5. Mose 6,4-9

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Der eine Einzigartige | Reformationstag | 31. 10. 2025 | 5. Mose 6,4-9 | Eberhard Busch |

Höre, Israel, der Herr unser Gott, ist ein einziger Herr. Und du sollst den Herr, deinen Gott, liebhaben von ganzem Herzen, vom ganzer Seele, von allem Vermögen. Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du zu Herzen nehmen, und sollst sie deinen Kindern einschärfen und sollst davon reden, wenn du in deinem Hause bist oder auf dem Wege gehst, wenn du dich niederlegst oder aufstehst.                        

„Höre, Israel“. In diesem Aufruf sind vor allen Anderen die Juden angesprochen: Hört hin! Und in der Tat, sie hören. Diese Worte sind für sie, für Juden, ein Glaubensbekenntnis, in ihrer Sprache genannt: das „Sch’ma Jisrael“. Sie sind hier aufgefordert, Gott als den Einen anzuerkennen, neben dem es keinen Zweiten gibt. „Soli Deo gloria“, „allein Gott die Ehre!“, das ist auch bei Christen ein viel genannter Spruch. Und der besagt: Alle anderen Mächte, die man neben den Einen rückt, sind nicht Gott, auch wenn Menschen sie für göttlich ausgeben. Nein dazu! Eine Götterdämmerung sondergleichen findet hier statt. Menschen mögen den und jenen für gottgleich halten. Aber sie täuschen sich..

Nehmen wir es genau! Es handelt sich dabei um vergötzte Gestalten. Götzen sind angehimmelte, doch höchst irdische Erscheinungen, wenn nicht gar teuflische Mächte und Dämonen, die uns innerlich gefangen nehmen. Dem zu widerstehen, kann eines bösen Tages brandgefährlich sein. „Du, Gott, bist meine Zuversicht alleine, / sonst weiß ich keine“ – ein Pfarrer, der in den braunen Zeiten auf seiner Kanzel diese Lied-Zeile zitierte, kam deshalb ins Gefängnis. Trotz der Gefahr band sich 1934 die deutsche evangelische Kirche in ihrem Glauben an das eine Wort dieses Einen.

Höre Israel!“ Bei Manchen ist es jedoch so, dass sie am Übel der Schwerhörigkeit kranken, ja, eine satte Mehrheit ist davon betroffen. Gott redet, aber sein Wort stößt auf taube Ohren. Es ist klar und deutlich, was er sagt; doch für sie ist es wie in den Wind gesprochen, und so marschieren Zahllose glatt in die falsche Richtung. Da ist es ein richtiges Wunder, wenn es dazu kommt, dass ein Mensch spricht: „Rede HERR, dein Knecht, deine Magd hört“ (vgl. 1.Sam 3,10). Und man sollte darum bitten: Gott, öffne mein Ohr, ja „öffns meine Herzenstür, zieh mein Herz durch dein Wort zu dir.“

Es mag sein, dass man ziemlich einsam darum bittet. Im Alten Testament steht die Geschichte, wie der Prophet Elia sogar ganz allein einer Flut von Gefolgsleuten solcher Götzen gegenüber stand. Götzen sind zu allem auch noch populäre Figuren. Gott ist Einer. Götzen gibt es wie Sand am Meer. Wer hängt denn nicht sein Herz an Dinge, an Leute, die ihm sein Ein und Alles sind; dafür kann man sich regelrecht verkämpfen. Die Konkurrenz von Elia und den vielen Andren endet nicht in einem Patt. Sie endet so, wie es in einem Lied heißt, das in unsrem Gesangbuch steht: „Die falschen Götzen macht zu Spott. / Der Herr ist Gott. Der Herr ist Gott. / Gebt unsrem Gott die Ehre.“

Wer ist denn der eine Einzige? Keine spröde, sture Zahl 1! Das Sch’ma Jisrael sagt uns doch auch, wir dürften Gott „liebhaben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allem Vermögen“. Zur Liebe gehören Zwei. Wir lieben IHN, weil ER uns liebt. Mit ihm verbunden sein, das ist obendrein auch einfach schön, ist ein Vergnügen, ist lustig. Es gab einen Liederdichter, dem genau das eingeleuchtet hat, Johannes Scheffler, genannt Angelus Silesius. Sein Lied steht auch im Evangelischen Gesangbuch; darin heißt es, wie in einem flammenden Liebeslied, nun an Gott gerichtet: „Ich will dich lieben, meine Krone, ich will dich lieben, meinen Gott. / Ich will dich lieben ohne Lohne / auch in der allergrößten Not. / Ich will dich lieben, schönstes Licht, / bis mir das Herze bricht.“

