Römer 1,1–7

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Paulus: Diener – Apostel – Denker | Christfest II | 26.12.2024 | Röm 1,1–7 | Fritz Neubacher |

Ich liebe Lebensbeschreibungen, Biographien. Egal ob von großen Theologen, oder von Sportlern, oder von Kaisern und Wissenschaftlern – Männern und Frauen: Ich verschlinge sie… Besonders die mit vielversprechenden Untertiteln haben es mir angetan, z.B.: Augustus: Aufrührer – Herrscher – Heiland. Klingt doch vielversprechend, nicht? Oder: Abraham: Ahnvater – Vorbild – Kultstifter. Am schönsten ist sowas mit Alliteration: Petrus: Fischer – Fels – Funktionär.

Ich habe mich gefragt, ob man über das Leben des Paulus auch so eine klingende Überschrift drüberschreiben könnte?

Gut – für alle nicht so buchaffinen Menschen unter uns beginnen wir noch einmal anders: Wir alle kriegen viele, viele Emails, vor allem um die Weihnachtszeit. Unter dem Text gibt es oft eine Signaturzeile: Da steht, wer das schreibt, und was der ist. Manchmal ist das nicht nur eine Zeile, sondern es ist 10 x so groß wie der Inhalt der Nachricht. Aber der Sinn ist der Gleiche: Wer schreibt, und was ist der oder die.

Wenn der Römerbrief eine Email wäre – was würde in der Signaturzeile stehen?

Wir haben das Glück, dass Paulus im Römerbrief eine riesige Signaturzeile verwendet! Paulus schreibt den Brief selber, und liefert uns die Stichworte – zu seiner Bio, oder zu seiner Email-Signatur. Es sind 3 Stichworte – und ich lade euch herzlich ein, dass wir uns das in dieser Predigt genauer anschauen.

Bereit?

1. Ich, Paulus – Diener Christi

Ich habe noch sehr genau in Erinnerung, wie es war, als unsere jüngste Tochter nach dem Studium bei ihrer ersten Firma angeheuert hatte: Wir kriegten Bilder von ihrem Büro, und in ihrer ganzen Kommunikation darüber schwang Stolz mit. Die Botschaft war: Ich bin bei einer Super-Firma gelandet. Es ist ein Traum-Job, den ich habe, und ich habe vor, Großes zu leisten in diesem Team. Wir, Gabi und ich kannten die Firma gar nicht – und wir fühlten uns ein bissl schlecht deswegen. Wir machten uns kundig – und sind seither ebenfalls beeindruckt von diesem Unternehmen. Genauso müsst ihr das hören, was Paulus da schreibt: Ich, Knecht Jesu Christi. Wörtlich verwendet er: Sklave. Aber man spürt den Stolz, in diesem Team dabei sein zu dürfen! Ja, ich werde dem Chef – das ist Jesus Christus selber – wie ein Sklave vertrauensvoll gehorchen, ich werde viel zu arbeiten und leisten haben – aber ich freu mich darüber, und ich weiß: Das ist die größte Ehre, die einem passieren kann, zu diesem Team zu gehören!

2. Apostel der Völker

Was aber ist seine Rolle im Team? Das beschreibt er mit dem Titel: Apostel. Aber was genau ist ein Apostel? Man kann ganz einfach sagen: Das was im Himmel die Engel sind, sind auf Erden die Apostel: Sie sind Boten Gottes! Sie bringen die gute Nachricht von Jesus, dem Retter zu den Menschen. Auf diesen Titel war Paulus besonders stolz – und erpicht! Sein Apostel-Sein war nämlich nicht ganz unangefochten: Aus seiner, des Paulus Sicht war es so: Er wurde bei seiner Bekehrung – das war dieses Ereignis vor Damaskus, als er vom Pferd stürzte, erblindete, und bei dem der auferstandene Jesus mit ihm redete – er wurde bei diesem Geschehen nicht nur zum Glauben gerufen, sondern auch zum Dienst. Zum Aposteldienst. Und zwar zu einem ganz speziellen Aposteldienst: Petrus, Johannes, Philippus, und wie sie alle hießen, Frauen waren auch dabei!, die waren ausschließlich alle zu den Juden gesandt. Dagegen war sein, des Paulus Auftrag, das Evangelium zu den Heidenvölkern zu bringen! Paulus war ein Außendienstler – mit einem riesigen Rayon: Es war die ganze Welt, ausgenommen die Mitglieder des jüdischen Volkes. Das war seine Sicht der Dinge.

