
1.Petrus 5,5b-11
Schweinchen Schlau gehört der Katz, Ochse arglos zu den Himmeln | 15. n.T. | 28.09.25 | 1.Petrus 5,5b-11 | Markus Kreis |
Alle aber miteinander bekleidet euch mit Demut; denn Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade. 6 So demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, damit er euch erhöhe zu seiner Zeit. 7 Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch. 8 Seid nüchtern und wacht; denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge. 9 Dem widersteht, fest im Glauben, und wisst, dass ebendieselben Leiden über eure Brüder und Schwestern in der Welt kommen.
10 Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus, der wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, aufrichten, stärken, kräftigen, gründen. 11 Ihm sei die Macht in alle Ewigkeit! Amen.
Mich demütig fühlen, das ist etwas, das ich zu meiden suche. Sich öffentlich demütig zu fühlen, das ist zum Glück etwas, das so genannten normalen Menschen in unseren Zeiten eher selten passiert. Und wenn, dann geschieht es meist unter vier Augen. Und bleibt unter denen, die an einem Streit, der zuvor meist im Gange war, beteiligt waren. Warum ist das so? Inzwischen weiß Mensch, dass der Stärkere oder Klügere oder Mächtigere mit einem Rückhall rechnen muss, wenn er seine Übermacht zu sehr auskostet und ausbreitet. Und zwar mit einem Rückhall, der ihn ordentlich Kraft, Antrieb und Zeit kostet. Oder manchmal gar den Verlust seines Ansehens und seiner Position. Das hegt das Wechselspiel von Übermacht und Demut ganz schön ein.
Vor kurzem hat mich sehr unerwartet allerdings doch so etwas wie Demut ereilt. Obwohl da alles andere als ein Streit voraus ging. Und es gab auch niemanden, der mir unter vier Augen oder gar vor Kameras so was verpasst hat. Was war da los? Wie viele beschäftige ich mich immer wieder und immer öfter mit ChatGPT oder Gemini usw. usf. Und natürlich weniger, indem ich das studiere und darüber nachdenke, sondern vor allem auch, indem ich die sogenannte künstliche Intelligenz selber anwende und nutze. Und jetzt, nach circa einem guten Jahr, beschleicht mich so ein Gefühl. Was die Maschine da ausspukt, das funktioniert derart gut, dass Mensch vielleicht gerade mal auf seinem Fachgebiet besser abliefert als die KI. Und sogar in dem ihm eigenen Fach hat er oft genug zu kämpfen, um mit dem Niveau der KI mithalten zu können. Wow. Da fühlt man sich gleich weniger großartig, egal, welch gute Ausbildung man genossen hat. Es fühlt sich eher an wie eine Ohrfeige, die man bekommt, weil man sich etwas angemaßt, zu vermessen gedacht und benommen hat. Das entlarvt das Selfie, mit dem Mensch gerne vor sich und anderen posiert als ein Zerrbild. Einerseits. Andererseits: Man muss sich klar machen, dass die KIs vom gesammelten Wissensschatz der Menschheit profitieren. Der ist nämlich sozusagen buchstäblich Zeichen für Zeichen als deren Startbasis eingespeist. Die aufgereihten Zeichen werden auf Muster von Abfolgen untersucht. Und auf der Basis der damit entdeckten Muster verknüpft die KI die Zeichen zu mehr oder weniger neuen Folgen und Ketten. Dann kombiniert sie das zu Texten und gibt sie aus. Kein Wunder, dass ich da Demut fühle. Welcher Mensch hat schon den Wissensschatz der Menschheit in seinem Gehirn parat? Lebe er auch im Silicon Valley oder in einer Metropole Asiens? Kein Mensch kann das alles wissen. Etwas demütig fühle ich mich trotzdem angesichts dessen, was diese KI so alles leistet.
