Jesaja 25,6-9

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„Der Tod wird vernichtet, und die Tränen werden abgewischt sein!“ | Ostermontag | 21.4.2025 | Jesaja 25,6-9 | verfasst von Dr. Rainer Stahl, Erlangen |

„Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus,

die Liebe Gottes

und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes

sei mit Euch allen!“

Liebe Leserin, lieber Leser!

Liebe Schwestern und Brüder!

An den Anfang stelle ich eine eigene Übersetzung unseres heutigen Predigttextes:

  1. 6aα „Und es wird bereiten Jahwe Zebaoth allen Völkern auf diesem Berg
  2. 6aβ ein Gastmahl reich an Fett, ein Gastmahl mit ausgegorenen Weinen,
  3. 6bα mit markigen Fettspeisen,
  4. 6bβ mit dekantierten Hefeweinen.
  5. 7aα Und er wird wegschaffen auf diesem Berg
  6. 7aβ die Oberfläche der Hülle – der Hülle auf allen Völkern –
  7. 7b und die Decke, die auf alle Völker gedeckt ist.
  8. 8aα Vernichtet hat er den Tod für immer
  9. 8aβ und der Herr Jahwe wird abwischen die Tränen von allen Angesichtern,
  10. 8bα und die Schmach seines Volkes wird beseitigt werden von der ganzen Erde,
  11. 8bβ denn Jahwe hat es gesagt.
  12. 9aα Und man sagt an diesem Tag:
  13. 9aβ »Siehe, dieser ist unser Gott. Wir hatten auf ihn gehofft, dass er uns hilft.
  14. 9bα Dieser ist Jahwe, auf den wir hofften.
  15. 9bβ Lasst uns jubeln und fröhlich sein über seine Rettung / über sein Heil!«“[i]

Sicher werden Sie viele Assoziationen beitragen können. Ich benenne nur zwei: Die Bergkirchweih in Erlangen immer um Pfingsten herum, in diesem Jahr vom 5. bis zum 16. Juni. Das Oktoberfest auf der Theresienwiese in München, in diesem Jahr vom 20. September bis zum 5. Oktober, das auf die Hochzeit von Kronprinz Ludwig von Bayern mit der evangelisch-lutherischen Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen im Jahr 1810 zurückgeht[ii]. Sicher fallen Ihnen ganz andere Volksfeste oder „Kirchweihen“ ein – fränkisch gesagt: „Kärwas“. Da ist man in begeisternden Gemeinschaften mit Bekannten und ganz Unbekannten. Da lässt man es sich gut sein und freut sich dann schon auf die „Kirchweih“ des nächsten Jahres.

Aber eine Herausforderung, eine Überraschung hält unser vielleicht 2.700 Jahre altes Bibelwort für uns bereit: Die auf uns liegenden Hüllen und Decken sollen dabei aufgedeckt, weggetan werden, dass wir endlich Durchblick haben werden. Ich verstehe also dieses „Wegschaffen der Hülle, der Decke“ als eine Befreiung, die es uns ermöglicht, die Wahrheit Gottes zu erahnen. Ich verstehe dieses „Wegschaffen der Hülle, der Decke“ nicht als Entblößung von uns, dass wir schutzlos vor anderen stehen würden. Aber, dass Gott uns „ins Herz sieht“, dass wir vor ihm keine Geheimnisse haben, ist ja ein befreiender Glaube: Wenn wir unser Gegenüber „Gott“ nennen, dann meinen wir, dass er die Macht darstellt, vor der unser Wesen zu unseren Gunsten offen liegt!

Wenn ich richtig informiert bin, begegnet uns diese so ambivalente, so merkwürdige Hoffnung nur hier, nur in dieser Überspitzung. Dazu müssen wir eine ähnliche Aufnahme dieser Vorstellung beachten, die wir dem Apostel Paulus verdanken: In seinem zweiten Brief an die Gemeinde in Korinth hatte er eine ganz spezifische Vorstellung zur Sprache gebracht: Dass nämlich seine jüdischen Freunde durch eine „Decke“ – »kalymma« – auf ihrem Glauben und auf ihren Herzen gehindert werden, die Wahrheit Gottes zu verstehen, zu begreifen: „Aber bis auf den heutigen Tag, wenn Mose gelesen wird, liegt die Decke auf ihrem Herzen“ (2. Kor 3,15). Dann aber benannte er seine Hoffnung: „Wenn sie aber zum Herrn umkehren, dann wird diese Decke abgetan werden“ (2. Kor 3,16).[iii]

