Lukas 2,41-52

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1.Sonntag nach Epiphanias | 12.01.25 | Lukas 2,41-52 (dänische Perikopenordnung) | Von Peter Skov-Jakobsen |

Maria als erster Apostel

Ich muss es lieber zugeben:

Als ich junger Pastor war, gefiel es mir besonders, auf ältere Pastoren über diesen Text vom zwölfjährigen Jesus im Tempel predigen zu hören, am allerliebsten solche, die Pröpste oder Bischöfe geworden waren.

Ich saß natürlich und dachte daran, wie wohl die Artigen mit diesem Text zurechtkommen, der wohl einem Bild vom von Aufsässigkeit und Teenager-Prostest beim zwölfjährigen Jesus am nächsten kommt.

   Nun bin also ich an der Reihe, und ich kann es den Zuhörern nicht verdenken, wenn sie dasitzen und mit derselben Frage lauern.

   Wenn ihr euch selbst fragt, was dieser Bericht eigentlich sagen will, verstehe ich das sehr wohl! Kein anderer Evangelist hat diese Geschichte aufgenommen. Zwei von ihnen wollen von den Geschichten aus der Kindheit Jesu gar nichts wissen. Sie konzentrieren sich auf den erwachsenen Mann.

Lukas hat sich vorgenommen genau zu sein. Er will gerne der sein, der die Geschichte korrekt erzählen will. Nicht korrekt und bezeugt, wie das die Historiker heutzutage tun würden, sondern so, dass man dem ganzen Leben vom Standpunkt des Glaubens her folgen kann.

Lukas wusste, dass die Kirche auf Wanderschaft ist, und mit auf der Wanderschaft ist jemand, den wir nicht immer erkennen können, der aber plötzlich eingreift, ein Wort sagt, eine Mahlzeit einnimmt, zögert und uns dazu bringt, die Meinung zu ändern. Er greift ein mir Barmherzigkeit und Mitgefühl, und die Leute merken, dass wir es mit einer anderen Welt zu tun haben – mit einer Hoffnung.

Lukas kennt uns wirklich!

Er weiß, dass wir immer neugierig sind! Wenn ein Mensch etwas bedeutet, fragen wir nach der Vergangenheit des Betreffenden. Einigen Menschen wollen wir gerne durch ihr ganzes Leben verfolgen, entweder weil sie besonders schlimm waren, aber meistens, weil ihre Weise, Mensch zu sein, und fasziniert hat. Sehr oft ist diese Neugier von dem Wunsch getragen, einen roten Faden zu finden.

Eigentlich weiß ich nicht, warum man glauben soll, dass das Leben anderer Menschen einen Zusammenhang darstellt, wenn wir alle stets Brüche erleben, Widersprüche, Vorläufigkeiten und Zufälle. Aber es ist als hielten wir den Mut aufrecht bei dem Gedanken daran, dass da Leute sind, deren Leben nach einem roten Faden verläuft!

Ihr könnt ja hören, dass ich nicht glaube, dass man leicht einen roten Faden finden kann. Ich glaube nicht an den roten Faden, weil ich zutiefst davon überzeugt bin, dass wir einander mehr beeinflussen als wir gewöhnlich glauben.

    Wir sprechen miteinander, leben zusammen, diskutieren miteinander, entwickeln Antipathien und Sympathien, und auch wenn wir uns bemühen und versuchen, unserem Leben eine bestimmte Richtung zu geben, spüren wir oft, dass unser Leben in hohem Maße kompliziert wird – verwickelt mit dem Leben anderer.

Ihr wisst auch aus den Medien: Was wir nicht wissen, das erfinden wir!

In der Marine habe ich oft gehört, wie die Leute zueinander sagen: „Wenn du eine Lüge über mich vorbringst, dann werde ich bestimmt eine Wahrheit über dich sagen“. Das kann einen nervös machen!

Lukas erzählt etwas von der Kindheit und Jugend Jesu, damit die Gemeinde sich darüber Gedanken machen kann! Dann brauchen sie nicht mehr rote Fäden zu finden.  Sie brauchen nicht mehr der Phantasie

freien Lauf zu geben!