Kein Wunder, dass ein Prediger sich da demütig fühlt! Werden einige sagen, die Gläubige und ihren Glauben gerne mal belächeln. Da gibt es ja eine Menge Ähnliches und einen großen Unterschied. Zum ähnlichen: Ein Prediger produziert gleich der KI auch neue Texte, mehr oder weniger jedenfalls. Und stützt sich dabei auf einen Wissensschatz, der seiner Arbeit als Startbasis zu Grunde liegt. Im Fall von Christen auf die Heilige Schrift und wichtige Bücher aus der Theologie. Das, was da als Text bei rumkommt, wird allerdings viel weniger gesucht als die Texte jedweder KI. Womit wir auch bei einem wichtigen Unterschied angelangt sind. Und den verbinde ich gleich mit einer Frage: Woran liegt es, dass christlicher Glaube kaum noch Aussagen liefert, die andere interessieren? Nun, es muss irgendwie mit den Anfragen zu tun haben, den so genannten Prompts. Von denen hängt schließlich ab, was da als Zeichenkette und Text in der Ausgabe auftaucht. Viele Prediger stellen vielleicht Anfragen, die nur ihnen zu eigen sind und die bei anderen außerhalb deren Gesichtskreis´ liegen. Oder sie verkennen die Anfragen, die im Leben von Hörern und Lesern auftauchen, und diese bewegen, eine Antwort zu suchen. So könnte man das verstehen.
Wenn die Verbindung zu den Anfragen von Hörern oder Lesern fehlt, dann ist das mehr als bedauerlich. Das steht nämlich im Konflikt mit der christlichen Demut, von der Petrus spricht. Demütig sein, das verstehen viele als: sich beschämt fühlen, oder voller Angst sein zu versagen, oder verzweifelt sein und nur noch Hindernisse statt Auswege sehen. Demut heißt jedoch ursprünglich, die Gesinnung eines Dieners zu haben. Das Wort Diener verbinden einige erst recht mit Scham, Versagen oder Verzweiflung. Doch das ist zu kurz gedacht. Um zur Klärung mal radikal in die andere Richtung zu schwenken: Friedrich der Große hat sich als erster Diener seines Staates begriffen. Dienen und gehorchen kann Mensch also nicht nur Menschen, sondern auch Texten und Zeichenfolgen, sprich den Gedanken, die darin aufleuchten. Friedrich der Große wollte sich als vernünftiger Herrscher verstehen, den Texten der Aufklärung folgen mit seinem Tun und Lassen. Frei nach dem Motto: Was Du nicht willst, das man dir tu, das füg´ auch keinem andern zu! Heute sieht das so aus: Als eher Linker diente man bis vor kurzem Karl Schiller oder der Agenda 2010, für eher Rechte gibt es Ludwig Erhard und neuerdings eine Agenda 2030. Fast jeder dient heute meist sehr freiwillig den Icons, die auf der Startseite seines Smartphones erscheinen. Als Programmierer dient man den Bibliotheken der Software. Und überhaupt sind wir auf dem Weg von einer Industrie- zu einer Gesellschaft der Dienstleistung. Wer in einem guten Betrieb arbeitet, der muss sich oft und ganz wortwörtlich dessen Leitbild verschreiben. Statt Demut sagt man heute also besser: Freundlichkeit gegenüber Kunden und Kollegen, sich an vereinbarte Regeln halten, Servicementalität. Sich weniger wichtig als den anderen zu nehmen, wenn auch ohne blinden Gehorsam für die Ansinnen des anderen, ohne die eigene Mündigkeit hintan zu stellen. Solche Demut gilt erst recht für die allererste Adresse, die einem Christ gegeben ist, also Gott. Gott ist die unendliche Übermacht mit grenzenloser Übersicht der Dinge und Ereignisse. Demütig sein, das heißt Gott zuerst so für sich gelten lassen. Und zwar ohne die eigene Mündigkeit hintan zu stellen. Ohne blinden Gehorsam gegenüber dem, was die Welt als Gottes Ansinnen und Wille hervortut. So gesehen bedeutet Demut angesichts der KI deshalb für mich die bekannte Ochsentour. Weder kann ich sie ignorieren und so tun, als gäbe es sie nicht. Ich werde sie wohl oder übel nutzen müssen und können. Noch muss ich mich ihr voreilig unterwerfen. Sondern ihre Aussagen und Texte prüfen. Und wissen, dass sie als Rettung der Welt wenig taugt, sie bestenfalls ein wenig besser macht. Die Menschheit wird auch dank KI kaum endgültig ausgesorgt haben.
