
2. Korinther 12,9
Wo stille ich meinen Durst | 5. Sonntag nach Trinitatis | 30.6.2024 | 2. Kor 12,9 | Sarah Bach |
Ihr Lieben,
wusstet ihr, dass für die deutschen Wörter «Seele» und «Kehle» im hebräischen das gleiche Wort gebraucht wird? Das hebräische Wort «näfäsch» wird im deutschen für beides gebraucht, was ich sehr spannend finde, denn ich hätte instinktiv meine Seele nicht in meiner Kehle verortet oder allgemein nicht damit in Verbindung gebracht. Aber es gibt ein Moment, in dem ich diese Übereinstimmung der zwei deutschen Wörter in einem hebräischen Wort verstehe und nachvollziehen kann. Dann nämlich, wenn es um Durst geht.
Wir alle kennen den Durst der Kehle, zum Beispiel wenn wir gerade Sport gemacht haben.
Aber kennt ihr auch den Durst der Seele? Ich jedenfalls schon. Manchmal fühlt sich meine Seele trocken an. Teilweise aufgrund von etwas, was von aussen an mich herangetragen wird, zum Beispiel beim Tod eines lieb gewonnenen Menschen. Meine Seele fühlt sich aber manchmal auch trocken an wegen inneren Umständen, zum Beispiel, wenn ich Gott nicht spüren kann in gewöhnlichen oder aussergewöhnlichen Situationen.
Wie so oft finde ich mich mit meinen Gefühlen in biblischer Gesellschaft.
So heisst es in Psalm 42, 2:
«Gott, du bist mein Gott, den ich suche, meine Seele dürstet nach dir. Mein Leib schmachtet nach dir im dürren, lechzenden Land ohne Wasser.» (Übersetzung der Zürcher Bibel)
Heute soll es um diesen inneren Durst gehen, den wir nach Gott verspüren. Und es geht darum, wie Gott diesen Durst stillen will.
Dazu habe ich euch ein Gleichnis mitgebracht. Es ist kein Gleichnis von Jesus, von dem wir diese Art des Erzählens und Lehrens gut kennen, sondern es ist ein Gleichnis, das Teresa von Avila erzählte.
Teresa von Avila war eine Mystikerin, die im 16. Jahrhundert vor allem in Spanien aktiv war. Sie war eine Ordensschwester und es fiel ihr nicht immer leicht, sich auf das Gebet mit Gott einzulassen. Es brauchte die Einsicht um die tiefe Liebe Gottes, die in Jesus spürbar wird, um dies zu ändern. Sie gründete mehrere Klostergemeinschaften und da sie ihre Erfahrungen schriftlich festhielt, wissen wir einiges über ihr Leben und vor allem ihren Glauben.
Teresa von Avila beschrieb ein Gleichnis darüber, wie ein Garten bewässert werden kann. Wie auch ein Garten ist unser Leben auf eine Quelle angewiesen, auf etwas, das uns nährt und unseren Durst stillt. Das Wasser in diesem Gleichnis ist der Lebensgeist Gottes: Gottes Anwesenheit und Gnade. Der Garten, der bewässert werden soll, ist unser Leben. Nun gibt es verschiedene Arten einen Garten zu bewässern, genau so wie es verschiedene Arten gibt, die Liebe und Gnade Gottes in unserem Leben zu spüren. Einige davon zählt Teresa von Avila auf.
(Dieses Gleichnis ist dabei natürlich keine botanische Anweisung, sondern soll den Zuhörenden helfen, etwas über ihr Leben und Gottes Wirken darin zu verstehen. Es gibt mittlerweile verschiedene Überlieferungen von diesem Gleichnis, angepasst auf unterschiedliche Zeiten und Kontexte. Auch für diese Predigt habe ich das Gleichnis leicht angepasst.)
Folgende Bilder verwendet Teresa von Avila in ihrem Gleichnis:
- Bild: Um einen Garten zu bewässern kann Wasser aus einem Brunnen geholt werden und zum Garten getragen werden.
Manchmal braucht es eine gewisse Arbeit, um den Garten unseres Lebens mit dem Geist Gottes zu bewässern. Wir suchen nach dem Geist Gottes an bekannten Orten, in Praktiken, die sich schon bewährt haben für ihr Ausgiessen des Geistes. Wir gehen dorthin und beginnen zu schöpfen. Dieses Schöpfen ist aber auch von einer Anstrengung von unserer Seite her geprägt. Es braucht eine gewisse Ausdauer und Geduld, um meinen Garten so zu bewässern. Diese Geduld und Beharrlichkeit lohnt sich aber, denn am Schluss habe ich Wasser für meinen Garten.
Beispiel: Für mich ist das gemeinsame Singen ein solcher Brunnen. Ich gehe gerne dorthin und schöpfe das Wasser des Geistes aus dieser Praxis. Aber es ist auch eine Praxis, die manchmal eine gewisse Anstrengung erfordert. Manchmal entspricht mir der Musikstil nicht und ich singe gerne in der Gruppe, weswegen mir dieser Brunnen nur gelegentlich zur Verfügung steht. Und manchmal stehen mir gewisse Liedtexte und die Theologie dahinter im Weg und machen das Herausholen des Eimers aus dem Brunnen mühselig.
