
Jesaja 25, 6-9
Lammfilet und Karmel-Cuvèe | Ostermontag | 21.04.2025 | Jesaja 25, 6-9 | Manfred Mielke|
Liebe Gemeinde,
„Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!“ Mit diesem Ruf teilen wir unsere Überzeugung und unsere Freude. Im biblischen Original lautet der Vers vollständig: „Der HERR ist wahrhaftig auferstanden und Simon Petrus erschienen.“ Mit diesem Ruf begrüßten die Jünger Jesu aus ihrem Versteck heraus die beiden Überraschungsbesucher aus Emmaus. Ihr Bekenntnis klang gut, es war aber überlagert von der Angst, wie Jesus malträtiert zu werden.
Am Tag nach Jesu Auferstehung kommt somit die Gewißheit zu Besuch bei der Angst. Dazu erzählen die beiden: „Ja, er ist wirklich auferstanden. Er ging mit uns inkognito den traurigen Weg, aber als er bei uns Zuhause das Brot brach, erkannten wir ihn wahrhaftig.“ Vielleicht hatten sie noch einige Brotstücke dabei, denn sie waren ja die „game-changer“ für die verbarrikadierten Jünger Jesu, aus der Furcht in die Freude zu kommen. So konnten sich alle angstfrei zuzurufen: „Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!“
Daraufhin trauten sich die Jünger wieder vor die Tür, voller Freude und Mut. Was aber war in den Jahrzehnten vor Ostern geschehen, was gehört zur Vorgeschichte? Bei der Person Jesu ist es sein Leidensweg, bei seinem Volk Israel sind es mehrere Leidensphasen. Ähnlich wie die Emmausjünger traten dann die Propheten auf gegen das Krisengefühl, Gott habe das Leben aufgegeben. Dazu haben die Propheten Gott wörtlich zitiert oder ihm zumindest in die Karten geschaut. Der Prophet Jesaja schreibt:
Gott, der HERR Zebaoth, wird auf dem Berg Zion allen Völkern ein fettes Mahl machen, ein Mahl von reinem Wein, von Fett, von Mark, von Wein, darin keine Hefe ist. Und er wird auf diesem Berge die Hülle wegnehmen, mit der alle Völker verhüllt sind, und die Decke, mit der alle Heiden zugedeckt sind. Er wird den Tod verschlingen auf ewig. Gott wird die Tränen von allen Angesichtern abwischen und wird aufheben die Schmach seines Volks in allen Landen; denn der HERR hat’s gesagt. Zu der Zeit wird man sagen: »Siehe, das ist unser Gott, auf den wir hofften, dass er uns helfe. Das ist der HERR, auf den wir hofften; lasst uns jubeln und fröhlich sein über sein Heil.« (Jesaja 25, 6-9)
Wir hören heraus, dass Gott zu einem riesigen Fest einlädt als „Zebaoth“, als der Herr der himmlischen Heerscharen. Auf Erden lädt er alle Völkerscharen ein in seine Residenz auf dem Berg Zion. Vielleicht stand auf seiner Einladung auch: „save the date“ – merkt euch den Termin vor“ oder „uawg – um Antwort wird gebeten“. – Dieses große Fest ist der Abschluss einer Hoffnung des Volkes Israel. Alle Nachbarvölker mögen anerkennen, dass der Schalom ihres Jahwe-Gottes der Beste ist. Dazu malen sie sich einen Sternmarsch aller Völker aus. Wenn dann die Vereinten Nationen Platz genommen haben, wird Gott als Gastgeber auftafeln lassen. Es wird edelstes Fleisch geben, in reinem Öl gebraten und ein Spitzenwein, aus dem die Hefekrümel herausgefiltert wurden. Ein wahrlich königliches Mahl. Und alle kommen mit großem Appetit und großer Neugier auf seine Pracht und sein Programm.
Das Vorbild für Jesajas Vision waren die Krönungsfeste der großen Dynastien. Die hatten auch programmgemäß die Vorführung unterjochter Feinde. Hier aber kamen alle aufgrund ihrer Zustimmung zu einem neuen König als Friedefürst der Menschheit. Programmgemäß setzten sich viele Monarchen die Krone selbst auf. Doch der Gott Israels verzichtet zwar auf Pomp, aber nicht auf die Power, die er hat, wenn er von allen geachtet wird.
So bewundert der Prophet die tagelangen paradiesischen Feierlichkeiten, lässt sich aber nicht ablenken, dass es um die Allmacht des Friedens geht. Seine Prophetie ist ja alttestamentlich, wenn er die Thronbesteigung Gottes umjubelt. Die können wir Christen aber gut kombinieren mit Jesu Auferweckung am Ostermorgen und seinem Ortswechsel bis hin zu seinem „sitzend zur Rechten Gottes, des Allmächtigen“. Alles was Gott durch ihn tat, bewirkt unsere Erlösung. Er schenkt uns einen mutmachenden Osterglauben.
