· by predigten · in 01) Matthäus / Matthew, 2. So. n. Christfest, Aktuelle (de), Aus dem Dänischen, Beitragende, Bibel, Deutsch, Kapitel 02 / Chapter 02, Kasus, Marianne Christiansen, Neues Testament, Predigten / Sermons

2.Sonntag nach dem Christfest | 05.01.25 | Matthäus 2,1-12 (dänische Perikopenordnung)[1] | Von Marianne Christiansen |

Der Weg der Weisen – und unser Weg

Es waren nicht drei, sie waren auch nicht heilig, es waren keine Könige.

Das steht jedenfalls nirgends. Wir hören die Erzählung aus dem Matthäusevangelium von den Weisen aus dem Morgenland, sie traten „flugs die Reise an“, wie es in dem Lied von Grundtvig zu diesem Tag heißt[2], dem Tag, den die Tradition der Kirche den Tag der heiligen drei Könige nennt. Aber von den heiligen drei Königen steht nichts im Text.

Denn Christentum ist nicht das, was dort steht, sondern was geht.  Was auf den Wegen in der Welt geht wie die ganz gewöhnlichen Wege der drei vier, fünf Millionen, Milliarden Könige, Königinnen, Schuster, Zeltmacher, Hutmacher, Spaßmacher – Menschen, die das Licht in Christus suchen und mit diesem Licht hinaus zu anderen Menschen gehen.

Der Tag der heiligen drei Könige ist der Tag für mindestens zwei Erkenntnisse. Teils die, dass das Christentum voller Poesie und Bewegung ist, und teils die, dass wir selbst an der Erzählung des Evangeliums teilhaben.

Das erste – dass das Christentum voll von Poesie ist – dafür braucht man sich nicht zu schämen, indem man es verbirgt, als sei Poesie weniger fein oder wirklich als faktuale Informationen. Poesie ist Dichtung. Poesie bedeutet eigentlich Schöpfung – Worte, die geschaffen sind und neue zusammenhängende Bilder schaffen, ja in gewisser Weise schaffen sie das, wovon sie reden.

Da ist Poesie in den Worten der Bibel, die neue Zusammenhänge und Einsichten schaffen – nicht bloß Information, Reportagen, Gesetzestexte, so dass man sagen kann: „Ja, das steht da, so ist es, fertig!“ Nein, Poesie, Erzählung, so dass wir sagen können: „So geht es, so klingt es, fang an und erzähle weiter!“

Wie aber können wir dann wissen, was wirklich geschah, was das Christentum wirklich ist?

Christentum ist in Wirklichkeit das Wort, das Gerücht, die Erzählung, dass Gott in die Welt gekommen ist als ein verletzlicher Mensch, der sein Leben unter den Kranken, und Elenden, den Ausgelieferten und Ausgestoßenen lebte und den Menschen neue Hoffnung, Leben und Vergebung brachte. Ein Mensch, der zusammen mit Verbrechern starb und auferstand und den Menschen Mut gab und der noch immer Leben und Gauben in Menschen weckt, so dass sie/wir an die Liebe und Güte Gottes glauben und leiben werden.

Das Christentum ist die Hoffnung und der Glaube an das Unmögliche. Dass der Größte im Kleinsten ist und das das Kleinste, was Gott geschaffen hat, das Größte ist. Dass die Stärke Gottes in den Schwachen ist und dass die Liebe Gottes den Verlorenen gilt.

Wo dieser Glaube lebt, da ist Christentum. Es steht nicht, es geht. Es wandert auf den Wegen der Welt und macht Menschen froh. Wenn nicht, ist es kein Christentum.

Und wenn von Gott erzählt werden soll, der das Unmögliche schafft, von Jesus, der das Unmögliche lebt, vom Heiligen Geist, der das Unmögliche in uns bewirkt – dann wird es zu Poesie, Erzählungen, die Bilder schaffen und Bewegung in uns bewirken.

Das Fest der heiligen drei Könige ist der ganz richtige Tag, der uns daran erinnert. Hier hören wir die kurzgefasste Erzählung, die uns Matthäus bringt, von einigen weisen Leuten aus dem Morgenland, die den neuen Herrscher finden wollen und auf Umwegen vorbei an Herodes und den Zinnen der Macht das kleine Kind in Bethlehem finden. Und von dort kehren sie auf neuen Wegen zurück in ihr eigenes Land.

Das ist eine Erzählung, sicher keine Reportage von der Wirklichkeit, die raportiert und beschrieben werden kann als Tatsache, sondern eine Erzählung darüber, was Christentum ist, was Jesus bedeutet und was das für eine Geschichte von Licht ist, an der wir teilhaben.

