1. Petrus 1,3–9

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Hoffnung – Der Sprung in dieses Leben | Quasimodogeniti | 27.04.2025 | 1. Petr 1,3–9 | Felix Stütz |

Name, Gewicht, Uhrzeit, Datum. Vielleicht steht da noch ein Bibelvers, ein kurzer Text und Bilder sind meist drauf. Es gibt natürlich verschiedene Varianten, aber meistens ähneln sich die Geburtskarten doch auf die ein oder andere Weise. Ein neuer Mensch ist auf dieser Erde, die Freude der Eltern ist groß. Meist wird noch Dank geäußert für die bisherige Unterstützung oder die Geschenke. Bei uns hängen einige solcher Karten an der Wand. Was allerdings nicht an dieser Wand hängt, ist meine Geburtskarte. Also ich meine wirklich meine Geburtskarte. Habt ihr eure Geburtskarte schon erhalten? Ich meine nicht das Exemplar, das womöglich eure Eltern noch als Andenken aufbewahrt haben. Nein, ich meine: Kam schon mal Post, ihr öffnet den Brief und darauf steht euer Name und die Karte mit der Information eurer Geburt?

Die Vorstellung ist schon etwas skurril. Wir leben doch, wir sind schon da. Vielleicht kam es der Gemeinde auch komisch vor, als sie den heutigen Predigttext als Brief bekam. Als Neugeborene werden sie dort bezeichnet. Es ist ihre Geburtskarte, an Menschen, die doch schon leben. Es mutet etwas absurd an, erwachsene Menschen als Neugeborene anzusprechen, aber genau das geschieht hier. Wir sind die Neugeborenen. Unser erster Schrei ist das Halleluja am Ostermorgen. Der Herr ist auferstanden. Für uns beginnt eine neue Zeit. Er ist wahrhaftig auferstanden.

Sprechen, laufen, den Pinzettengriff zwischen Daumen und Zeigefinger, sich drehen, zählen. All das sind Fähigkeiten, die wohl die Meisten hier beherrschen. Wir müssen nichts mehr lernen, wir können doch schon alles. Ja, wir können zwar Dinge, die uns Menschen ausmachen. Aber erschließt sich darin unser Menschsein? Sprechen beispielsweise bedeutet mehr als nur Worte aneinanderreihen. Wir können trösten, ermutigen, Witze erzählen, andere Menschen anfeuern, Traurigkeit mitteilen. Charles Taylor, ein kanadischer Sozialphilosoph, bezeichnet die Menschen als sprachbegabte Tiere. Als diejenigen Wesen, die sich mittels Sprache nochmal auf ganz eigene Weise in der Welt orientieren. Es geht um Kommunikation, gemeinsames Erleben. Sprechen bedeutet miteinander sprechen, Leben teilen, füreinander Dasein – und genau das muss eigentlich ein Leben lang eingeübt werden. Wir sind nicht fertig als Menschen, sondern offen für diese Welt, neue Perspektiven, neue Begegnungen, Eindrücke, Erlebnisse. Zwar sind wir geboren, es gibt ein Geburtsdatum, aber nun gilt es zu leben.

Nun gilt es so zu leben, dass wir unsere Menschlichkeit bewahren und bewähren. Nutze deine Sprache, damit auch andere sprechen können. Erhebe deine Stimme, wo andere nichts sagen können und klein gehalten werden. Rede mit denen, die keiner in ein Gespräch einbinden will. Sage was dich bewegt, denn nur so erhält sich eine Gemeinschaft. Juble laut, denn Freude ist ansteckend. Schrei, wenn dich Trauer erfasst oder du klagen musst. Bete, denn dein Herz wächst, wenn dort Platz für Gott und die Welt ist. Singe ein Lied der Hoffnung, denn zu einer lebendigen Hoffnung sind wir geboren.

