
1. Petrus 5, 5b-11
Das Mut-Puzzle im Petrusbrief |15. Sonntag nach Trinitatis | 28. September 2025 | Predigt zu 1. Petrus 5, 5b-11 | verfasst von Kira Busch-Wagner |
Liebe Gemeinde, manchmal liegt für den Gottesdienst vor mir eine bekannte Geschichte aus dem Alten Testament oder den Evangelien. Der barmherzig Samariter. Oer Abraham, der ins gelobte Land zieht. Dann denke ich: was kann ich zu allem, was dazu schon gesagt wurde, noch hinzufügen?
Manchmal gibt die Ordnung der Bibelstellen mir so eine zur Aufgabe wie heute, auf den ersten Blick ein Sammelsurium aus Kalenderweisheiten und schier Unverständlichem – wie gerne hätte ich jetzt eine Geschichte. Dabei sind mir Verse aus dem Petrusbrief sogar vertraut. Vor vier Wochen, als es um das Thema „Demut“ ging, war ein Teil aus Vers 5 der Wochenspruch: „Gott widersteht den Hochmütigen, den Demütigen gibt er Gnade“. Und heute, wo der liturgische Kalender mit seinen sonntäglichen Schwerpunkten uns zum Thema „Sorge“ führt, lautet das Wort über der Woche – mit dem Vers 7 – : „All eure Sorge werft auf ihn, denn er, Gott, sorgt für euch.“
Was so richtig groß in der Mitte steht und wovon ich sofort ein Bild vor Augen habe, das ist der Löwe. Ein Löwe, der mit Brüllen seine Jagd ankündigt und dann umhergeht und schaut, was er kriegen kann. Alles in seiner Umgebung bedroht. Ganz schrecklich.
Aber am Schluss, da klingt mein Predigtabschnitt mit Jubel aus, fröhlich, da geht’s wieder um eine besondere Gestalt von Mut. Um Er-Mutigung – so, wie am Anfang von De-Mut die Rede war.
Vier Puzzlesteine also, die der Briefschreiber seinen Adressaten, die er uns ans Herz legt. Zu einem Mut-Puzzle. Demut, Sorge, ein gefährlicher Löwe, Mut. Mal sehen, wie sie zusammenpassen.
„Demütigt euch unter die gewaltige Hand Gottes“. Wie fühlt sich der Satz an? Angenehm? Unangenehm? Riecht das nach Fremdbeherrschung?
Ich glaube, demütig zu sein oder demütig zu werden, ist eine großartige, eine starke Haltung. Ich werde demütig, wenn jemand anderes etwas Großes geschafft hat und mich das berührt und ich es dankbar anerkenne. Jemand spielt eine wunderbare Musik, die mich im Innersten trifft. Ganz demütig werde ich vor der Gabe der Komponistin, ganz demütig angesichts des Könnens der Musiker. Deren Spiel mich ergreift, Gefühle aufbrechen lässt. Was geht da alles in mir vor!
Oder: ich stehe in der Nacht vor einem gewaltigen Sternenhimmel, ganz klein. Ich bin überwältigt von den Weiten. Staune. Das Herz öffnet sich. Nichts habe ich dazu beigetragen. Wie klein bin ich. Und doch scheint dieser Himmer auf mich gewartet zu haben.
Oder: Ein Kind kommt zur Welt. Vor wenigen Stunden gab es diesen kleinen Menschen noch nicht. Und jetzt ist er da. Atmet. Lebt. Fordert. Kann trinken. Verdauen. Ist eigenständig. Wir wissen, wie es zu einem Kind kommt. Und stehen doch demütig vor einem Wunder, das unser Können, unser eigenes Wirken übersteigt.
Demütig werden, das heißt: Größe anerkennen, Schönheit, Wirken, die weit über mich hinausgeht. Die mir zum Geschenk wird.
Demütig zu werden vor Gott: Gottes Größe, Gottes Fülle, Gottes Wirken bestaunen und anerkennen: was für eine Gabe!
Demut also: eine starke Tat, eine starke Haltung. (Nicht etwas kriecherisches, wie manche unterstellen). Demut: eine Stärke, die mich zugleich entlastet.
Dazu passt das nächste Puzzlestück. „Sorget nicht“. Wenn ich demütig fremde Größe anerkenne, dann sagt mir das zugleich: Ich bin dafür nicht zuständig. Ich muss das nicht machen. Ich bin entlastet. Ich darf mich verlassen. Auf andere, auf Gott.
Die Größe, das Wunder, die Schönheit, das Können, alles, was mir geschenkt wird, das muss ich nicht selbst zustande bringen. Gott sorgt für mich, sorgt für euch. Das alles steht mir zur Verfügung.
