Römer 15,4-13

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Alles Banane oder Durchbruch am Erwartungshorizont | 3.Advent | 15.12.24 | Römer 15,4-13 | Markus Kreis |

4 Denn was zuvor geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben, damit wir durch Geduld und den Trost der Schrift Hoffnung haben. 5 Der Gott aber der Geduld und des Trostes gebe euch, dass ihr einträchtig gesinnt seid untereinander, wie es Christus Jesus entspricht, 6 damit ihr einmütig mit einem Munde Gott lobt, den Vater unseres Herrn Jesus Christus. 7 Darum nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Ehre. 8 Denn ich sage: Christus ist ein Diener der Beschneidung geworden um der Wahrhaftigkeit Gottes willen, um die Verheißungen zu bestätigen, die den Vätern gegeben sind; 9 die Heiden aber sollen Gott die Ehre geben um der Barmherzigkeit willen, wie geschrieben steht: »Darum will ich dich loben unter den Heiden und deinem Namen singen.« 10 Und wiederum heißt es: »Freut euch, ihr Heiden, mit seinem Volk!« 11 Und wiederum: »Lobet den Herrn, alle Heiden, und preisen sollen ihn alle Völker!« 12 Und wiederum spricht Jesaja: »Es wird kommen der Spross aus der Wurzel Isais, und der wird aufstehen, zu herrschen über die Völker; auf den werden die Völker hoffen.« 13 Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes.

Durchbruch am Erwartungshorizont! Darauf warten Menschen, erst recht und besonders im Advent. Erwartungshorizont, ein nur wenig vertrautes Wort. Es dürfte vor allem Lehrkräften flüssig über Lippen und Ohren gehen. Wenn sich ein Lehrer eine Klassenarbeit ausdenkt, dann hat er einen Erwartungshorizont im Kopf. Sprich, er überlegt und definiert, was Punkte gibt. Was er als gültige Antwort zu den gestellten Aufgaben akzeptiert. Und als Antwort erwartet, vollständig zumindest von den besten Schülern der Klasse geschrieben.

Selbst wenn das Wort eher wenig geläufig ist: Jeder Mensch lebt mit einem Erwartungshorizont, mal mehr bewusst, mal mehr unbewusst. Nur dass er sich weniger die Antworten anderer auf seine Fragen vorstellt, sondern jeder gibt sich dann spontan eine Antwort auf die Frage, was in Zukunft sein wird. Und malt sich dann eine Veränderung aus, mal näher, mal ferner in der Zeit. Dass dann alles sich gleichbleibt, statt dass sich etwas ändert, das mag beim Ausmalen einer Zukunft vorkommen. Doch jede Malerin oder jeder Maler ahnt tief im Inneren, das sich mindestens das eigene Lebensalter bis dahin geändert haben wird. Manche lassen sich beim Ausmalen der Zukunft mehr von ihren Gefühlen leiten. Also von ihrer rosa Brille, von dem, was sie wünschen und erhoffen. Die Schwarzseher dann eher von dem, was sie befürchten und verwünschen. Andere sind beim Ausmalen mehr von dem bestimmt, was sie für von Verstand und Vernunft geleitet halten, also von Fakten und Tatsachen, die ihrer Ansicht nach die Welt bestimmen.

