
Epheser 4,11-15
Pfingsten – Grund zum Jubeln? | Eph 4,11-15 | Pfingstmontag | 20.05.2024 | Andreas Pawlas |
Gott hat einige als Apostel eingesetzt, einige als Propheten, einige als Evangelisten, einige als Hirten und Lehrer, damit die Heiligen zugerüstet werden zum Werk des Dienstes. Dadurch soll der Leib Christi erbaut werden, bis wir alle hingelangen zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zum vollendeten Menschen, zum vollen Maß der Fülle Christi, damit wir nicht mehr unmündig seien und uns von jedem Wind einer Lehre bewegen und umhertreiben lassen durch trügerisches Spiel der Menschen, mit dem sie uns arglistig verführen. Lasst uns aber wahrhaftig sein in der Liebe und wachsen in allen Stücken zu dem hin, der das Haupt ist, Christus. (Nach Lutherübersetzung 1984)
Liebe Gemeinde!
Wo ist denn eigentlich das Pfingstliche in diesem heutigen Predigtwort? Wir sind doch heute am Pfingstmontag in den Gottesdienst gekommen, um zu feiern, und uns im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes wirklich zu freuen – und sei es mit Singen, Hüpfen und Spielen mit Jauchzen, Jubeln und Springen –
Aber was fällt da nun mit diesem Predigtwort über uns her? Das klingt doch alles tatsächlich nach nüchternen Ratschlägen zur Organisation der Gemeinde. Bitte, was sollte daran wohl pfingstlich sein und begeistern?
Aber vielleicht müssen wir uns jetzt einmal ein wenig zurücklehnen und Luft holen. Und da könnte es möglicherweise helfen, uns einmal an ähnliche Situationen zu erinnern, um auf diese Weise irgendwie Zugang zum Gehalt dieses Bibelwortes zu gewinnen.
Vielleicht ist da mein Versuch wirklich gewagt, Sie einzuladen, sich einmal an Ihren sechsten oder siebten Geburtstag zurückerinnern. Mir jedenfalls kommt da vor Augen, wie das allein beim Aufwachen war: Heute ist Geburtstag! Was für ein Tag! Großer Welt-Tag! Jubel mit dem ersten Augenaufschlag. Die Mutter am Bett! Die Geschwister dazu. Und sie singen alle. Und man möchte schon hüpfen und hinaus in den Garten und auf die Straße laufen, damit alles es wissen: Heute ist mein Geburtstag! Was für leuchtende Erinnerungen. Oder sicherlich hätte es doch jeder, der es nicht so erlebt hat, gern so gehabt.
Übrigens, wenn dann die Mutter weiter während des Aufstehens so einiges Anordnendes sagt: Was sollte daran schlimm sein, denn das muss eben so sein. Denn natürlich muss man sich morgens erst einmal anziehen und die Zähne putzen und die Haare kämmen. Aber wie sollte das die Freude stören können?
Und wenn es dann in die Schule geht, so muss das doch auch sein. Und wenn man dann in der Klasse gefordert wird aufzustehen, um das Geburtstagsständchen in Empfang zu nehmen, dann ist das doch einfach herrlich und gehört zu diesen schönen Tag. –
So, vielleicht reicht das nun schon, um heute am Geburtstag der Kirche passende Hintergrundbilder für unser Bibelwort in unserer Seele aufsteigen zu lassen.
Jetzt weiß ich nicht, ob man die Vergleiche allzu streng halten sollte, aber wenn beim Aufstehen des jubelnden Geburtstagskindes die Mutter etwas sagt zum Anziehen des Kindes, zum Zähne putzen und Haare kämmen, so könnte das ja möglicherweise mit dem Leitungsdienst der Apostel verglichen werden. Denn Jubeln mit Mundgeruch, wen mag das wohl zum Mitfeiern mitreissen? Und vor Freude springen mit allen Haaren in den Augen? Das könnte vielleicht zu unangenehmen Bauchlandungen führen.
Oder wenn wir uns in der Schule oder anderen ordentlichen Systemen von klugen Leuten, von Hirten und Lehrern, etwas sagen lassen dürfen, dann ändert das nichts an dem großen Tag. Und das frohe Geburtstagsständchen gehört dann eben auch dazu.