Diese Hoffnung ist der Sprung in dieses Leben. Der Herr ist auferstanden. Jesus ist auferweckt worden und mit ihm leben auch wird. Deshalb ist Ostern kein mirakulöses Fest, das mit dieser Welt nichts zu tun hast. Aus Ostern folgt lebendige Hoffnung, die wie die menschliche Sprache erlernt und eingeübt werden muss. Darum sind wir Neugeborene. Am Anfang kommen nur einzelne Silben raus. Es ist ein Gequietsche und Gequacke. Es folgt das berühmte „Da“ und wir können auf Dinge zeigen, uns mitteilen. Wir lernen die ersten Worte und kurze Sätze. Der Satzbau ist noch recht eigenartig, die Zeitformen werden ziemlich kreativ eingesetzt. Aber jeden Tag lernen wir neue Wörter, Bedeutungen, Verwendungsweisen der Wörter, den Satzbau und wie man miteinander spricht. Wir lernen das, weil mit uns gesprochen wird. Manche lernen noch weitere Sprachen und insgesamt erweitert sich unser kommunikativer Radius.

Das gilt auch für die Hoffnung. Um sie als lebendig zu bezeichnen, muss sie gelebt werden. Sie ist die Art und Weise, wie wir leben. Ich kann hoffend leben und voll Hoffnung sein. Das ergibt sich aber nicht vom einen auf den anderen Tag. Hoffnung will erlernt werden. Es ist herausfordernd, von dort zu leben. Also von Ostern dieses Leben zu leben. Aber es gibt keinen christlichen Eskapismus. Wir springen nicht aus diesem Leben raus, wir fliehen nicht. Nein! Christliche Hoffnung ist Auflehnung und Rebellion. So wie es ist, muss es nicht sein. Der Tod hat nicht das letzte Wort, denn die Hoffnung erhebt Einspruch.

Die lebendige Hoffnung lehrt zu sehen, wo wir von Wundern sprechen können. Die Hoffnung macht sichtbar, wo sich der Frieden ausbreitet, und die Worte verbinden statt trennen. Die Hoffnung zeigt, wie Liebe echte Hinwendung und Ermutigung hervorbringt. Die christliche Hoffnung lehrt die Geduld, um Trauer und Verzweiflung auszuhalten, denn auch deren Zeit wird vergehen. Die lebendige Hoffnung springt in dieses Leben, nimmt den Osterjubel und entfaltet ihn in alle Richtungen. Nicht leise, sondern laut und trotzig, erklärt sie, wem die Macht über Himmel und Erde zukommt. Einfühlsam und tröstend wendet sie sich den Bedrückten zu, sie spendet Trost und Kraft. Sie umhüllt die Verwundeten und Teil der Genesung. Lebendige Hoffnung verbindet und vereint. Sie tritt in die Einsamkeit und nimmt deren Schwere.

Während Karfreitag zeigte, dass es so vieles gibt, was Gott aus dieser Welt drängt, zeigt Ostern, dass Gott zurück in diese Welt dringt. Gott steht nicht über dieser Welt, sondern gibt sich hin, zeigt sich inmitten dieser Welt. Verhüllt und verborgen ist Gott nur, wenn man ihn über dieser Welt sucht. Sichtbar wird Gott, wo wir mit Augen lebendiger Hoffnung in diese Welt blicken und sehen, dass Karfreitag seit Ostersonntag in einem anderen Licht erscheint.

Lebendige Hoffnung? Das ist nicht einfach. Lebendige Hoffnung müssen wir uns zusprechen lassen – von Gott und seiner Gemeinde. Wir sind Teil dieser Bewegung, die von Ostern ausgeht. Wir sind Teil, weil wir diese Hoffnung spenden und zugleich von ihr getragen sind. Es ist nicht leicht zu hoffen, aber es ist möglich. Lebendige Hoffnung zeigt sich im Sprung in dieses Leben. In diesem Leben, genau hier und heute ist sie wirksam die Macht Gottes, die den Glauben bewahrt und uns als die Neugeborenen und Kinder Gottes einweist in eine Hoffnung, die pulsiert, atmet und wächst.


Felix Stütz

Halle/Saale

E-Mail: felix.stuetz@theologie.uni-halle.de

Felix Stütz ist Doktorand und Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Systematische Theologie der Martin-Luther-Universität Hallexs-Wittenberg.