Mit dem Erwartungshorizont gibt es ein Problem. Manchmal kommt einem der nämlich ziemlich bleiern und verhangen vor. Statt dass da etwas geht – da tut sich ganz oft gar nix. Viele Schwarzseher warten mindestens insgeheim darauf, dass Verzweiflung schwindet und sich stattdessen Freude und Glück in ihrer Welt einstellen. Sie selbst sehen sich zu einer Änderung außer Stande. Statt dass so ein Lichtblick am Horizont in Sicht kommt, bleibt eine entscheidende Änderung jedoch aus. Andere Schwarzseher warten offen oder insgeheim, dass das Ende endlich anfängt und seinen Lauf nimmt – es ist eh unvermeidlich. Hauptsache Schluss mit dem ewigen Hin und Her, mit der Vagheit, dass endlich kommt, was kommen muss und wird: das Sterben oder die Scheidung oder die richtige Diagnose oder die schwache Beurteilung oder die schlechte Kritik oder das Geständnis, das sich bisher unter der Zunge verbarg. Man selbst zu schwach, überhaupt noch irgendwas hin zu kriegen. Statt dass sich da etwas in Gang setzt, bleibt der Horizont düster und verhangen, ohne Aussicht auf Änderung. Die mit der rosa Brille wiederum wünschen sich die ganze Welt Pretty in Pink, noch mehr Erfolg, Kurzweil, Freude und Glück als sie eh schon genießen. Doch woher nehmen?  Sie versiegen als Quelle neuen Glücks. Und das Pinkniveau stagniert, pretty vakant und monoton, verblasst von ferne. Ist doch alles Banane, das!

Menschen kommt der Horizont verschlossen vor und darunter leiden sie. Sich selbst sehen sie dabei außer Stande, den Horizont zu bewegen. Dann genügt vielen, wenn jemand etwas Verrücktes tut. Irgendeine Aktion! Die verschwenderisch ist, oder unsinnig oder unvernünftig. Oder sonst wie auffällig im Dresscode des Miteinander. Und vielfach geteilt wird. Wie zum Beispiel zu knapp sechs Millionen Euro der Kauf einer Banane mit Panzerklebeband, betitelt Comedian. Da tut sich was, das muss bedeutsam sein, eine entscheidende Änderung, Bewegung am Horizont. Inneres Aufatmen: Wenn schon ich mich zu so einer Änderung außer Stande sehe – jemand anderes ist endlich für mich in die Bresche gesprungen. Was für eine gute Überraschung! Umso mehr, wenn Mensch meint, dass von ihm alles ausgehen könne außer so einer Überraschung. Da tut sich was, das muss bedeutsam sein, eine entscheidende Änderung, Bewegung am Horizont. Egal, ob Mensch durch die rosa Brille oder einfach nur Schwarz sieht. So gesehen wundert mich das schon: Dass Geburt, Leben und Tod Christi als Durchbruch am Horizont heuer vielfach ignoriert oder gar verworfen werden. Dass die Bestauner von Justin Sun das so halten, das ist klar. Aber all die anderen! Es wird darüber räsonniert, wie unökonomisch die ganze Kaufaktion sei, das ganze Geld hätte man besser investieren können. Andere beklagen, wie vernunftlos der Kauf sei, da er die Leute von ernsthaftem Nachdenken ablenke. Oder wie sinnfrei, wahllos und willkürlich statt in der Tradition einer bestimmten Kultur stehend. Aber was für sie ein echter Durchbruch jeweils wäre, dazu schweigen all die Kritiker. Ob ihnen was Gescheites einfiele, wenn man sie danach fragen würde?

Hinzu kommt: Dieses Banane Kunststück ist nämlich alter Wein in neuen Schläuchen. Marcel Duchamp war vor gut über 100 Jahren der erste, der ein Gebrauchsgut in ein Kunstwerk zu wandeln wusste. Es handelte sich damals um ein Artefakt statt um ein Naturprodukt wie eine Banane. Es war ein Urinal, betitelt mit dem Wort Fountain, was Quelle oder Springbrunnen heißen kann. Viel Ruhm hat er dafür bekommen und damit zeitlebens auch ein Auskommen. Ich finde, das Herstellen eines gut gebauten und funktionierenden Gebrauchsguts in Massen ist auch eine Art Kunst. Was führe ich als Begründung an? Eine Gegenfrage, und die lautet: Ob die per Hand oder in Kleinserie gebauten Vorläufer so viel besser oder billiger waren? Geschweige denn genau so gut für quasi jeden verfügbar? Wäre die Welt schöner oder besser ohne solch in der Masse gebautes Gebrauchsgut? Abgesehen davon ist Kunst heute auch ein Massengeschäft. Ganz gewiss war es von Duchamps sehr einfallsreich, massenhaft gute Produktion mit Kunst in Verbindung zu bringen und viele andere mit dieser Sicht zu überzeugen. Er hat im Voraus gesehen, dass neue Technik die herrschende Grundlage für Kunst verändert Und also neue Formen aufruft und erzeugt, die verdienen, Kunst genannt zu werden. Ein Durchbruch am Kunsthorizont. Ob das auch für die Banane mit Panzerklebeband gilt? Zumindest zeigt sich da: Man muss nur genügend Abstand lassen, und Duchamps alte Idee funktioniert in neuem Gewand auch heute noch irgendwie.

