
Jesaja 50,4-9
Gute Miene zum bösen Spiel: Wasch mich, aber mach mich nicht nass! | Palmsonntag | 13.04.2025 | Jes 50,4-9 | Markus Kreis |
Die Leute wollen einen echten Wechsel! Eine neue Zeit soll anbrechen! Vorbei mit ruhig bleiben und `ne Tasse Tee trinken. Nicht allein der Kanzler – Vertrauen verloren allerorten: die Fische das Vertrauen verloren ins Wasser. Der Fischer ins Netz und sein anderes Zeugs, der Fischkoch in den Fischgrossist, der Kunde in den Wirt des Betriebs. Jeder scheint jedem nur noch eine einzige Zumutung und Gefahr. Deshalb Wahlen vorgezogen, neue Regierung in die Gänge gebracht. Die Leute wollen einen Neuanfang, einen echten Wechsel. Weg mit den fremden Kräften, weg mit den oberen Zehntausend, die mit denen da gemeinsame Sache machen. Beim Einzug Jesu in Jerusalem zeigt sich ähnliches: Genug von Römern und den eigenen Obleuten mit Schwert oder Buchrolle, die mit den Genannten gemeinsame Sache machen. Eine Wahl mit Stimme und Mund. Gut, statt eines roten Teppichs wird dem Favoriten ein grüner ausgerollt, aus großen Palmwedeln, die den Dreck des Stadtwegs vor ihm gnädig bedecken. Leute strömen immer wieder an den Rand der Stadtstraße, geraten ins Tanzen und Lachen, Zuruf und Gesang. Ein Volksauflauf, den man heute weniger aus der Politik kennt. Wenn einer „Friedrich…“ in die Menge riefe, würde kaum ein lautes „…Merz!“ skandiert werden, eher noch „der Große!“ Bei „Thomas…“, klappt das, „…Müller!“, ruft die Menge mehrfach. Vielleicht auch besser so, wenn ein Wechselchor auf Sport und anderes Freizeittun begrenzt ist. In Erfurt mag das bei Willy bei Brandt in Ordnung gewesen sein. Aber „…Heil!“ möchte hoffentlich niemand mehr auf „Sieg“ skandieren. Damals in Jerusalem hieß es jedenfalls „Jesus…“, darauf erschallte ein „…König!“. Statt einer beflaggten Karosse mit viel PS ein Eseltier, mit einer Prachtdecke aus Kleidern auf dem Rücken. Und wenn das sein Iii und Aaa schreit, kann der Esel es mit Lautsprechern aufnehmen, die sich auf den LKW bei Love Parade oder CSD türmen.
Die Leute wollen einen Neuanfang, dass eine andere Zeit anbricht. Die kleinen und dicken Fische wollen wie ein Fisch im Wasser leben, brauchen es also schön tief, angemessen temperiert und richtig sauber. Der Fischer will gute und neue Netze und neue Methoden anwenden dürfen, der Fischkoch will pünktlich nur allerbeste Ware zu einem günstigen Preis vom Großhändler, der Gast will sich als Kunde wie ein König im Betrieb des Wirtes fühlen. Ja, die Leute wollen einen echten Wechsel, ein neues Zeitalter. Aber möchten sie den Preis dafür zahlen? Was da alles über die Abmachung der neuen Koalition zum Ausdruck kommt! Einigen Fischen ist das Wasser immer noch zu flach, zu warm und zu dreckig, andere schwimmen darin hin- und her, auf und ab, finden es wohl temperiert und sauber genug. Einigen Fischern hat das Netz immer noch zu viele Löcher, und überhaupt, das Schleppnetz zu verbieten! Andere finden die neuen Netze zuerst mal ganz okay, und alles Neue auf einen Schlag, das gibt eh nur Durcheinander. Vielen Fischköchen stinkt der Fischgrossist vom Kopf her, einige wiederum sind zufrieden mit dem neuen Gefüge von Preis und Erzeugnis. Viele Verbraucher sehen sich wieder mal nur als kleine Fische am Ende der Liefer- und Nahrungskette des Wirts, einige sehen sich als König Kunde im Haus des Wirtes jetzt ernst genommen. Ein großes WWW Portal titelte zu diesem Befund so was wie alter Wein in neuen Schläuchen, die bald wieder platzen würden – in dem Fall ohne die Sprache der Bibel zu verwenden.
Erneut steht Stillstand im Raum wie verschlammtes Brackwasser, das langsam gärt und vor sich hin faulen wird. Zu viel Verzicht für viele, die mehr Entbehrung auf sich oder mehr Anstrengung unternehmen sollen, mehr abgeben oder weniger bekommen sollen. Viele scheuen den Preis, den ein echter Wechsel kostet, der für einen Neuanfang zu entrichten ist. Die Sache scheint recht verfahren, wenn die Verantwortung so hin und her geschoben wird. Wasch mich, aber mach mich nicht nass. Einerseits sind die Leute es müde, in dieser selbst gemachten Zwickmühle zu stecken. Andererseits bleibt Mensch immer wieder darin stecken, statt sich da heraus zu winden. Sogar wenn Mensch die Lage erfasst und die eigens verursachte Blockade erkennt. Kein Entkommen aus dem Schlimmassel. Es fällt uns schwer, auf unseren Anteil an Macht oder an gutem Leben zu verzichten. Dazu müsste ein jeder aus freien Stücken hart gegen sich selbst sein. Sich selbst mehr zutrauen und zumuten. Das scheint aber kaum zu passieren.