Unter den alten, ursprünglichen Aposteln gab es aber welche, die seine Sendung angezweifelt haben. Sie haben teilweise aktiv zu verhindern versucht, dass er sein Apostelamt ausüben konnte. Sie waren – seine Feinde.

Als Paulus den Römerbrief schrieb, war er grade in Korinth in Griechenland. Er war im Begriff, von dort aufzubrechen nach Jerusalem, zur Mutterkirche sozusagen. Gerade dort allerdings waren seine Gegner konzentriert. Im Gepäck hatte er eine ansehnliche Kollekte für die von Verarmung bedrohte Jerusalemer Gemeinde. Diese Kollekte hatte er in den von ihm gegründeten heidenchristlichen Gemeinden in Kleinasien und Griechenland gesammelt – und wollte sie jetzt abliefern. Aber: Wollten die die Kollekte überhaupt?

Im Judentum war gerade eine Diskussion darüber entstanden, ob Israeliten Spenden von Heiden annehmen dürfen. Der römische Staat bot nämlich Zuschüsse für den Opferkult am Tempel in Jerusalem – und es setzte sich eine ablehnende Haltung durch: „Von euch Heiden nehmen wir nichts!“ War die Haltung in der Bevölkerung in Jerusalem.

So. Jetzt kommt Paulus mit einem großen Packen Geld – von den Christen gewordenen Heiden – und will sie den Christen gewordenen Juden in Jerusalem schenken. Wie werden die reagieren? Nehmen sie das Geld – dann sind sie bei ihren Landsleuten als Freunde der Römer unten durch; nehmen sie sie nicht, dann gefährden sie die Einheit des jungen Christentums aus Heiden und Juden. Dann hätten die Gegner des Paulus gewonnen. Dann ist endlich klar: Er ist kein richtiger Apostel. Er ist… nichts.

Es steht viel auf dem Spiel für Paulus, aber vor allem für die junge, neue Glaubensgemeinschaft: bleibt die Gruppe der Christen eine kleine, innerjüdische Sekte, oder wird sie eine Weltreligion? Die Frage entscheidet sich auch daran, ob Paulus ein Apostel Christi ist.

3. Paulus, der Theologe.

Paulus schreibt zwar an die Christinnen und Christen in Rom, hat aber mit Sicherheit diese Problemstellung in Jerusalem im Hinterkopf. Manche Ausleger sagen sogar, dass er diesen Brief auch nach Jerusalem mitgenommen hat, um nicht nur die Heidenchristen in Rom, sondern auch die Judenchristen in Jerusalem von seiner Theologie zu überzeugen. Und um das zu schaffen, muss er ein kluger Theologe sein. Und das ist er!

Er stellt in dieser Signatur nämlich nicht nur sich vor, als Sklaven Christi, und als Apostel der Heidenvölker – er stellt auch Christus, seinen Herrn vor! Er tut das in einer wirklich genialen Art und Weise, die ihn als herausragenden Theologen ausweist. Paulus beschreibt nämlich Jesus als einen, der aus zwei Ursprüngen kommt: Einerseits ist er „aus der Wurzel Jesse“, ein Mann aus der langen Reihe der Nachkommen von König David. Das ist übrigens der Punkt, warum dieser Bibeltext hier an Weihnachten zur Predigt vorgeschlagen ist. Es ist an sich kein weihnachtlicher Text. Aber er sagt immerhin, dass auch Paulus – nicht nur Lukas und Matthäus – davon weiß, dass Jesus ein Nachfahre Davids ist. Und damit der von den Propheten ersehnte und angekündigte Messias.

Der zweite Ursprung des Jesus ist der göttliche: Er ist eine Person der Heiligen Dreifaltigkeit, kommt sozusagen direkt aus dem innersten Gottes selber. Gott von Gott. Licht vom Licht.