Kann dieses Abgetan-Werden einer Decke für das Verstehen im Sinne einer Hoffnung verstanden werden? Jetzt möchte ich nicht über andere reden, aber für uns Christinnen und Christen festhalten: Es geht um die Hoffnung auf ein tiefes Erahnen, auf ein wahres Verstehen, das uns angeboten wird: Für uns als Menschen, die wir unseren Glauben und unser Hoffen an Christus binden, wird dieses alte Wort ganz direkt wirksam, wirksam für zwei Dimensionen:

+  Indem Jesus Christus aus dem Tod auferstanden war, war die Macht des Todes überwunden, war „der Tod für immer vernichtet“ (Vers 8aα). Obwohl jede und jeder von uns einmal wird sterben müssen – obwohl ich einmal werde sterben müssen –, haben wir die Glaubenszuversicht gehört, gelesen und ergriffen, dass Jesus Christus den Tod überwunden hat, dass Jesus Christus für jede und jeden von uns Leben bedeutet: „Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle“ (Offenbarung 1,17b-18).

+  Damit ist der tiefste und eigentlichste Grund dafür benannt, dass das Weinen aufhören kann, dass die Tränen abgewischt werden können: „der Herr Jahwe wird abwischen die Tränen von allen Angesichtern“ (Vers 8aβ). Obwohl jede und jeder von uns schon geweint hat, vielleicht sogar vor Kurzem tief erschüttert war, kann sie und kann er auf die Überwindung dieser Erschütterung hoffen: „und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid, noch Geschrei, noch Schmerz werden mehr sein […]“ (Offenbarung 21,4).

Ich hoffe, dass Sie unsere Situation jetzt auch wahrnehmen, dass Sie auch merken, wo wir sind: Wir setzen uns wirklich dem Sinn von Ostermontag aus! Wir beginnen, durchzubuchstabieren, was Ostern heißt! Wir beginnen zu vertrauen, dass alle Todesbegrenzung überwunden sein wird, dass „er den Tod für immer vernichtet hat“ (Vers 8aα).

Können wir daraufhin jeden Tag Gewissheit und Hoffnung für unser Leben heute gewinnen? Das wird die Frage sein!

Dazu müssen wir klären, was hier „Gewissheit“ und „Hoffnung“ sein können. Ich sehe zwei Möglichkeiten:

+  Zuerst die „Gewissheit“ und die „Hoffnung“ in unserem diesseitigen Leben: Zuerst auf Besserung, wenn uns eine Krankheit auferlegt ist. Auf Wiederherstellung, wenn wir dank ärztlicher Hilfe alte Sicherheit wiedergewinnen. Im November 2024 hatte ich einen Brief vom „Universitätsklinikum Erlangen“ erhalten. Erst machte ich mir schon Sorgen, ob mir ein überraschender Krankheitsbericht oder eine Rechnung zugeschickt werde. Dann entdeckte ich, dass es sich um ein Dankschreiben handelte – „Vielen herzlichen Dank für Ihr wertvolle Mitarbeit“ –, weil ich nach einem nun Jahre zurückliegenden kleinen Schlaganfall bei den Befragungen seitens des „Erlanger Schlaganfall Registers“ immer gern mitmache – entweder, wenn eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter zu mir zu einer Befragung kommt oder mit mir telefoniert: „Mit Ihren wichtigen Angaben zu Ihrer persönlichen Lebenssituation helfen Sie […], die Versorgung von Schlaganfall-Patienten in Deutschland zu verbessern“.

+  Sodann die Begründung einer Hoffnung über unser diesseitiges Leben hinaus. Hier sehe ich nur eine Möglichkeit – wie ich sie schon angesprochen hatte –: Jesus aus Nazareth, den wir innerweltlich nur als Gescheiterten wahrnehmen können, als einen, der durch die römische Todesstrafe – die „Kreuzigung“ – vernichtet worden war, den wir aber im Licht Gottes als wirklich Auferweckten, als Bestätigten und mit unendlicher Macht Ausgestatteten glauben!