Zurück zum Traum des Propheten, zurück zum rauschenden Fest. Es endete nicht mit einem Gelage. Alle Gäste, alle Nachbarvölker blieben friedlich, denn sie waren es leid, sich ständig zu bekriegen und von neuen Machthabern geplündert zu werden. Alexander der Große war verstorben. Er war als gottgeschenkter Messias gefeiert worden, aber er war einem Mückenstich (2) erlegen, ohne vorher seine Nachfolge zu regeln. Das war die Stunde der Kleptokraten. Ptolemais erbeutete den Norden Afrikas, Seleukos krallte sich den Orient und Antigonos knechtete das damalige Europa (3). Für uns sind ihre Namen austauschbar, ihre Vorgehensweise aber ist geblieben, leider. Der Prophet Jesaja beklagt aber nicht dieses Monopoly der Weltherrscher, sondern sieht auf die geschundenen Völker und staunt über Gottes Gegeninitiative.
Zu einer Thronbesteigung gehört auch, dass der neue Herrscher seine Herrschaftsziele verkündet. Nach Teil eins seines Festes kündigt Gott eine Zeitenwende in seinem Sinne an. Dabei wird er die Schmach seines Herkunftsvolkes Israel ausradieren. Er wird die Klagedecken aller unterdrückten Völker zerfetzen, um dann ihre Tränen abzuwischen. Und insgesamt wird er den Tod verschlingen, wahrhaftig und auf ewig. – Mit diesen vier Erlösungszielen kommt Gott zu Besuch bei den Unterdrückten.
Jesaja hört die Verheißungen Gottes, und wir hören sie wieder im Buch der Offenbarung des Johannes. Der auf dem Thron sitzende Gott verspricht: Der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein. Gott verspricht es den Juden wie den Christen und allen Völkern. Sein Schalom und sein Messias sind der Dreh- und Angelpunkt. (1) Was also als Wallfahrt zu einer Thronbesteigung begann, wandelt sich zu einer Erlösung für alle Völker mit Gewalterfahrung. Unseren Osterruf: „Christus ist wahrhaftig auferstanden!“ umrahmt Gott mit seinen Zusagen: „Siehe, ich mache alles neu!“ Ihm geht es grundsätzlich um unser Zusammenleben in seinem Frieden. Er lädt alle Ethnien und Religionen ein, er setzt den langen Marsch durch die Institutionen in Gang und will, dass alle Menschen mitmachen beim Tränenabwischen. Jesaja bündelt dazu alle seine Hoffnungen auf Gott und kritisiert nebenbei damit auch die Ohnmacht der Politiker, die nur das „Immerweiterso“ betreiben.
Gott wird dann viele Ankündigungen seines neuen Programms beginnen, aber völlig offen empfinden wir seine Zusage, dass er „den Tod auf ewig verschlingen“ wird. Dazu erleiden wir zu viele Enttäuschungen, denn jeder Tod, jedes Sterben ist ein Verlust, der unser Gottesbild irritiert. Angesichts unzähliger Toten von Genoziden und Femiziden müssen wir als Christen eingestehen: Alles spricht dagegen, aber wir halten am Ostersieg Jesu prinzipiell fest. Er ist das Unikum und das Individuum, an dem wir Gottes Macht über den Tod anerkennen. Oberhalb unseres Gottes geben wir dem Tod keine Berechtigung, Gott behält die Oberherrschaft exklusiv und auf ewig. Bis er das komplett durchsetzt, beten wir: „Ewiger Gott, please save the date, bitte vergesse den Termin nicht!“
Gott etablierte nach seiner Thronbesteigung auch Jesus Christus neben sich und gab ihm eine neue Aufgabe für uns Sterbliche. Er gibt uns Anteil an seinem ewigen Leben nach unserem Tod. Mir macht dazu ein Redewechsel auf einer Todesanzeige Mut, der so geht: „Was wirst Du sagen, wenn du vor Gott stehst?“ „Da bin ich!“ „Und was wird Gott dann zu dir sagen?“ „Prima!“ Das Sterben ist für uns der ultimative Stopper, für Gott ist es ein Zwischenschritt. So kommt Christi Lebensmut zu Besuch in unsere Sterblichkeit, und das will Gott unbedingt mit uns feiern.
