Hebräer 13, 12-14

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Draußen vor der Tür | Predigt zu Hebr. 13, 12-14 | Sonntag 6. April 2025 | Eberhard Busch |

Jesus hat außerhalb des Tores gelitten, um durch sein eigenes Blut das Volk zu heiligen. So lasst uns nun zu ihm vor das Lager hinausgehen und seine Schmach tragen! Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.                                                                                                               

Wenn Bibeltexte schwerverständlich sind, helfen uns andre Bibelstellen auf die Sprünge. So ist es hilfreich, wenn wir zum Verständnis des verlesenen Textes den Bericht über die Kreuzigung Jesu in den Evangelien daneben legen. Dort hören wir, dass in dieser gefährlichen Stunde alle seine Jünger das Weite suchen, nur weg von ihm! weg mit dem Kreuz! Wer hört davon schon gerne! Aber man schüttle seinen Kopf nicht zu voreilig über diese treulosen Kumpanen. Das Sprichwort sagt: „Wenn das am grünen Holz geschieht, was wird erst noch am dürren Holz geschehen?“ Also, wenn selbst die Jünger Jesu sich so mies verhalten, was ist dann erst von unsereins zu sagen! Sind denn auch wir feige?

Aber nein!, zunächst eine Ausnahme gibt es. Wir kennen seinen Namen: ein Simon von Kyrene, in Libyen beheimatet und, jetzt beschäftigt in Jerusalem. Solcher Grenzverkehr war in den friedlicheren Zeiten gang und gäbe. Bevor Simon von der Arbeit heimkommt, will er geschwind noch Zuschauer sein bei dem, was sich auf der Straße draußen vor der Stadt soeben abspielt. Da sieht er einen mit Namen Jesus, der aus Nazaret stammt, bald an der Grenze zum Libanon. Der bricht unter der Last eines Kreuzes zusammen, an das er gleich fixiert werden soll. Und ehe sich Simon versieht, ist er hineingezogen in das, was sich vor seinen Augen zuträgt. Er wird genötigt, dem Fremden beizustehen, dem. der das bitterschwere Kreuz trägt. Er will nicht, aber er muss. So ist aus dem müßigen Zuschauer ein mittragender Teilnehmer geworden. Er kann sich diesen Lasten-Träger nicht mehr vom Hals halten.

Im Licht der Erinnerung an diesen Simon öffnen sich uns die drei Verse im Hebräerbrief. Hören wir sie noch einmal: „Jesus hat außerhalb des Tores gelitten, um durch sein eigenes Blut das Volk zu heiligen. So lasst uns nun zu ihm vor das Lager hinausgehen und seine Schmach tragen! Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“

Der Finger wird hier vor allem Weiteren darauf gelegt, dass Jesus an eine Stätte geführt wird „außerhalb des Tores“, des Stadttores der Heiligen Stadt. Dorthin gelangt er, wo es unheilig zugeht, gefährlich, weil man da umkommen kann, in einer Nacht der langen Messer. Während seine Jünger sich wegducken, schleppt sich ihr Anführer mit letzter Kraft hin zu diesem unheiligen Bezirk. Das ist der Weg Gottes: er führt hin zu denen, die draußen sind, „Draußen vor der Tür“, wie der Titel eines erschreckenden Schauspiels heißt, das 1946 in vieler Munde war. Jesus – draußen, nicht drinnen. Verstoßen, nicht akzeptiert, weggeworfen wie Unrat. Ach, abgewiesen wie ein so genannter iIlegaler Asylant

