Hebräer 1,1-5; Lukas 2,1-14

· by predigten · in 03) Lukas / Luke, 19) Hebräer / Hebrews, Aktuelle (de), Anne-Marie Nybo Mehlsen, Aus dem Dänischen, Beitragende, Bibel, Christfest I, Deutsch, Kapitel 01 / Chapter 01, Kapitel 02 / Chapter 02, Kasus, Neues Testament, Predigten / Sermons

1.Weihnachtstag | 25.12.24 | Hebr 1,1-5; Lk 2,1-14 (dänische Perikopenordnung) | Von Anne-Marie Nybo Mehlsen |

Ein neugeborenes Kind vor Ewigkeit Gott …

Heute ist alles gebadet in Licht – im Licht vom Blick Gottes: Gott sieht heute auf uns mit dem Blick des Kindes aus seiner Krippe, sieht uns mit dem ganz offenen empfangenden Blick des Kindes, ohne Urteil oder Vorurteil, ohne Fragen, ohne Forderung – und damit stehen wir sogleich mitten in einem neuen Anfang.

Die Erzählung des Lukas von dem Kind im Heu im dunklen Stall hat in diesem Jahr einen besonderen Klang von Nähe. Unheimlich nahe klingen die Worte in einer Welt mit Krieg und Konflikt, wo Kinder auf der Flucht auf die Welt kommen und wohl auch in Lappen gewickelt und in Heu gelegt werden, oder was sie nun im Dunklen warmhalten kann.

Die Finsternis liegt über den Feldern der Menschen, und auch wenn wir wie immer unser Bestes tun, um die Weihnachtszeit aufzuhellen in vieler Weise mit Licht, Schmuck und Essen, brauchen wir die Hoffnung mehr als je zuvor.

Wir brauchen die Geschichte vom Kind im Stall und dem Gesang der Engel. Mehr als sonst hören wir auf den Gesang vom Frieden auf Erden und dem Wohlgefallen Gottes. Dieses Lied kann nicht für Tyrannen und Despoten gesungen werden, die nur Krieg und Leiden wollen.

Deshalb spricht der Engel Gabriel zu den Hirten auf dem Felde in der Nacht, der Gesang der Engel klingt für alle die Menschen, die keine große Macht haben, die aber alle an ihrem Ort dabei sind, im Alltag dem Frieden zu dienen. Die Hirten sind die Erwachsenen, die sich die Zeit nehmen, mit den Kindern zu spielen, die sich selbst zwischen der allzu schlimmen Wirklichkeit und den verletzlichen Kinderseelen gleich welchen Alters anbringen. Die Hirten sind die, die in der Weihnacht Wache halten, Wasser und Saft den Dürstenden bringen, bei den Kranken sitzen, dem Ängstenden über die Wange streicheln und den Einsamen an der Hand halten … Ja, du bist selbst sicher einer von den Hirten oder bist es einmal gewesen. Oft und in vieler Weise sind wir berufen, anderen zu helfen und zu dienen. Wir begegnen dem Kinderblick in den Augen des anderen Menschen – ganz gleich welchen Alters, und während wir einander helfen und dienen, sehnen wir uns nach dem Frieden der Weihnacht und versuchen, bei Gesang der Engel mit zu summen.

Einige werden sicher erwarten, dass die Engel mit Feuer, Strafe und einer neuen Sendung Waffen kommen, um aufzuräumen …

Andere werden vielleicht hoffen, dass der Engel mit den Farben des Regenbogens weht und uns alle in ewig liebende und sehr süße Einhörner verwandelt. Es ist nicht so weit vom Engel zum Einhorn – und Kinder sehen so viel mehr in der Wirklichkeit als die Erwachsenen sehen können.

