leben Jesu zu erinnern. Zu denken an sein letztes Mahl. Möglicherweise das Festmahl zu Beginn von Pessach, zu Beginn des Passafestes. Für Jesus ein letztes Essen, ein letztes Zusammensein am Abend vor seinem Todestag. In vielerlei Weisen sprechen davon die biblischen Texte. Da gibt es die Evangelisten, die den Abend beschreiben als Pessach-, als Passafest, mit dem Jesus – wie alle jüdische Menschen bis heute – der Befreiung aus Ägypten gedenkt. Johannes erzählt von diesem Abend mit der Erinnerung, dass Jesus seinen Schülern die Füße wusch. In dieser Tradition, Zeichen der Demut und des Dienstes zu setzen, hatte im vergangenen Jahr der Papst das Frauengefängnis aufgesucht, um dort den Insassinnen die Füße zu waschen.

Wenn wir heute wortwörtlich „Abendmahl“ feiern, so spüren wir dem nach, wie sich im letzten Mahl Jesu sein Leben noch einmal in besonderer Weise spiegelt. Dass er das Brot bricht, wie sein Leben am Ende zerbricht, dass er den Kelch erhebt und Gott preist für alle seine Gaben. Ganz besonders für die immer neue Bestätigung der Bundesschlüsse.

Wir denken heute Abend daran, dass Jesus Brot und Wein austeilt, wie er sein ganzes Leben geteilt hat mit seinen Freunden und Freundinnen. Hergibt und dient bis zum letzten Atemzug.

 All dem ist der heutige Abend, der Gründonnerstag gewidmet. Wegen Jesus sind heute, mitten in der Karwoche, die Tücher, die Paramente in der Kirche im festlichen Weiß, in der Farbe reinen Lichts. Wie an Osern.

Die Ordnung, nach der wir deutschsprachigen evangelischen Gemeinden uns richten in der Gestaltung der Gottesdienste, trägt uns heute auf, auf Worte aus den Briefen des Paulus zu hören. Was Paulus wegen des Abendmahls schreibt, gehört zum frühesten, was wir dazu aus der christlichen Überlieferung kennen.

Die Worte des Apostels entstammen nicht einer klugen philosophischen Abhandlung über das Wesen des Abendmahls. Sie haben ihren Grund in sehr praktischen Fragen. In den Problemen der Jesusleute in Korinth. Paulus hatte davon gehört.

Korinth, das war eine quirlige und auch obszöne Hafenstadt. Mit reichen Reedern und armen Handwerkern. Mit gebildeten Griechen und Hafenarbeitern, die es sich im Leben nicht leisten können, für ihre Kinder Hauslehrer zu beschäftigen oder sie auch nur in Schulen zu schicken. Korinth war eine Großstadt mit ein paar hundert Damen der Oberschicht und tausenden von Frauen, die zu ihrem Unterhalt und dem ihrer Kinder nicht nur Gemüse, Gewebe oder Korbwaren verkauften, sondern im Notfall auch sich selbst. Den Reichtum der Stadt, ihre Kunstwerke, ihre Straßen, ihren Luxus erarbeiteten vor allem die unzähligen, namenlosen Sklaven. Arbeitslose und Hungernde werden wohl fast zu jedem Preis bereit gewesen sein, Arbeiten zu übernehmen, nur um zu überleben. Räuber, Diebe, Verbrecher versuchten auch an Gesetzen vorbei sich ihren Anteil zu holen. Behinderte, Kriegsversehrte, Kranke bettelten auf der Straße und erkämpften sich ihren Lebensunterhalt.

Korinth war eine Stadt, in der die unterschiedlichen Milieus zusammentrafen, unterschiedliche Religionen. Entsprechend kann man sich die Jesus-Gemeinde vorstellen: jüdische und nichtjüdische, also heidnische Leute. Solche, die die Bibel kannten aus langer Erfahrung und andere, die einfach auf Jesus hofften. Arme und Reiche. Die Gemeinde, die Versammlung, das war also in bunter Haufe. Und denen schrieb Paulus:

Aus dem 1. Brief des Apostels Paulus nach Korinth, 11. Kapitel:

17 Dies aber gebiete ich euch: Ich kann’s nicht loben, dass ihr nicht zum Besseren, sondern zum Schlechteren zusammenkommt. 18 Zum Ersten höre ich: Wenn ihr in der Gemeinde zusammenkommt, sind Spaltungen unter euch; und zum Teil glaube ich’s. 19 Denn es müssen ja Spaltungen unter euch sein, auf dass die unter euch offenbar werden, die bewährt sind. 20 Wenn ihr nun zusammenkommt, so hält man da nicht das Mahl des Herrn. 21 Denn ein jeder nimmt beim Essen sein eigenes Mahl vorweg, und der eine ist hungrig, der andere ist betrunken. 22 Habt ihr denn nicht Häuser, wo ihr essen und trinken könnt? Oder verachtet ihr die Gemeinde Gottes und beschämt die, die nichts haben? Was soll ich euch sagen? Soll ich euch loben? Hierin lobe ich euch nicht. 23 Denn ich habe von dem Herrn empfangen, was ich euch weitergegeben habe: Der Herr Jesus, in der Nacht, da er dahingegeben ward, nahm er das Brot, 24 dankte und brach’s und sprach: mein Leib für euch; das tut zu meinem Gedächtnis. 25 Desgleichen nahm er auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut; das tut, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis. 26 Denn sooft ihr von diesem Brot esst und von dem Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.

27 Wer also unwürdig von dem Brot isst oder von dem Kelch des Herrn trinkt, der wird schuldig sein am Leib und Blut des Herrn. 28 Der Mensch prüfe aber sich selbst, und so esse er von diesem Brot und trinke von diesem Kelch. 29 Denn wer isst und trinkt und nicht bedenkt, welcher Leib es ist, der isst und trinkt sich selber zum Gericht. 30 Darum sind auch viele Schwache und Kranke unter euch, und nicht wenige sind entschlafen. 31 Wenn wir uns selber richteten, so würden wir nicht gerichtet. 32 Wenn wir aber von dem Herrn gerichtet werden, so werden wir gezüchtigt, auf dass wir nicht samt der Welt verdammt werden. 33 Darum, meine Brüder und Schwestern, wenn ihr zusammenkommt, um zu essen, so wartet aufeinander. 34 Hat jemand Hunger, so esse er daheim, auf dass ihr nicht zum Gericht zusammenkommt. Alles andere will ich ordnen, wenn ich komme.

Soweit der Apostel. Worum geht es Paulus, wenn er erinnert an das letzte Mahl im Leben Jesu? Paulus selbst war in der Runde am Abend vor der Kreuzigung nicht dabei gewesen. Aber er muss ganz früh schon, als er in Kontakt kam mit den Jesusleuten, erzählt bekommen haben, was ihnen wichtig geworden war. Und genau das betont er jetzt gegenüber den Menschen in Korinth.

Paulus erinnert: Jesus hat sein Leben geteilt mit den Seinen. Er hat all seine Kräfte, seine Liebe, sein Leben ausgeteilt an sie. So, wie er das Brot teilte. Immer wieder. Er hatte gedankt, heißt es in unserer deutschen Übersetzung. Das griechische Wort vom Danken, eucharistein, hat sich bis heute bei unseren katholischen Geschwistern gehalten: Eucharistie. Gemeint ist: Jesus hat das Segenswort über dem Brot und später wohl auch über dem Wein gesprochen, einen Lobpreis Gottes wie er bis heute von jüdischen Menschen gesprochen wird: Baruch ata Adonaj, Elohenu Melech haOlam, hamozi Lechem min haArez. Gepriesen bist du Herr, unser Gott, König der Welt; du bringst hervor das Brot aus der Erde.

Und Jesus hatte den Kelch erhoben. Den Kelch des Heils. Voller Dank auch für all die Bünde Gottes, die Gott immer wieder aufs Neue bestätigt und unterstrichen hat: Dank für den Bund mit Noah, dem Vater der Menschheit nach der Sintflut, Dank für den Bundesschluss mit Mose, mit dem König David, mit Gottes Augapfel Israel, Voller Hoffnung hatte Jesus an jenen neuen Bund gedacht, von dem Jeremia (31,31-34) gesprochen hatte. Der sich darin erkennen ließe, dass man nicht einmal mehr lernen müsste über Gott, und von seinen Geboten. Weil allen schon alles ins Herz getan ist. Da müsste man nicht einmal mehr sich gegenseitig predigen: man würde Gott einfach unmittelbar erkennen.

In solcher Zuversicht hatte Jesus den Kelch erhoben als einen Kelch des Heils. Und alle hatten davon getrunken. Hatten Anteil bekommen, wie sie Anteil bekommen hatten am Brot.

Wie sie Anteil bekommen hatten am Leben Jesu, in der Gemeinschaft.

Doch von Korinth hatte Paulus gehört, dass man zwar sich traf zum Essen und zur Erinnerung an Jesus. Aber wie! Die Leute mit viel Zeit vorneweg, konnten sich den Bauch vollschlagen und schon mal ein paar Kelche kippen. Die konnten satt gehen, für die anderen blieb der Hunger. Statt Gemeinschaft beim Gottesdienst eine tiefe und schmerzliche soziale Trennung.