Allerdings jetzt halt. Denn nun kommt doch ein Unterschied zwischen Pfingsten und einem Kindergeburtstag: Denn beim Kindergeburtstag da feiern wir doch das Geburtstagskind, und allein das Geburtstagskind. Und das, das darf dann wirklich auch alles in vollen Zügen genießen.
Aber bitte, so, so kann das Pfingstfest doch nicht sein. Das Pfingstfest allein, um des Geburtstagskindes Kirche zu feiern, nur es selbst, sich selbst genug, selbstzufrieden und losgelöst von allem Anderen? Was wäre das für eine Kirche? Meine? Deine? Oder gehörten wir garnicht dazu, zu so einem selbstzufriedenenGeburtstagskind Kirche?
Jedoch: möglicherweise hilft jetzt ein Blick weiter, wie das bei uns Älteren und bei unseren höheren Geburtstagen ist. Wird da etwa genauso gefeiert und genossen wie bei einem Kindergeburtstag? Hand aufs Herz: Selbst wenn alle Gäste das so wollten, dass wir Älteren dann auch allein so gefeiert werden und alles in vollen Zügen so genießen dürfen, so ist es doch etwas anders. Denn geht nicht von uns Älteren- trotz aller guter Wünsche der Mitfeiernden – unser Blick in die Reihe der Gäste, um zu schauen, ob es allen auch wirklich gut geht? Und sinken wir schließlich am Abend nicht erst dann zufrieden ins Bett, wenn wir uns sicher sind, dass es an diesem Festtag in der Familie und unter den Freunden keinen Streit, keine Missverständnisse, keine Beleidigungen gegeben hat, dass es allen wirklich gut gegangen ist?
Und so kommen wir dann doch irgendwie zu einer Gemeinsamkeit von Pfingsten und Geburtstag. Denn beim Geburtstagskind Kirche und dem in ihr wirkenden Geist Gottes da kann es nicht allein um sie selbst gehen, sondern da zielt es doch auf uns Menschen, und dass es uns gut geht.. Und weiter soll es dann sogar darum gehen – wie es in unserem Bibelwort heißt. -, dass wir selbst zu Diensten zugerüstet werden.
Und jetzt kommt das Unbegreifliche, Pfingstliche und Begeisternde dabei: Wenn da auch einige für etwas hervorgehobene Ämter vorgesehen sind, da wird keiner als zu klein oder keiner als zu schwach angesehen, Gottes Geist zu empfangen und weiterzugeben. Wir dürfen darüber staunen, dass jeder unter uns sowertgeschätzt ist, dass Gottes Geist in sein Leben kommen will, dass jeder unter uns so wichtig ist, dass ihn der Geist Gottes erfüllen will. Was für eine aufregende Glaubenserkenntnis!
Und natürlich haben dann alle ihre Aufgaben: Eben die einen als Apostel, die anderen als Propheten, oder als Evangelisten, Hirten oder Lehrer. Wie und wo es eben nötig ist, damit Gottes guter Geist bezeugt werden kann, von Großen und Kleinen, von Armen und Reichen, von Gesunden und Kranken.
Aber keinesfalls um zu protzen oder zu prahlen, keinesfalls um andere klein zu machen oder wegzudrängen, keinesfalls um sich eigene Vorteile zu verschaffen auf Kosten anderer, sondern damit alle, eben alle Anteil haben an den guten Gaben des Hl. Geistes, damit alle froh und dankbar werden können, und gern teilnehmen an der Aufgabe Gottes Güte und Barmherzigkeit auf dieser Welt groß zu machen. Was ist das für eine große, fast übermächtige Aufgabe!
Nun gibt es dabei bestimmt Menschen, die sind ihr ganzes Leben so von ansteckender Fröhlichkeit getragen, dass es ein Lust ist, um sie zu sein, und an ihrem wunderbaren Glauben, an ihrer wunderbaren Begeisterung gern Anteil zu haben. Herrlich! Gott sei Dank!
Aber wie ist das mit uns normalen Menschen, die wir vielleicht gerade eben unseren Alltag bewältigen können, die wir etwa von Sorgen bedrängt sind und denen vielleicht Krankheit und Trauer den Schlaf rauben?