Aber der Engel Gabriel hält an dem fest, was ist. Gabriel hält die Hirten auf dem Felde fest an den Verhältnissen und an Menschlichkeit – sie sollen die Hoffnung finden im Schmutz, im Stallgeruch und in der Unsicherheit. Mitten in dem, was die Lage der Menschen ist, kam die Liebe wieder in die Welt.

Wir sehen menschliche Körper und Tierkörper in einem Stall am folgenden Morgen, und ein neugeborenes Kind, das versorgt und beschützt werden muss. Maria wickelte ihn und legte ihn in das Heu der Krippe, so dass er nicht fror. Neugeborene Kinder werden gewickelt, vor Kälte geschützt in ihrer Nacktheit. Gott wurde Mensch mit einem Körper!

Gott selbst verlor sein Herz, und wickelte es in den kindlichen Körper und ließ die Hoffnung in der schlimmen Wirklichkeit emporwachsen.

Dass der Sohn Gottes wie alle anderen Menschenkinder in die Welt kam, beseitigt alle Vorstellungen, dass es der Wille oder die Strafe Gottes sei, dass das Böse in der Welt ist. Es ist nicht eine geschmückte Ausgabe von uns selbst oder ein besonders artiges „Weihnachtskind“, das Gott liebt. Wir sind es, so wie wir sind, Gott liebt mit einer Liebe, die bereit ist, alle Tage mit uns zu gehen. Nun begibt sich Gott selbst in die Lage der Menschen.

Und! Wenn das gesagt ist, Gott liebt uns auch, wie er ist. Da ist keine Gleichgültigkeit in der Liebe, keine laue Pause, wo die Aufmerksamkeit geschwächt ist, und deshalb werden wir verändert im Lichte des Blicks, der uns von dem Kinde in der Krippe begegnet.

Das Böse und die Finsternis sind Feinde des Lebens, die man bekämpfen muss, aber nicht mit irgendeiner göttlichen Atomwaffe, die nur alles vernichtet. Das muss geschehen mit der Behutsamkeit der Hoffnung und der Liebe. Das muss geschehen mit Menschenhänden und Menschengemüt. Das soll geschehen in all dem Wunderbaren, was Menschen ausrichten können: Wenn sie singen und musizieren in Untergrundbahnhöfen, die als Schutzraum dienen. Wenn sie Wunden verbinden und Frierende mit Decken versorgen, wenn sie Suppe verteilen, als sei es eine königliche Tafel. Wenn sie ihr Zuhause öffnen für fremde Vertriebene und ihnen Würde geben, indem sie mit ihnen rechnen und davon ausgehen, dass sie daran teilnehmen, das Gute aufzubauen,

Lebe damit, dass Gott an deinem und meinem Leben teilhat, dass seine Menschlichkeit bedeutet, dass er uns kennt. Er bekennt sich zu uns und verwirft uns nicht.

Das Kind tauscht unterwegs den Platz mit uns, Jesus tauscht all das Seine mit dem Unsrigen und verwandelt es. Die reinherzige Güte endete am Kreuz, und der Schrei Jesu wurde eins mit dem der Menschen – ein Schrei zu Gott.

Erst da ist Trost vorhanden für die Untröstlichen, und erst da ist Hoffnung für uns hier mitten in unseren eigenen Konflikten und den Konflikten der Welt.

Die neue Geschichte beginnt in einem Stall im Dunkel. Gott ist mit uns, und nichts Menschliches ist für ihn fremd oder vergeblich. Jedes Zeichen der Liebe, das wir geben, jeder Stein des Mosaiks der Liebe, mit dem wir beitragen können, ist für Gott aller Schmerz und ein Teil des Rohmaterials für die Vollendung in Gottes Hand – so wie die tausend Fragmente von gefärbtem Glas in einem Mosaik ein neues Gesamtbild bilden – und in der Kathedrale von innen wird alles gebadet in neuem Licht. Amen.

Pastorin Anne-Marie Nybo Mehlsen

DK 4930 Maribo

Email: amnm(at)km.dk