Diese Demut und das Sorgen von Menschen hängen zusammen. Petrus verbindet beides, indem er die zwei Hauptworte kurz nacheinander ausdrückt und sie so koppelt. Es gibt auch inhaltlich eine Passung. Ein Mensch mit Demut fragt sich sicher irgendwann, ob er bei dem ganzen Service, den er leistet, zu seiner Sach´ kommt wie man in Schwaben sagt. Will wissen, ob er auch mal für sich ausgesorgt hat, wenn er schon so sehr auf andere bedacht ist. Laut Petrus sorgt Gott sehr wohl dafür, dass jeder zu seinem Sach´ kommt. Dass jeder das Gefühl kriegt, mal ausgesorgt zu haben, wenn vielleicht auch etwas begrenzt und vorläufig. 7 Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch. Ladet Euer Sorgen auf Gottes Karren, der zieht´s mit seinen Ochsen aus dem Dreck auf einen guten Weg. Aber ob Anfragen voller Sorge im Herzen von Gläubigen damit leicht zu stillen sind? Statt Gott wie einen Ochsen für sich antreten zu lassen, begeben sich Menschen lieber selber in die Tretmühle. Anstatt Ruhe zu finden, treten sie sogar des Nachts im Bett mit den Füßen, wälzen sich endlos hin und her, besonders in ihren Gedanken. Das Sorgen kommt leider immer wieder um die Ecke. Das ist einerseits nach dem bisher Gesagten absehbar. Andererseits steckt darin eine Gefahr. Wenn Demut und Vertrauen in Gott und in seine unendliche Übersicht und Übermacht vom Sorgen befreit, dann heißt das ja umgekehrt: Wenn ein Glaubender sich ohne Ende sorgt, dann hält er sich heimlich und tief drinnen für den, der das mit dem Überblick und dem Durchsetzen besser drauf hat. Dieser Gedanke kommt natürlich hart rüber. Sich viel Sorgen zu machen, das gilt in Deutschland ja etwas. Aber offensichtlich gibt es da des Guten zu viel. Unbestritten: Wenn Mensch etwas plant und vorhat, dann berücksichtigt er hoffentlich die bekannten Gesetze der Natur oder die geltenden Regeln von Menschen, die da mit im Spiel sind. Doch unsere Übersicht und Macht ist alles andere als unendlich und ohne Grenze. In Wirklichkeit ereignet sich so einiges außerhalb von uns, jenseits der uns bekannten Ursachen und Wirkungen. Insbesondere und zuerst, weil Gott unmerklich in seiner Schöpfung wirkt. Und gegen all das Arge arbeitet, das wir hin und wieder auf die Welt loslassen. Wer sich also ohne Ende sorgt, der kann Gottes Werk kaum richtig ernst nehmen. Oder er meint, genauso Bescheid zu wissen wie Gott und setzt sein Denken mit dem Ansinnen Gottes gleich. Die Gefahr ist: Wer so draufkommt und denkt, der gehört der Katz, wie mein bayrischer Schwippschwager zu sagen pflegt. Oder mit den Worten von Petrus: 8 denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge; seid nüchtern und wacht; denn das Leben in der Welt zeigt sich weder als rein schweinchenrosa noch als tiefstes drecksbraun. Ocker, erdfarben, das ist das Leben. Und ochsenblutrot wie das Holz von Gottes Fachwerk nahe der Stadtmauer von Jerusalem. Diesen Farben hat Gott uns in seinem Wort verschrieben. In ihrem Schillern leben wir. Amen.
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Markus Kreis OStR
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