Und wo sind jetzt die Nachfolger Jesu? Es fällt auf, dass hier nicht von ihrem Versagen die Rede ist. Vielmehr wird das noch Wichtigere gesagt, dass Jesus in seiner Hingabe das Volk geheiligt habe. Das heißt: Er weiß etwas mit den Versagern anzufangen. Er nimmt sie daher in Schutz, so wie Gott es einst den Israeliten tat, als er sie hieß, ihre Haustüren mit Blut zu bestreichen. Das galt als Zeichen, um sie vor Unheil und Verderben zu bewahren. Und jetzt gibt sich Jesus mit seinem eigenen Blut und Leben dafür her, Versager vor dem Ruin zu schützen  Und so hat er all die, die ihn verlassen haben, nicht verlassen, hat sich ihnen nicht versagt und hat den vielen, den Zuschauern, die sich für gut halten, aber nicht gut sind, – er hat ihnen, weiß Gott, nicht mitgeteilt, was ein sächsischer Fürst einmal zu den ihm Anbefohlenen sagte „Mach euren Dreck alleene!“ Nein, Er lässt sie nicht los, lässt sie nicht links liegen, überlässt sie nicht sich selbst, auch wenn sie wie jener Simon lieber Zuschauer bleiben wollen.  Er schützt sie sogar vor sich selbst. Und so erzieht er sie, zieht sie heran. So werden sie seine Helfer, selbst wenn sie sich als dafür ungeeignet einstufen. Sie wollen, aber sie können sich nicht dagegen wehren. Er hat sie mit Beschlag belegt. Sie, „das Volk“!  Alle will er brauchen in seinem Dienst, bei weitem nicht bloß den Simon. Den zuerst, aber es finden sich Weitere, Viele, die tun, was der tat. Es kommen Junge und Alte, Männer und Frauen, die dem Kreuzträger an die Seite treten. Ein jeder, eine jede ist berufen, sich ihm anzuschließen.                                                                                                                    Ihm nach haben sie zu folgen. Wohin? Nach draußen. Dahin, wo es mulmig wird. Hinaus aus ihrer guten Stube, hinaus aus der geruhsamen Sesshaftigkeit, hinaus aus maroden Gewohnheiten – hinaus! und wenn ihnen dabei ein Sturm ins Gesicht weht! Gerade dann ist er ihnen nah und sind sie ihm nah. Dann bekommen sie etwas ab von dem, was ihm auferlegt war. Wie es unser Bibeltext ausdrückt: Dann haben sie „seine Schmach zu tragen“. Als seine Nachfolger kommen sie nicht umhin, dass auch ihnen etwas auferlegt und abverlangt wird, einiges, das sie aushalten und ertragen müssen, einiges, bei dem sie sich zurück sehnen nach der guten Stube. Jedoch ist ihnen das jetzt verwehrt.

Denn da sind so manche, die auch draußen sind, abgeschoben, so manche, die nicht hereingelassen werden. Denen die Hand zu reichen, das wird nicht populär sein. Aber uns ist heute gesagt, was seinerzeit ein biblischer Prophet sagte: „Die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus“ (Jesaja 58.7) Dabei wird‘s manchem heiß, kommt ins Schwitzen, oder manche gelangen in eine Kälte, in der es ihnen friert. Da geratet ihr in Verbindung mit solchen, die nicht auf Rosen, sondern auf Dornen gebettet sind. Ihr seht hier manche, die übersehen sind, vergessen, heimatlos umherirrend. Die sind draußen. Aber auch wenn sie es selbst nicht wissen, sind sie die Geschwister des Einen, der sich für die Verstoßenen verausgabt hat, und darum sind sie auch eure und unsere Schwestern und Brüder.

Und das bestimmt unser ganzes gegenwärtiges Leben. Wir sind unterwegs. Wo immer wir hingehen, wir sind hier nirgendwo echt daheim: „Ein Tag, der sagts dem Andern, ein Leben sei ein Wandern.“ Noch sind wir in der Zeit, in der wir zu beten und zu arbeiten haben. Wir schmecken und schlucken dabei etwas von dem, was dem widerfuhr, der uns vorangeht. Nicht nur ich: „Wir haben hier keine bleibende Stadt …“. Doch wir taumeln dabei nicht ziellos hin und her. Zusammen suchen wir die zukünftige Bleibe. In dieser Bleibe sind alle nicht mehr draußen, sondern drinnen. In dieser Bleibe ist keiner mehr abgewiesen als illegal, sondern angenommen. Da sind wir alle nicht mehr unterwegs, sondern angekommen. Bekommen Bleiberecht. O, geschähe es heute schon!.

Hören wir zuletzt einen Liedvers, der gedichtet ist von einem Lehrer, der einst in Nürnberg lebte, Sebald Heyden. Er fasst zusammen, worauf unser Predigttext uns aufmerksam macht: „Lasst uns doch Christus dankbar sein, / dass er für uns litt große Pein / und seinem Willen leben./ Auch lasst uns sein der Feindschaft Feind, / weil Gottes Wort so hell uns scheint, / Tag und Nacht darnach streben, / die Lieb erzeigen jedermann, / die Christus hat an uns getan.“