
Epheser 1, 3-14
Trinitatis 18.6.2000 Epheser 1, 3-14 Frank Thomas Brinkmann |
Evangelischer Universitätsgottesdienst in der Apostelkirche, Unicenter Querenburg
Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit allen geistlichen Gaben im Himmel – durch Christus. Denn: IN IHM haben wir die Erlösung IN IHM sind wir auch zu Erben eingesetzt worden, IN IHM seid auch ihr, AMEN, liebe Gemeinde. Was sollen wir nun sagen? Gewaltige Worte brechen über uns herein, sprachliche Brocken türmen sich an, scheinbar verdichtet zu biblisch-frommer Rede, schwebend über unseren Köpfen und schwingend in unseren Ohren. Hinreichend geläufig zwar, doch schwer verdaulich: das blutige Erlösungswerk und die gnadenreiche Sündenvergebung, der geheimnisvolle Ratschluß und die evangelische Seligkeit – Sätze und Satzungetüme, die eine Aufgabe darstellen für die Wissenschaft. Gelobt sei Gott. So beginnt unser Predigttext aus dem Epheserbrief, so beginnen unsere Lieder: Gelobt sei Gott im höchsten Thron samt seinem eingebornen Sohn der für uns hat genug getan. – Großer Gott, wir loben dich, Herr, wir preisen deine Stärke. – Gelobet sei der Herr, mein Gott, mein Licht, mein Leben. Mein Schöpfer. Mein Vater. Mein Heil. Mein Trost. – Ich lobe meinen Gott, der aus der Tiefe mich holt, damit ich lebe. Ein Lob, das mehr ist als nur eine Feststellung von Taten, Wundern und Werken. Ein Lob, das sich nicht darin erschöpft, bekannte Begriffe und Lehren zu reproduzieren. Sondern: Ein Lob der Liebe. Machen wir doch einen kurzen Ausflug dorthin. Reden wir über die Liebe: Warum lobst Du mich?, fragte sie. Warum sagst Du: mein Schatz. Mein Reh. Mein Küken. Meine Blume. Meine Rose. Mein Herz. Mein Ein und Alles. ??? Ich kann es nicht sagen, nicht erklären. Kann das Gefühl nicht beschreiben, das ich empfinde, wenn du bei mir bist oder mir fehlst. Sind es Schmetterlinge oder ist es Bauchweh, da unten in meiner Magengrube? Ist es Unsinn, wie die einen sagen, reiner Stoffwechsel, schlichte Hormonausschüttung? Es ist was es ist, sagt die Liebe. Und für den einen ist es Duplo – für den anderen die längste Praline der Welt. Was empfindest Du für mich? Was ist das: Liebe? Liebe Gemeinde, Vorläufiges Ende des ersten Gedankens, Beginn eines zweiten: Warten wir noch mit der Antwort, und begeben uns in die Klosterkirche zu Neustift in Südtirol, Nähe Brixen. Ein Farben- und Formenmeer erwartet uns dort, zudem ein eigenartiges Licht, das sich in der glanzvollen rosa getünchten und sorgfältig mit Blattgold verzierten Innenkuppel zur Entstehung bringt. Bis in den letzten Winkel gefüllt ist die Kirche; mit Gemälden, Wandmalereien, Fresken, Skulpturen und Inschriften. Und wieder wird man versucht, tief Luft zu holen, alles auf sich wirken zu lassen, den Kopf empor zu recken und ergriffen zu verweilen. Kein Auge, das sich ausführlicher denn nötig an einzelnen Partien der Deckenmalerei abarbeitet oder länger vor einer einzelnen Statue innehält. Warum? Das Besondere wird nicht dadurch erfaßt, daß man die Teile einer Summe anschaut. Die Magie der alten Prager Bibliothek begreift nicht, wer die einzelnen Buchrücken inspiziert oder hier und da ein Werk näher betrachtet; und ebenso verblaßt der Zauber der Brixener Klosterkirche, sobald man versucht, ein Detail zu erklären, zu verstehen, zu erlesen. Es ist wie — mit Gott. Vorläufiges Ende des zweiten Gedankens. Liebe Gemeinde: kehren wir zu unserem Predigttext zurück. Wollen wir ihm zu Leibe rücken mit einem Seziermesser? Wollen wir ihn nun zerpflücken, nachdem wir die Bibliothek Am Stück und die Klosterkirche Aganz gelassen haben? Wollen wir seine einzelnen Teile verstehen, analysieren, mit unserem Sachverstand durchdringen? Wollen wir, die wir jede Umschreibung von Liebe begreifen, und uns jede gesprochene Liebeserklärung zu Herzen gehen lassen – ausgerechnet eine Lobes- und Liebeserklärung an Gott auf das Verständliche reduzieren? Geht es überhaupt um Verstehen? Ist es eine Frage des Intellektes, ob Gott geliebt und gelobt wird? Wäre es nicht viel größer und wunderbarer, wenn wir den Grund des liebevollen Gotteslobes kennen würden, – und aus der Tiefe unseres Herzens heraus in den Predigttext einstimmen könnten? Lassen sie uns einen anderen Weg gehen. Den der ersten Christenheit? Warum eigentlich nicht. Senken wir uns in diese Menschen hinein, die Jesus begegnet sind, ihrem Christus; sehen wir auf jenen wunderbaren, einzigartigen Mann aus Nazareth:Der es vermochte, Augen zu öffnen für die Schönheit des Lebens – sehet die