Doch bitte, denken wir noch einmal an das Geburtstagsfeiern von uns Älteren. Da waren wir doch nur wirklich zufrieden, wenn es allen Gästen auch wirklich gut geht. Und das, das ist doch nur ein schwaches Abbilddavon, dass unser Gott sich mit seinem Geist um uns kümmern und uns begeistern will. Ja, wie wunderbar sähe unsere Welt aus, wenn wirklich alle diese Gewissheit gerne weitererzählten und diese Freude teilten!
Aber nun wissen wir ja leider alle, dass die Welt heute übervoll ist, von ganz anderen Geschichten im Netz, Film, Funk und Fernsehen. Was bieten uns heutzutage etwa tolle Actionfilme für Spannung und Aufregung, oder was präsentieren uns gefühlvolle Serien für eindrucksvollen Geschichten und Persönlichkeiten! Und für so viele ist das alles viel viel fesselnder als Worte von Gott, vom Geist und von Jesus Christus. Die heutige populäre Welt erstrahlt eben fahl mit ganz anderen Geschichten, Bewegungen und Erzählungen, zu denen die Massen in großen Stadien dann jubeln und feiern.
Aber müssen wir uns deshalb etwa schlecht fühlen oder in die Ecke gedrängt? Keinesfalls! Denn schauen wir auf unser Bibelwort. Da wird uns heute genau deshalb mit auf den Weg gegeben, nicht unmündig zu sein und uns von jedem Wind einer Lehre bewegen und umhertreiben lassen durch trügerisches Spiel der Menschen, mit dem sie uns arglistig verführen. Und das, das ist keine grämliche Warnung, die uns Menschen keinen Spass gönnen will. Sondern sie nimmt nüchtern erst, wie belanglos das ist und schnell vergeht, was heutzutage die populäre Welt bewegt, während das Leben in der Fülle Christi Teil der Ewigkeit ist und damit Trost, Erfüllung und Vollendung.
Außerdem bitte nicht vergessen: Die genannten spannenden und gefühlvollen Filme, die gibt es nichtumsonst. Wir werden belustigt, weil wir es bezahlen. Politische Märchen werden erzählt, damit wir den entsprechenden Personen unser Stimmen geben. Auf manchen Internetkanälen sollen wir Influenzern folgen, damit wir bestimmte Produkte kaufen weil uns so das Geld leicht aus der Tasche gezogen werden kann.
Wie gut dagegen, dass da alles, was nach Gottes Geist geschieht, ganz anders ist. Denn Jesus geht mit uns und lenkt uns mit seinem Geist und macht uns froh, weil er uns barmherzig ist, und nicht weil wir ihm dafür Geld anbieten. Jesus schaut auf uns, und gibt sogar sein ganzes Leben hin, weil er uns lieb hat, und das, obwohl er so manche Brüche in unserem Leben kennt. Jesus will uns in die Fülle der Ewigkeit hineinziehen, weil er uns zugetan ist, obwohl er unsere Fragen und Zweifel kennt. Und das ist unbezahlbar!
Wie gut, dass auf diese Weise das, was nach Gottes Geist geschieht, nicht nach den Gesetzen unserer Welt geschieht, nicht nach Tausch und Bezahlung, oder nach Macht und Vergeltung, oder für wenig viel und für viele wenig. Nein, und wenn wir in Lumpen kommen müssten, und wenn wir in unserer Schwäche nur noch zu ihm kriechen könnten, und wenn wir uns vor Schuld und Scham nur noch verstecken müssten, Jesus wendet sich uns zu, erfüllt vom Geist der Liebe und will darum Dich und mich hineinnehmen in Geist und Begeisterung, weil das Gottes Liebe für uns ist, in die wir dann auch gern andere hineinnehmen, selbst diejenigen, deren Nase uns nicht passen.
Und genau darum heißt es ja zum Schluss: Lasst uns aber wahrhaftig sein in der Liebe und wachsen in allen Stücken zu dem hin, der das Haupt ist, Christus. Laßt uns dieser wunderbaren Heilsbewegung nicht entgegen stellen, sondern ihr froh und dankbar folgen – vielleicht sogar jubelnd, hüpfend, tanzend, wie das pfingstlich eben geschehen kann. Amen.
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Pastor i. R. Prof. Dr. Andreas Pawlas
Eichenweg 24
25365 Kl. Offenseth-Sparrieshoop
Andreas.Pawlas@web.de