Zudem ist auch dies zu sagen: Der Eine ist vielseitig. Er schließt Beliebigkeit aus, nicht Vielfalt. Der Eine ist reich, „ewigreich“. Wenn uns das klar ist, dann ist uns auch klar, wie er sich von den vielen Anderen abhebt. Ein Prophet im Alten Testament hat dazu eine erhellende Erklärung geliefert. Nach ihm stellt sich Gott so uns Menschen vor: „Der ich in der Höhe wohne und bei denen, die niedergeschlagen sind, damit ich sie aufrichte“ (Jes 57,15). Da hat Gott seinen Wohnsitz: in einer für uns unerreichbaren Höhe und zugleich ganz in unsere Nähe, dort, wo er sich der hart Bedrängten annimmt und wo er uns damit sagt: „Liebe deinen Nächsten“. Wir wissen erst, wie Gott zu lieben ist, „von ganzem Herzen“, wenn wir unseren Nächsten lieben so wie sonst uns selbst. Es gilt, beides zusammen im Blick zu haben: „Allein Gott in der Höh‘ sei Ehr‘ / und Dank für seine Gnade“ – nämlich die er seinen armen Kreaturen erweist. Unser Gott hat beides untrennbar zusammen-geschmiedet: sich selbst und unsren Mitmenschen. Niemand unterstehe sich, das zu trennen, was Gott zusammengefügt hat! Dies ist zuerst den Juden gesagt. Dies lassen wir Christen uns bitte von den Juden sagen.

In der Zeit des Nationalsozialismus lebte in Wuppertal ein junger Mann, auf bestem Weg, Pfarrer zu werden, Helmut Hesse. Der war den da Herrschenden und sogar seiner evangelischen Kirche ein Dorn im Auge. So sehr, dass er deswegen ins KZ Dachau kam und dort ermordet wurde. Was hatte er angestellt? Dies, dass er wie wenig Andere öffentlich darauf pochte: „Die Christen können das Erbarmen, von dem sie selbst leben, nicht schlimmer verspotten, als wenn sie die Juden verspotten, weil diese von Gott verlassen seien.“ Kurz, weil Juden das Erbarmen Gottes gilt, darum gilt es auch den Christen.

Auch uns, den Protestanten. Wir feiern heute das Reformationsfest. Was war die Reformation vor 500 Jahren? Eine Modernisierung des Christentums? Oder gar ein Hinterher-Hecheln hinter dem, was gerade up to date ist? Nein, das war sie nachweislich nicht. Und man sollte nicht so tun, als wäre es in ihr darum gegangen. Sondern sagen wir: die Reformation war eine Rückbesinnung auf das, was das Evangelium laut der Heiligen Schrift uns heute sagt. Es ging um ein Nachbuchstabieren dessen, was da zu hören ist. Ja. Hört es auch ihr Evangelischen! Oder findet sich einer oder eine unter uns, die darin schon ausgelernt haben? Die dabei schon übers Stottern hinausgekommen sind?: Soli Deo Gloria! Allein Gott die Ehre!

Es gibt den Satz: Die Kirche der Reformation habe sich immer wieder zu reformieren; also, die erneuerte Kirche habe sich stets neu zu erneuern. Sie hat den Schatz ihrer Botschaft nicht in einem Bank-Safe gelagert, um ihn unberührt etwa am Reformationstag dem Publikum vorzuführen. Vielmehr hat sie zu jeder Zeit aufs Neue zu lernen, wie das Evangelium, die frohe Botschaft lautet. Oder wie es jemand formuliert hat: Sie hat immer wieder mit dem Anfang anzufangen. Das ist nie eine schon erledigte Aufgabe. Und was uns da gegeben wird, ist ein flüssiges Kapital. Es ist uns gegeben zum Weitergeben an unsere Nachbarn, an unsere Nachfahren. Denn es darf auch bei uns nicht bis zum nächsten Jahr auf die lange Bank geschoben werden. Heute gilt‘s: „Frisch, Gesellen, seid zur Hand!“ (Friedrich Schiller)


verfasst von: Eberhard Busch