Doch noch gelingt es uns nur schwer, von der Grabesstille des Karsamstags in die Fülle des Osterfests zu springen, von der Traurigkeit ins Feiern. Jesaja weiß, dass auch nach dem Großen Bergfest Gottes es weiterhin Leid und Tod, Verrat und Folter geben wird, aber er bemerkt eine ungewöhnliche Geste. Denn zu Gottes angekündigten Tu-Wörtern gehören sein Aufheben der Schmach, das Wegreißen der Trauertücher, das Abwischen der Tränen und das Verschlingen des Todes. – Dieses Verschlingen war in gesitteter Form auf dem Fest tagelang im Gange – mit zartem Lammfilet und ungetrübtem Karmel-Cuvèe. Gott hat dabei kräftig mitgetafelt, da war er kein Kostverächter. Aber aus dem genüsslichen Verzehr der Speisen wurde in seinem Programm ein reißendes Verschlingen, übertragen auf den Tod ja sogar ein Fressen. (6) – Nun ist es etwas unschicklich, sich den Gott Israels beim Fressen des Todes vorzustellen. Aber in der griechischen Mythologie agierte ein „Gott der Zeit“ namens Chronos. Dieser Chronos fraß seine Kinder. Und wir verstehen: Alles, was die Zeit gebiert, wird von ihr sofort aufgefressen. Jede Sekunde wird uns umgehend geraubt. Dagegen ist Ostern das Gegenprogramm, das alles öffnet und aufblühen lässt – die Zeit, die Natur, die Hoffnung, das Leben.
Gott bricht die Macht des Todes, damit der uns nicht fressen kann wie Chronos seine Kinder. Vielmehr schickt er uns seinen Sohn, der sagt: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben und volle Genüge haben sollen.“ In diesem Sinne hörte der Prophet Jesaja bei der Völkerwallfahrt zu die Schluss-Hymne: „Siehe, das ist unser Gott, auf den wir hofften, dass er uns helfe. Das ist der Herr, auf den wir hofften; lasst uns jubeln und fröhlich sein über sein Heil.“
Die volle Genüge, das authentische Leben, die ungebrochene Zuversicht, das alles scheint heute so weit weg. Aber es beginnt, indem Gott zu uns zu Besuch kommt, so wie Jesus sich zu den traurigen Emmausjüngern zum Brotbrechen hinsetzt und Christus zu seinen blockierten Jüngern, um ihnen neues Leben zuzuhauchen. Ostern ist der Feiertag, nach dem bei uns „nicht mehr der knurrende Lebenshunger den Ton bestimmt, sondern die gesungene Vorfreude auf das volle, erfüllte, österliche Leben.“ (5) Amen
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1) Die Jesaja-Apokalypse wurde von einem Schüler Jahrhunderte nach dem Proto-Jesaja verfasst 2) Mehrere Todesursachen werden diskutiert: Bakterien, Alkohol, Attentat, Gift, Mückenstich 3) Für die exakte Länderliste siehe die Predigthilfe der Deutschen Bibelgesellschaft 4) Als externe Mitte gilt die Wechselwirkung zwischen Verheißung und Erfüllung 5) Siehe im Internet die Predigt von Bischöfin Kirsten Fehrs in der Hauptkirche St. Michaelis am Ostermontag 2019 6) Das Verschlingen ist wie das Fressen eines reißenden Tieres; vgl BKAT zur Stelle 7) in: Sonntagsblatt vom 28. März 2024
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Lieder:
Der schöne Ostertag
Das ist das Fest, das uns der Herr bereitet
Er ist erstanden, Halleluja (Mfura, Haleluya)
Manchmal feiern wir mitten am Tag
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Fürbitten:
Anregung aus der Predigt von Kirsten Fehrs (5):
Mit großer Trauer gedenken wir der Opfer und bitten Dich, Gott österlicher Hoffnung, verwandle die Trauer in Widerstand gegen den Tod. Lass unsere Tränen die Flammen des Hasses löschen, lass uns aufstehen gegen die Gewalt und gegen den Terror. Du hast uns auf den Weg des Friedens gerufen, und alle Gewalt der Welt, ob in Sri Lanka oder in Syrien oder in Libyen zeigt uns: Dein Weg ist der richtige Weg. Es ist richtig, gegen den Hass die Liebe zu setzen. Es ist richtig, Flüchtlinge aufzunehmen. Es ist richtig, achtsam mit Deiner Schöpfung umzugehen und ihre Güter mit anderen zu teilen – auch wenn das nicht immer gelingt. Denn ja, wir haben Verantwortung zu übernehmen und der Realität des Lebens – und manchmal auch des Todes – ins Auge zu sehen. Wir singen das österliche Halleluja ja nicht jenseits dieser Welt! Sondern in ihr. Gerade heute.
Ein Gebet zu Ostern von Michael Lehmler (7)
du sprichst vom Osterfrieden
aber es ist krieg
du gibst uns deine pure freude
wir haben nichts zu lachen
du schenkst uns endloses sein
vielen wird das leben genommen
herr lehre mich rechtes zu tun
dass ich den frieden sehe und teile
herr zeige mir die leichtigkeit
damit ich mitlachen kann
herr lass den himmel offen
und uns daraus das licht schöpfen
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Manfred Mielke, Pfarrer der EKiR im Ruhestand, geb. 1953, verheiratet, 2 Söhne. Sozialisation im Ruhrgebiet und in Freikirchen. Studium in Wuppertal und Bonn (auch Soziologie). Mitarbeit bei Christival und Kirchentagen, Partnerschaftsprojekte in Ungarn und Ruanda, Musiker und Arrangeur