Und das sollte vom neuen Bund erzählen? Davon, dass die Weisung Gottes einfach in Fleisch und Blut eingegangen sei? So sollte eine Gemeinde, eine Versammlung erleben und verkünden, wie sie Anteil bekäme am Leben Jesu, in Liebe ausgeteilt? Wohl kaum.

Paulus leidet an der Trennung. Setzt auf Gottes Richterspruch und Entscheidung. Angesichts seiner Zeilen – da müssen sie doch aufhorchen, die korinthischen Jesusleute. Da müssen sie sich doch leiten lassen, Trennungen zu überwinden. Wenigstens im Gottesdienst. Wenigstens beim Mahl der Dankbarkeit und des Gotteslobes. Wenigstens dann, wenn Jesus doch gegenwärtig sei.

Anders als die Evangelisten verknüpft Paulus nicht die Worte, die er als entscheidend der Gemeinde in Korinth weitergibt mit der Sünde. Auch wenn ihm auch plausibel sein mag, dass der erneuerte Bund die Trennung von Gott aufhebe. Sünde – das ist für Paulus eben das, was Menschen voneinander und damit dann auch von Gott trennt. Das sieht er. Davon erfährt er aus Korinth. Daran gilt es, so Paulus, zu arbeiten.

Paulus meinte, eine Lösung gefunden zu haben – und immerhin hat sie bis heute Bestand: man hat das Essen, das Gastmahl, die Sättigung aus dem Gottesdienst herausgenommen.

Paulus hat sich damit andere Probleme eingehandelt. Dass all zu leicht  vergessen werden konnte: immer noch ruft der Gottesdienst zur Gemeinschaft. Zum Ausgleich. Zu gemeinsamen Leben. Über die heilige Handlung hinaus. In Korinth. In der einzelnen Gemeinde an jedem Ort. In der ganzen Kirche. Also: weltweit.

Das Abendmahl mahnt um Jesu willen, weil er sich austeilte, dass wir unsererseits Teilhabe geben. Zum Leben. Zu einem Leben ohne Hunger. Zu einem Leben ohne Angst, ohne Not. Ausreichend versorgt. Auch Kranke und Pflegebedürftige. Arme. Geflohene. Vertriebene. Verängstigte. Kinder. Jugendliche. Schwierige.

Es klappt nicht immer. Es klappt meistens nicht. Aber das Abendmahl hört nicht auf uns zu mahnen. Die Trennungen Korinths zu überwinden. Jeglicher Art. Bis es gelingt, muss es uns schmerzen. Ein Stachel im Fleisch sein. Weil es um Jesus geht. Weil er Anteil gab an Brot und Wein. Weil er Leib und sein Leben geteilt hat. Bis zum letzten Atemzug. Amen.

Wertvolle Hinweise zu Korinth gibt finden sich bei im Vortrag von Claudia Janssen vom Studienzentrum der EKD für Genderfragen in Kirche und Theologie, Hannover

Das antike Korinth. Leben in einer römischen Großstadt  Veröffentlicht auf der Homepage der Evangelischen Akademie zu Berlin www.eaberlin.de Alle Rechte beim Autor / bei der Autorin oder bei der Ev. Akademie zu Berlin

Von Angesicht zu Angesicht – Visionen von Liebe und Gerechtigkeit Geschlechterbewusste theologische Sommerakademie 1. bis 3. Juli 2016 Evangelische Bildungsstätte auf Schwanenwerder

Liedvorschläge

EG 213 Kommt her, ihr seid geladen …. will Gastmahl mit euch halten

EG 220 Herr, du wollest uns bereiten …

EG 221 Das sollt ihr, Jesu Jünger, nie vergessen ..

EG 222 Im Frieden dein (= Danklied/ Dankgebet  nach dem AM)

Lieder zur Gabenbereitung aus dem Gotteslob, z.B: Nimm, o Gott, die Gaben, die wir bringen …

Abendlieder, z.B. EG 490 Der Tag ist um, die Nacht kehrt wieder …, EG 266 Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen …, aus verschiedenen Anhängen: Der Lärm verebbt …, Bleib bei uns Herr,. Die Sonne gehet nieder …

Pfarrerin Kira Busch-Wagner Karlsruhe E-Mail: Kira.Busch-Wagner@kbz.ekiba.de

Kira Busch-Wagner, geb. 1961, Pfarrerin der Evangelischen Landeskirche in Baden, thematische Schwerpunkte: Ökumene, Christlich-jüdisches Gespräch, Öffentlichkeitsarbeit