Merkwürdig: Wenn Unglücke wie Hochwasser oder Unfälle Menschen dazu verurteilen, dann geht das wider Erwarten recht gut. Kennt man ja aus der Geschichte; auch der Lebensgeschichte von Teilen der Familie oder von guten Freunden. Leider fällt Verzichten in guten, normalen Zeiten, ohne dass eine größere Not von außen Druck macht, gern unter den Tisch: Aus freien Stücken Härte gegen sich selbst zugunsten Bedürftiger. Und es scheint, als ob Menschen das Schlimmassel unbewusst auf die Spitze treiben. Das Hochwachsen der Spirale selbst betreiben oder geschehen lassen, ohne dagegen zu wirken – Hauptsache, es kommt der große Knall oder Bruch, der daraus befreit, mögen die Folgen dann noch so dunkel und fürchterlich sein. Blind für Verletzung, Sterben und Tod, selbst wenn Mensch mit hohem Prozentsatz selbst getroffen sein wird. Auf Verzicht verzichten, bis die totale Entbehrung mit der Tür ins eigene Haus fällt. Nur damit das eigene Leben weiterhin sanft mit dem Samthandschuh angefasst wird. Die Menschen sind es offen oder heimlich müde, dem Widerspruch in ihnen kaum entrinnen zu können.
Gut, dass Gottes Geist im Menschen solch Müden einen Ausweg weist. Mit dem er sie hart gegen sich macht, damit sie für Bedürftige wohltuend wirken können. Hören wir beim Propheten Jesaja, wie er in und aus einem Menschen spricht:
4Gott der Herr hat mir eine Zunge gegeben, wie sie Jünger haben, dass ich wisse, mit den Müden zu rechter Zeit zu reden. Er weckt mich alle Morgen; er weckt mir das Ohr, dass ich höre, wie Jünger hören. 5Gott der Herr hat mir das Ohr geöffnet. Und ich bin nicht ungehorsam und weiche nicht zurück. 6Ich bot meinen Rücken dar denen, die mich schlugen, und meine Wangen denen, die mich rauften. Mein Angesicht verbarg ich nicht vor Schmach und Speichel. 7Aber Gott der Herr hilft mir, darum werde ich nicht zuschanden. Darum hab´ ich mein Angesicht hart gemacht wie einen Kieselstein; denn ich weiß, dass ich nicht zuschanden werde. 8Er ist nahe, der mich gerecht spricht; wer will mit mir rechten? Lasst uns zusammen vortreten! Wer will mein Recht anfechten? Der komme her zu mir! 9Siehe, Gott der Herr hilft mir; wer will mich verdammen? Siehe, sie alle werden wie ein Kleid zerfallen, Motten werden sie fressen.
Selbst redend bittet und hofft der Verfasser dieses Textes, dass Gottes Geist in und aus ihm spricht. Als Teil der Kirche in der Welt und in der Kirche Härte gegen sich selbst aus freien Stücken zu predigen, das ist eine gewagte Sache. Das dürfte einigen Widerspruch aufrufen. Wahrscheinlich gibt es Leute, die ob der inneren Blockade müde sind, das aber unterdrücken und abstreiten. Oder welche, die sich für alles andere als wie beschrieben müde fühlen, sondern als erfolgreich, tatkräftig und voller Zuversicht. Vielleicht ärgern sich einige davon, und zwar so sehr, dass sie zurückschlagen, indem sie schmähen, beleidigen oder sonst wie Klage erheben. Das lässt mich trotzdem unbeugsam zum Gesagten stehen, hoffentlich, anstatt ausfällig zu werden oder zurück zu rudern. Ich glaube – Gott helfe meinem Unglauben –, dass diese meine Fassung einen Kieselstein in sich trägt und bewahrt, dem es wie damals David gelingt, den starken Goliath in seiner Rüstung zu überwinden. Sprich die Einsicht solcher unmüden Leute langsam zu ändern. Zum anderen glaube ich, dass die Sätze bei den in ihrer inneren Blockade echt Müden Gehör finden. So dass diese dann irgendwie und irgendwann sich zur nötigen Härte gegen sich bewegen und dann wohltuend auf Bedürftige wirken, selbst wenn sie dabei auf eigenen Bedarf und liebe Gewohnheit verzichten. Amen.
Markus Kreis
Kapellenstraße 36
D-69469 Weinheim
markus_kreis@web.de