Und dann? Was macht als drittes Puzzlestück jetzt der Widersacher, der Teufel, der Löwe, der alles verschlingt?
Es gibt genügend Menschen, die mit viel Lärm und Gebrüll alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen, die so tun, als seien sie die Größten. Sie fordern alles für sich. Alle Kraft, alle Arbeit, alle Gedanken. Alle Zeit. Es gibt Leute, die so tun, als seien sie selbst Gottheiten. Sogar manche religiösen Führer handeln so. Fordern Gefolgschaft. Verdrehen die Verhältnisse, machen sich selbst zu Götzen.
Und es gibt Kräfte im menschlichen Leben, die knechten und beherrschen.
Süchte zum Beispiel – was fordern die nicht Aufmerksamkeit. Drogen, Essstörungen, Handysucht, Spielsucht Alkohol. Sie verschlingen das Leben der Menschen, die sie besetzt haben.
Auch Ängste, berechtigte oder auch unberechtigte, Ängste, vielleicht sogar von manchen bewusst geschürt, rauben einem die Luft zum Atmen. Verschlingen das Leben. Und man fragt sich: wie soll man aus solchen Schrecken nur wieder herauskommen.
Auch Krankheiten können so bedrohlich werden, so umfassend, dass sie alles zu fordern scheinen, alle Zeit, alle Gedanken, alles Leben, sogar ohne tödlichen Verlauf. Die alles beherrschen, alles bestimmen. Was für eine Teufelei.
So unterschiedlich diese Beispiele sind: es sind Kräfte, die viel fordern, aber wenig schenken. Viel zu wenig. Sie machen sich selbst zu Göttern. Sie drehen die Welt auf den Kopf. Sie bringen etwas durcheinander.
Wo bei uns im biblischen Text Widersacher steht, Teufel, da heißt es im griechischen Original: Diabolos, Durcheinanderwerfer. Alles, was in unserem Leben so tut, als sei es das Allerwichtigste, als gäbe es nichts Größeres, als sei es wie Gott, aber nicht für uns sorgt, ist ein Diabolos. Tut, als sei es Gott. Ist aber in Wahrheit das Gegenteil.
Allem gegenüber, was zu verschlingen droht, darf man misstrauisch sein. Vielleicht ist es ein Diabolos. Ein Umeinanderwerfer. Etwas teuflisches Etwas, das fordert, das verschlingt, aber nichts hergibt. Auch wenn es erst einmal so tut.
Gott aber, so schließt unser viertes Puzzleteil an, der Gott, den wir aus der Bibel kennen, der Gott, an den Jesus sich gehalten hat, der Gott ist ein Gott der Gnade. Der Freundlichkeit. Der biblische Gott wendet sich zu. Wie eine gute Mutter. Die aufrichtet. Und stark macht. Und an einen glaubt, selbst wenn man was verbockt hat. Die einen selbst neue Wege suchen lässt. Die einem Zeit gibt, wieder Grund und Boden unter die Füße zu bekommen. Das der Unterschied zwischen dem biblischen Gott und seinem Widersacher, zwischen dem Gott Jesu und dem Durcheinanderwerfer. Gott geht es um mich. Gott gibt. Gott liegt an meiner Stärke. Was Größe bei Gott!
Kein Wunder, dass sich die Briefzeilen so fröhlich sich anhören am Schluss.
Wir haben das Puzzle zusammengelegt.
Da gibt es die starke Haltung „Demut“, die Großes einfach anerkennen kann.
Die Entlastung, die damit einhergeht: ich bekomme soviel geschenkt. Muss mich nicht sorgen und kümmern.
Die Warnung vor allem, was mit verschlingenden Ansprüchen daherkommt.
Und am Ende: Hinweis auf all die guten Gaben des biblischen Gottes. Uns zu stärken. Uns zu ermutigen. Uns zu geben.
All das bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
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Liedvorschläge:
Nun jauchzt dem Herren alle Welt … EG 288
Schenk uns Weisheit, schenk uns Mut … EG 662, Regionalteil Baden
Großer Gott, wir loben dich … EG 331
O dass ich tausend Zungen hätte … EG 330, bes Str. 5 u.6
Freuet euch der schönen Erde … EG 510
Mehr zum Thema „Demut“ (u.a. von der Predigtautorin) in der „Kirchenzeitung Karlsruhe“, Osterausgabe 2025 (Download möglich).
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Kira Busch-Wagner, Jg 1961, Pfarrerin in Karlsruhe, Schwerpunkte in Ökumene und Öffentlichkeitsarbeit, Gottesdienste u.a. in Altersheimen und vertretungsweise im Krankenhaus.