Ich kann euch anvertrauen, dass die Intention des Lukas nicht Erfolg hatte. Es wurden viele Kindheitsevangelien über Jesus verfasst, und man erzählte einander, dass er ein furchtbarer Kraftkerl war, die anderen Kinder sollten ihn nicht ärgern, denn schon als Kind soll er sie nur angeblasen haben, und sie fielen tot um, oder er war so stark, dass er eine ganze Deichsel heben konnte, und er ging wirklich seinem Vater zur Hand in der Werkstatt.

Lukas aber gibt uns diese Geschichte, und sie handelt von dem besonderen Verhältnis Jesu zu Gott.

Er war verschwunden in der Schar von tausenden, die zum Passafest in Jerusalem versammelt waren. Er hatte seine Eltern mit Schrecken zurückgelassen, und die hatten sicher das Schlimmste befürchtet. Würden sie ihn wiedersehen? War ihm etwas zugestoßen?

Sie fanden ihn im Tempel. Da hatte er gesessen und mit den Gelehrten geredet, und die hatten sich gewundert.

Maria warf ihm vor, dass er sich so verhalten hatte – und ehrlich gesagt, sie wird mit etwas abgefertigt, das wie eine vorwitzige Antwort klingt: Das hätte seine Mutter sich wohl selbst sagen können, nämlich dass er da sein musste, wo sein Vater war!

Der Zuhörer wird von Anfang an im Evangelium in die Lage versetzt, dass hier etwas ganz Besonders vorliegt. Jesus ist ein besonderer Mensch, und diese Erzählung von seiner Besonderheit ist die Erzählung von der Befreiung der Menschen.

   Es ist als wenn Lukas behauptet, dass wir uns jetzt auf ihn konzentrieren sollen, der Gott offenbaren wird.

   Er ist wirklich nicht irgendwer – er ist das offenbare Bild Gottes. Wenn man ihn sieht und hört, dann merkt man, dass es hier um etwas ganz anderes geht – und doch kann er erkannt werden.

   Er will gern gesehen werden – er will gehört werden – gespürt werden! Er ist nicht wie die anderen Propheten! Er ist nicht abgehoben. Er will nicht, dass die Menschen den Blick senken. Vielmehr macht er geltend, dass der, der an die Liebe Gottes glaubt, auch spürt, man ist nicht an seine Irrtümer gebunden, seine Kleinlichkeiten, seine Wut. Jetzt wird man befreit.

   In irgendeiner sonderbaren Weise gelingt es ihm, die Menschen davon zu überzeugen, dass die Liebe sie dazu bringen kann, das Dasein anders und neu zu sehen.

   Er bringt sie dazu zu spüren, dass Mitgefühl da ist, wo gleichsam viele Gräben überwunden werden können und die Menschen einander wieder in die Augen sehen können.

   Er hat keine Vorbehalte zu irgendeinem Menschen.

   Bedenkt nur, wie oft wir Vorbehalte gegen einander haben. Bedenkt nur, wie wir uns absichern, um nicht enttäuscht zu werden, traurig oder ängstlich!

    Das tut er nie.

     Schließlich stehen da die schönen Worte über Maria: „Und seine Mutter behielt alle diese Worte in ihrem Herzen“. Sehr oft glaube ich, dass die frühe Gemeinde Maria als ersten Apostel sah. Sie hatte ihn geboren, ihn mit ihrem Körper beschützt, sie umfasste sein ganzes Leben.

   Was Maria getan hatte, sollten die Gläubigen künftig auch tun. Sie sollten sich erinnern an die Erzählungen vom Leben, die ihnen die innere Überzeugung vermittelte, dass Wut, Bosheit und Lüge ihn zwar umgebracht hatten – aber die destruktiven Mächte überwältigten ihn nie, denn das Leben, die Wahrheit, das Mitgefühl und die Freude hatten das letzte Wort, und die Menschen sahen einander, lebten zusammen und glaubten zusammen und bauten zusammen ein Haus, das wir Gemeinschaft nennen.

   Mögen wir wie Maria seine Worte bewahren in unseren Herzen, die Erzählungen über ihn bewahren, wenn wir gemeinsam leben und Haus und Gemeinschaft aufbauen! Amen.

Bischof Peter Skov-Jakobsen

Nørregade 11, DK-1165 København K

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