Wie stark die Poesie ist, das können wir in Liedern und Bilderkunst sehen und in den Legenden die überall in der Welt leben. Die Weisen sind in der Erzähltradition zu Königen geworden – inspiriert vom Propheten Jesaja im Kapitel 60, wo es heißt, dass „Könige zu dem Glanz ziehen, der über dem Herrn aufgeht“ (Jes. 60,3), dass sie „Gold und Weihrauch bringen und des Herren Lob verkündigen“ (Jes. 6,6,). Mit der Zeit wird die Erzählung des Matthäus zu einer langen Legende, die durch Europa wandert und den Königen Namen gibt, Kaspar und Melchior und Balthasar. Sie bekommen Gebeine, die in Mailand und in Köln ruhen.

Bei Matthäus heißt es in der Erzählung, dass einige Weise aus dem Morgenland aufbrechen, weil sie einen Stern aufgehen gesehen haben, der bedeutet, dass ein neuer König der Juden geboren ist, und den wollen sie nun anbeten. Sie missverstehen, was sie in den alten Büchern gelesen haben, und suchen einen Machthaber dieser Welt auf in der Gestalt von König Herodes. Aber von dem Stern werden sie dazu geleitet, das Licht in der Finsternis und Gottes Stärke in der Schwachheit zu suchen, und sie finden das Kind in der Krippe. Und sie werden froh – voll großer Freude steht da auf Griechisch – und geben Geschenke. Von da an meiden sie die Macht von König Herodes und finden einen neuen Weg nach Hause.

Das ist die Geschichte, die weitergegeben und ausgelegt wurde. Sie erzählt nicht von etwas, was einmal geschehen ist, sondern von etwas, was geschieht. Sie vermittelt ein helles Bild in der Welt gerade jetzt, zwischen Machthabern und Machtgier, in dem Drang, die Wahrheit bei denen zu suchen, die Macht haben. Sie leitet unseren Blick weg vom Zentrum der Macht, um Gott in Jesus zu finden, geboren in Bethlehem. Es ist nicht so weit von Jerusalem nach Bethlehem, selbst nicht zu Fuß, aber nun ist der Weg versperrt von Mauern und Checkpoints und Umgehungsstraßen. Und dennoch – mitten im Streit und im Hass kam das Kind zur Welt.

Nun sind wir es, wie Generationen vor uns und Generationen nach uns, die Weise sein sollen, Könige, Boten, geleitet vom Licht Gottes in der Finsternis. Wir, die wir das unwahrscheinliche Glück haben, dass wir das Wort von Jesus gehört haben und den Glauben und die Liebe im Geist gefunden haben – wir sollen das Licht weitertragen zu anderen Menschen.

Die Wege finden wir – auch wenn sie wie für die ersten Weisen anders werden als wir glaubten, dass sie tatsächlich geplant waren. Und was wir tun und sagen sollen, zeigt sich auch auf dem Wege, Das steht nicht schon vorher in einem Manual – das entdecken wir auf dem Wege.

Wie teilt man das Evangelium mit anderen Menschen? Indem wir auf das Licht zeigen – und etwas tun und sagen, was Licht in das Leben anderer Menschen bringen kann, und indem wir die Gaben schenken, die wir nun mitgebracht haben. Die wenigsten von uns haben Gold, Weihrauch und Myrrhe dabei – aber dann haben wir viel anderes, etwas, was wir vielleicht nicht einmal selbst wertvoll finden, aber was anderen Trost und Aufmunterung bringen kann.

Die Erzählung von den heiligen drei Königen bzw. Weisen ist unser Neujahrsvorsatz – und diesmal heißt es Neujahrsfortsatz. Ein Neujahrsvorsatz, das ist vieles, was man sich vornimmt – „nun muss ich mich bessern“ – und das ist auch schön und gut. Aber nun ist es schon den 5. Januar, und die meisten Vorsätze sind sicher schon wieder vergessen. Aber der Tag der heiligen drei Könige gibt und einen neuen Neujahrsfortsatz:

Setze die Wanderung im Lichte Christi fort. Folge weiter dem Stern in der Finsternis, einem Streif vom Sonnenaufgang, unter der Sonn am hellichten Tage und einmal bis zum Sonnenuntergang. Bleib bei dem Fortsatz, geleitet vom Licht, auch wenn der Weg schwer und finster ist. Wenn Gott will, öffnet sich ein anderer Rückweg, so wie für die Weisen, Amen,

Bischöfin Marianne Christiansen

Ribe Landevej 37
DK-6100 Haderslev

Email:(at)km.dk

— 

[1] In Dänemark wird dieser Sonntag als Fest der Heiligen drei Könige (Epiphanias) begangen.

[2] Nr. 136 im dänischen Gesangbuch, dt. 136 im Deutsch-Dänischen Gesangbuch: „Herrlich ist der Himmel blau“.