Alte Ideen und Vorgänge neu aufmascheln. Wiederum frage ich mich: Warum klappt das bei Jesu Geburt oder Tod mit dem Durchbruch nur so schwerlich? Lange genug her ist das ja. Und hinterm Horizont geht´s weiter…, was kann da besser als Sinnbild funktionieren denn Tod und Auferstehung Jesu. Oder die Geburt Jesu nachts im Stall eines gottverlassenen Kaffs mit dubiosen, gerade obdachlosen Eltern, die von ihresgleichen ordentlich in der Welt rumgeschubst oder begafft werden. Ok, sie kriegen drei Likes von drei merkwürdigen Klugschwätzern. Im Gegenzug haben sie den Hater Herodes am Hals mit tausenden Anhängern, die um jeden Preis Säuglinge umbringen. Und trotz allem, das Kind kommt durch! Da zeigt sich doch eine Macht, die einen bleiernen Horizont ganz schön alt und vergänglich aussehen lässt. Das bestätigt einem zur Zeit fast jeder Syrer.

Stattdessen stand gerade eine Banane im Panzerband samt ihrem Käufer weltweit sehr hoch im Kurs: Justin Sun, ein Unternehmer in Sachen Krypto. Ob er für einige Sinnbild eines Durchbruchs am Horizont ist? Ein bisschen hat er ja mit Jesus gemeinsam. Beide ziehen zu ihrer Zeit Aufmerksamkeit auf sich, finden Bestauner und Anhänger. Jeder gibt die Macht aus der Hand, die ihn zu dem macht, was er ist. Bei dem einen ist das jede Menge Geld, beim anderen die Göttlichkeit. Ende Gelände, dann tauchen schon Unterschiede auf. Bei Jesus führte diese Entbehrung bis in den Tod. Obgleich Justin Sun sein Kunstwerk sogar verzehrt – die Kaufsumme wird kaum zum kompletten Verzehr seiner Geldmittel führen. Da muss er sich schon sehr blöd anstellen. Seine Bekanntheit steigt, und damit über kurz oder lang die Zahl von Menschen, die ihm Kredit geben oder Kredit bei ihm aufnehmen. Das lädt ihm noch mehr Geld auf die Konten. Eine Auferstehung ist eingepreist und kalkuliert. Was bei Jesus nach der Kreuzigung schlechterdings unabsehbar war. Ob die Leute das auch so sehen? Die Anspielung und den Unterschied? Und ob das ihnen was ausmacht oder sagt?

Völlig aus der Welt ist der Durchbruch des Himmels keinesfalls. Das zeigt sich am ganzen Budenzauber, der im Advent betrieben wird. Obwohl Jahr für Jahr meist das gleiche Einerlei aus Tannengrün, Glühweinrot und Bratwurstschwarz und immer weniger Menschen in der Kirche – diese Zeit zieht viele in einen Bann. Schauen in buntes, totes, bewegtes Licht. Als würden sie sich in ihrem Dusel aus Geschenk und Gefühl in aller Stille nach einem echten Durchbruch am Horizont sehnen. Nach einer Macht, die tatsächlich ihr Leben in Wahrheit ändert. Und die gibt es. Mit seinem Leben auf Erden hat Jesus hat uns dazu angenommen. Auch wenn die eine oder andere Änderung der Welt uns seinen wahren Durchbruch am Horizont vergessen lässt. Der wirkt für uns und in uns, egal ob Mensch rosa bebrillt, Schwarzseher oder Nixblicker ist. Amen.

Markus Kreis OStR

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