Mir fällt dazu immer der Slogan der Volksbanken und Raiffeisenbanken ein, dass sie nämlich „den Weg freimachen“ würden: „Meine Bank ist da, wo ich bin. Morgen kann kommen. Wir machen den Weg frei. Lass machen.“[iv] Ob das für diese Banken gilt, will ich jetzt nicht erforschen. Aber, dass der auferstandene Christus uns allen „den Weg freimacht“ vom Tod ins Leben – das ist mein Glaube!

„Christus lebt, drum lasst das Jammern, alle Klagen und das Leid!

Denn vom Kreuz, von Todesschatten ist der Heiland längst befreit.

Sucht nun nicht mehr bei den Toten ihn, der uns am Leben hält.

Christus lebt, drum sagt es weiter allen Menschen in der Welt.

Wäre Christus nicht am Leben, wär der Glaube Schall und Rauch.

Doch nun ging es in Erfüllung: Weil ich lebe, lebt ihr auch,

müssen wir mit Adam sterben, so mit Jesus auferstehn!

Alle Furcht hat nun ein Ende: Weil wir in das Leben gehn!

Ist die Sünde doch der Stachel, der zum Tode führt die Welt,

laßt uns alle Angst vergessen, Jesus hat die Nacht erhellt!

Dank sei dem Herrn gesungen, er schenkt uns die Sicherheit;

wer schon hier gebaut auf Christus, lebt mit ihm in Ewigkeit!“[v]

Amen.

„Und der Friede Gottes,

der höher ist als unsere Vernunft,

bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn!“

Weitere Liedvorschläge:

EG 115,1.4-6 – „Jesus lebt, mit ihm auch ich! …“

EG 117,1-3 – „Der schöne Ostertag! Ihr Menschen kommt ins Helle! …“

Anmerkungen:

[i]  Die Verse sind entsprechend der masoretischen Satzzeichen Atnach und Klein-Zakef aufgeteilt. Neben der Lutherbibel, revidiert 2017, habe ich zurate gezogen: Hans Werner Hoffmann: Alttestamentliche Texte der Predigtreihe I philologisch erschlossen, München 2024, S. 36-37.

[ii]  Vgl.: https://www.bavarikon.de/object/bar:BSD-CMS-0000000000008939 (Zugriff am 6.2.2025).

[iii]  Zu dem überraschenden „Wenn es aber umkehrt zu dem Herrn […]“, V. 16 in der Lutherbibel, muss ich darauf hinweisen, dass im NT Graece, 28. Auflage, am Rand Ex 34,34 angegeben ist. Paulus hatte aus dieser Stelle der Tora zitiert! Klaus Berger und Christiane Nord übersetzen sehr gut: „In der Schrift heißt es aber bereits: »Wenn einer sich zum Herrn hinwendet, und sich bekehrt, dann wird die Decke weggezogen«.“ Vgl. Das Neue Testament und frühchristliche Schriften. Übersetzt und kommentiert von Klaus Berger und Christiane Nord, Frankfurt am Main und Leipzig 2001, S. 118-119. Ex 34,34a lautet: „Wann Mosche kam vor IHN, mit ihm zu reden, tat er den Schleier ab, bis er hinausging“ (Die fünf Bücher der Weisung. Verdeutscht von Martin Buber und Franz Rosenzweig, Die Schrift 1, Stuttgart 1992, S. 253).

[iv]  Vgl. https://www.google.com/search?client=firefox-b-d&q=Volksbanken+Raiffeisenbanken+Werbeslogan (Zugriff am 6.2.2025).

[v]  Vgl. Evangelisches Gesangbuch, Ausgabe für die Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Bayern und Thüringen, 1994, Nr. 560, von Arthur Blatezky nach dem spanischen „Cristo vive, fuera el llanto“. Allerdings muss ich bekennen, dass ich über die Formulierung in V. 2 gestolpert bin:

„Doch nun ging es in Erfüllung: Weil ich lebe, lebt ihr auch,

müssen wir mit Adam sterben, so mit Jesus auferstehn!“

Der Wechsel in eine Christus-Rede hätte gekennzeichnet werden müssen:

„Doch nun ging es in Erfüllung: »Weil ich lebe, lebt ihr auch«.

Und der Wechsel in die 3. Person einer Aussage über uns Christinnen und Christen hätte auch gekennzeichnet werden müssen:

„»Müssen wir mit Adam sterben, so mit Jesus auferstehn!«“