Vögel unter dem Himmel und die Blumen auf dem Felde. Der Frauen und Männer aus den Tiefen und Untiefen ihrer verstaubten Lebensgeschichten emporhob zu einer unglaublichen Gewißheit: Euer himmlischer Vater weiß, was ihr nötig habt. Der Gestalten und Figuren zusammenholte aus Fischerdörfern und von Zöllnerbäumen – folge mir nach! Der ein neues Leben unter dem Himmel Gottes zusagen konnte, weil er selbst die Kraft dazu hatte bis zuletzt: In deine Hände gebe ich meinen Geist. Der eine immer größer werdende Schar mit hineinahm in seine Gottesgewißheit, in sein Gottvertrauen, in seine Zuversicht – so sehr, daß es für sie letztendlich feststand: Dieser Mensch ist Gottes Sohn gewesen. Der in ihrem Köpfen, in ihren Herzen blieb, als er schon fort war und sie dennoch riefen: Der Herr ist auferstanden, und er ist mitten unter uns, wo zwei oder drei …. ER und sein Vater sind eins. Der Geist der Wahrheit und des Trostes ist mit ihnen und von ihnen – und nun bei uns bis ans Ende aller Tage. Amen. Die Antwort brennender Herzen auf eine solche Erfahrung des unendlichen Geborgenseins in Gott, dem Vater Jesu Christi war ein Lied: Gelobet sei mein Gott, der Vater meines Hern Jesus Christus, der du mich gesegnet hast und segnest mit allen Gaben – durch Jesus Christus. Der Beginn unseres Predigttextes. Gotteslob aus dem Munde von Jüngerinnen, Aposteln und anderen. Und wir? Sind wir Jüngerinnen und Jünger? Sind wir Apostel? Haben wir schon einmal Gott in unserem Leben gespürt? So, wie wir die Liebe spüren und die Macht beeindruckender Räume, und zugleich unendlich weit darüber hinaus? Liebe Gemeinde, es ist ein Gefühl, das keine Beschreibung findet, die von Dauer bleibt. Es ist das tiefe Geheimnis, das die Einstigen ahnten, als sie sagten: IN DIR bin ich erwählt, erlöst, versiegelt und zum Erben gemacht. Das erahnen wir auch, wenngleich diese alten Worte immer rätselhafter und unverständlicher werden. Aber das ist nicht tragisch. Es sind nur die Worte, die in der Vergangenheit bleiben, nicht Gott. Denn Gott geht mit der Zeit. Weil er mit uns geht auf eine Weise, die uns übersteigt. Wie sagt es schon der Psalmenbeter: Gott ist bei mir; ich kann es nicht begreifen. Das ist mir zu hoch, zu wunderbar. Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer – Du würdest mich halten. Im Himmel, bei den Toten, in der Nacht – Du bist da. DU bist bei mir alle Tage bis an der Welt Ende, DU bist bei mir, ich bin geborgen IN DIR, Gott, du Vater Jesu Christi, du Gott Jesu Christi, Du, Jesus Christus selber. Du Ganzheit aus Vater, Sohn und Heiligem Geist, dessen Teile ich nicht verstehen kann und will, ebensowenig wie ich ein Buch aus der Prager Bibliothek oder eine Skulptur aus der Neustift-Kirche verstehen möchte. Es wird mir ewig Rätsel und Geheimnis bleiben, Gott, wer Du bist. Aber eines – das weiß ich sicher: Wer Du für mich bist: Ich blicke zu dir hoch, Du mein Vater, Du Vater Jesu Christi, und danke Dir für mein Leben. Ich sehe Dich mit Freuden an, Du Jesus aus Nazareth, als Krippenkind und Schmerzensmann, und weiß: Du bist mein Christus, und ich bin MIT DIR geborgen. Ich spüre Deinen Geist wehen, du Begeisternder und Tröstender, und ahne, wie sehr ich Kind Gottes bin. Ich vertraue mich Dir an. Gelobet seist Du. Dich will ich anschauen, preisen und lieben. Dich, nicht die Sätze, Dich, nicht die Phrasen, Dich, nicht die Weisheiten dieser Welt, die klugen Begriffe, die dazu dienen, etwas begreifbar und begrifflich zu machen, was nicht begriffen werden kann. Ich bete an die Macht der Liebe, die sich in Christus offenbart. Liebe Gemeinde, es ist Doxologie, keine Dogmatik. Loblied, nicht Logik. Dankbarkeit, nicht Wissenschaft. Liebe Gemeinde: wir sind IN IHM. Geborgen, gehalten, getröstet, bewahrt. Gerettet, bejaht, beschenkt, gesegnet. IN IHM. Eine geschriebene Tatsache? Eine Weisheit? Eine Erkenntnis? Wer kanns mir sagen? Nur Menschen, die es wissen und bewegen in der Tiefe ihres Herzens, die es fühlen wie Maria und Johannes und Paulus – und wir. Und wenn uns dieses geheimnisvolle, aber doch sichere Gefühl, dieses Gefühl der Gewißheit, dieses Gefühl der Glaubenden nicht verläßt, kann es sprudeln und fließen, kann aus dem Herzen hervorquellen wie ein lebendiges Wasser und zu einem neuen Loblied der neuen Gottesliebe werden. Auf zu solchen Liedern und Worten: Gelobet sei mein Gott, meine Liebe. Licht. Leben. Schutz. Trost, Kraft, Rat und Hilfe. Gelobt sei Gott – in Ewigkeit. Wir sind sein Eigentum. AMEN PD Dr. Frank Thomas Brinkmann, Pfarrer |