Das steht da jetzt einfach nebeneinander …und bewegt seither die Christenheit. Und weil ich ahne, dass ihr fragt, was das Bewegende sein soll – hier die Erzählung dazu:

Heute diskutieren wir, ob Jesus ein Mann sein muss, ob er nicht auch eine Frau gewesen sein könnte, oder divers vielleicht. Und das bewegt in Wirklichkeit – kaum jemanden. Im 5. Jahrhundert wurde darüber diskutiert, ob Jesus mehr menschlich oder mehr göttlich war. Ob er eine – nämlich: göttliche – Natur gehabt hat, und das Menschliche war sozusagen nur vorübergehend und vielleicht sogar nicht ganz echt; oder ob er wirklich und tatsächlich auch 100% Mensch gewesen ist? Und was mit seiner göttlichen Seite war, als er in der tiefsten menschlichen Tiefe steckte?

Und das diskutierten die Leute auf der Straße! In den Gasthäusern und Kneipen in Konstantinopel wurde heftig darüber gestritten! Die einzelnen Positionen und Lehrmeinungen wurden von namhaften Persönlichkeiten vertreten. Die bedeutendsten Oberhäupter der Streitparteien waren der Patriarch von Konstantinopel – das war die Reichshauptstadt des Ostens, der Patriarch von Rom, das war die Hauptstadt des gerade untergehenden Weströmischen Reiches; und der Patriarch von Alexandria: das war der lauteste – und nebenbei der, dem der oströmische Kaiser vertraute! Dieser, der Kaiser rief ein Konzil zusammen, um die Streitigkeiten zu klären – schließlich bedrohten sie die Einheit des Christentums! Für ihn war klar, dass auf diesem Konzil das Bekenntnis seines Favoriten, des alexandrinischen Patriarchen zur allgemeinen, kirchlichen Lehre über die zwei Naturen Jesu beschlossen werden sollte. Nur: soweit kam es nicht. Der Kaiser – Theodosius II – fiel blöd vom Pferd, und verletzte sich dabei so schwer, dass er wenige Zeit später starb. Seine ältere Schwester, die Nonne Pulcheria übernahm die Zügel in Konstantinopel, und die steuerte das ganze Geschehen auf einen Konsens zu, der auf der Synode, dem 4. Ökumenischen Konzil in Chalzedon 451 beschlossen wurde.

Er lautet – in Auszügen:

„Wir lehren Christus… in zwei Naturen, unvermischt, unverwandelt, ungetrennt, und unzerteilt…, wobei keinesfalls die Verschiedenheit der Naturen wegen der Einigung aufgehoben ist, vielmehr die Eigentümlichkeit jeder Natur erhalten bleibt und zu einer Person vereinigt wird.“

Ihr Lieben, eigentlich ist der Konzils-Text eine Auslegung der Verse 3 und 4 unseres Predigttextes! Die Konzilsverantwortlichen haben diesen Paulustext im Hinterkopf gehabt, und für ihre Problemstellung angewandt! Und damit – wieder einmal – die Einheit der Kirche gerettet!

So. Die Mail-Signatur des Paulus würde lauten:

Paulus, aus dem Mitarbeiter-Stab Jesu Christi, Gesandter zu den Heidenvölkern, theologischer Denk-Beauftragter. Oder als Überschrift über eine Paulus-Biographie: Paulus: Diener – Apostel – Denker.

Meine Fragen an uns Heutigen zum Schluss:

Was steht eigentlich in meiner Mail-Signatur? Was möchte ich denn, dass da steht? – und was steht in deiner Mailsignatur? Überlegt das mal in der Stille der Nachweihnachtszeit: Wer bin ich denn? Und was will ich?

Oder anders: Falls jemals jemand auf die Idee kommen sollte, eine Biographie über dein Leben zu schreiben: Wie würde der Buchtitel lauten? Oder vielleicht magst du ja selber eine schreiben. Eine Autobiographie. Wie lautet der Titel? Ihr wisst schon: Name plus 3 Begriffe. Am besten mit Alliteration.

Amen.


Rektor i.R. Fritz Neubacher

St. Georgen im Attergau, Ö

Email: Fritz.neubacher@aon.at

Fritz Neubacher, Jahrgang 1958, Pfarrer der Evang. Kirche A. B. i. Ö.; bis 8/23 Rektor des Werks für Evangelisation und Gemeindeaufbau, seither im Ruhestand.