- Bild: Um einen Garten zu bewässern können Wasserleitungen gegraben oder ein Wasserrad gebraucht werden.
Auf diese Weise kann mehr Wasser schneller im Garten verteilt werden. Teresa von Avila beschriebt diese Art des Bewässerns, um aufzuzeigen, was sich verändert, wenn wir uns immer mehr für das Wirken von Gott öffnen, statt nach etwas Bestimmtem zu suchen. Wir alle haben wohl schon die Erfahrung mal gemacht, dass wir die spürbare Anwesenheit Gottes nicht erzwingen können. Aber wir können Momente und Praktiken in unserem Leben einrichten, die uns immer wieder die Chance geben, dies zu tun. Wir können die Wasserleitungen und das Wasserrad bauen in unserem Garten damit dann, wenn das Wasser kommt, wir es auch bemerken und davon getränkt werden.
Beispiel: So lohnt es sich, in unserem Alltag immer wieder mal ganz bewusst Zeit zu nehmen, um Gott zu spüren, sei das im Bibel lesen, in der Meditation, im Spaziergang ohne Ablenkung, im Gottesdienst. Wir können dadurch nicht erzwingen, dass wir Gott spüren, aber wir können dem eine Chance geben.
- Bild: Um ein Garten zu bewässern, kann der Regen gebraucht werden.
Der einfachste Weg einen Garten zu bewässern ist, den Regen den Garten bewässern zu lassen. Der einfachste (und zugleich schwierigste) Weg, den Garten meines Lebens zu bewässern ist es, mich überall dort in den Regen der Gnade Gottes zu stellen, wo er runterfällt. Es gibt diese Momente, da Gottes spürbare Anwesenheit und Gnade vom Himmel runter regnet und uns durchnässt. Das Einzige, was es dann zu tun gibt, ist sich keinen Regenmantel anzuziehen oder unter dem Schirm hervorzukommen. Es gilt zu geniessen und auch andere auf diesen Gnadenregen hinzuweisen.
Beispiel: ich komme immer mal wieder in den Gnadenregen Gottes, zum Beispiel wenn ich in der Natur unterwegs bin. So radle ich unverhofft am schönsten Feld mit Mohn- und Kornblumen vorbei und das Einzige, was ich tun muss, ist anzuhalten, zu geniessen und zu staunen. Dieses Geniessen und Staunen richte ich zu Gott hin, der diese Natur so wunderbar geschaffen hat und mich durchflutet tiefe Dankbarkeit.
Wie steht es aktuell um deinen Garten und dein Bewässerungssystem?
Bist du in einer Phase des Wasserschöpfens aus bewährten Brunnen? Hast du dir ein Wasserrad und Wasserleitungen eingerichtet in deinem Leben? Erkennst du den Gnadenregen, wenn er auf dein Leben fällt?
Unser Leben, unser Garten kennt wohl alle 3 Bewässerungsarten. Manchmal ist eine davon stärker vertreten als die anderen, aber wir sollten auch die anderen beiden dabei nicht aus dem Blick verlieren. Alle 3 Bilder arbeiten damit, dass nicht wir selbst das Wasser für unseren Garten sein können, wir können uns nur öffnen für dieses Wasser Gottes. Die Gnade kommt immer von Gott, es ist nicht abhängig von unserer Leistung oder unserem Elan oder Gebet.
Falls ihr dafür eine Ermutigung braucht: sogar Paulus, der vielen von uns als überaus eifriger Verkünder des Evangeliums bekannt ist, der so viel dafür getan hat, dass sich die Gute Nachricht auf der Welt verbreiten konnte, war überzeugt von dieser Tatsache. Dann nämlich, als er von der Gemeinde in Korinth stark angegriffen wurde und seine Fähigkeiten und seine Wirksamkeit in Frage gestellt wurden, berief er sich nicht auf seine eigene Stärke. Nein, er verwies darauf, dass auch sein Garten das Wasser von Gott benötigt.
So schreibt er in 2. Korinther 12, 9:
«Und er hat mir gesagt: Du hast genug an meiner Gnade, denn die Kraft findet ihre Vollendung am Ort der Schwachheit. So rühme ich mich lieber meiner Schwachheit, damit die Kraft Christi bei mir Wohnung nehme.» (Übersetzung der Zürcher Bibel)
Wir dürfen uns tränken lassen. Wir dürfen die Gnade Gottes unseren Garten bewässern lassen, auf welche Weise auch immer.
Und schliesslich kann das Wasser des Regens durch den Garten weiterfliessen. Hinein in die Welt und zu anderen Menschen. Hinein in Wasserräder und -leitungen, in Brunnen, aus denen Wasser geschöpft wird.
Ein ewiger Kreislauf aus Empfangen und Weitergeben der Gnade Gottes.
Amen.
Sarah Bach