Jesaja 25,6–9

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Was Gott verschlingt. Ein Menü vor dem Fest | Ostermontag | 21.04.2025 | Predigt zu Jesaja 25,6–9 | verfasst von Pfarrer Dr. Christoph Kock |

  1. Der Tod als Allesfresser

Vegetarisch, vegan oder mit Fleisch? Wer ein Menü festlegt, sollte seine Gäste kennen. Dem Tod ist das egal. Der Tod ist ein Allesfresser und verschlingt, was er verschlingen kann. Ob alt oder jung. Männer statistisch eher als Frauen. Bei einer Krankheit lauert der Tod auf seine Chance. Jeder Krieg macht‘s ihm einfach. Armut auch. Der Tod nimmt mit, was er kriegen kann, und verzeichnet Wachstumsraten, die Ökonomen vor Neid erblassen lassen. Zum Schluss kommt der Tod zum Zug, immer.

Weil jedes Leben begrenzt ist, ist der Tod in Kraft. Dem Menschen widerfährt der Tod als Macht, von der er wie von einem Raubtier angesprungen und überwältig wird. Niemand macht dem Tod diese Macht streitig. Kein Mensch. Nein, einer widerspricht. Ein Prophet sieht auf Gott und redet von einer Zukunft ohne Tod. Ein Prophet redet so, als ob es eine Macht gibt, die stärker ist. Im Jesajabuch heißt es im 25. Kapitel:

6 Und der HERR Zebaoth wird auf diesem Berge allen Völkern ein fettes Mahl machen, ein Mahl von reinem Wein, von Fett, von Mark, von Wein, darin keine Hefe ist.

7 Und er wird auf diesem Berge die Hülle wegnehmen, mit der alle Völker verhüllt sind, und die Decke, mit der alle Heiden zugedeckt sind.

8 Er wird den Tod verschlingen auf ewig. Und Gott der HERR wird die Tränen von allen Angesichtern abwischen und wird aufheben die Schmach seines Volks in allen Landen; denn der HERR hat’s gesagt.

9 Zu der Zeit wird man sagen: „Siehe, das ist unser Gott, auf den wir hofften, dass er uns helfe. Das ist der HERR, auf den wir hofften; lasst uns jubeln und fröhlich sein über sein Heil.“

2. Festvorbereitungen

Gott gibt ein Fest. Für alle. Und ‚alle‘ meint tatsächlich alle. Für Gottes Volk Israel und alle anderen Völker. Religionen spielen für Gott dann ebenso wenig eine Rolle wie Sprachen, Grenzen oder Waffenarsenale. Gott gibt ein Fest. Essen und Trinken vom Feinsten. Überfluss und Fülle. All das an einem Ort, auf dem Berg Zion in Jerusalem. Von dort nimmt Gottes Weisung ihren Ausgang und zieht ihre Kreise, in Gottes Volk Israel und darüber hinaus.

Gott gibt ein Fest. Das verlangt Vorbereitung. Gott ergeht es da wie jeder Gastgeberin. Vor dem Fest gibt es alle Hände voll zu tun. Gott macht sich an die Arbeit. Allerdings ist das, was Gott beschäftigt, einzigartig. Unvorstellbar und zugleich beeindruckend. Bevor es sich die Gäste gut gehen lassen, lässt Gott drei Dinge verschwinden, verschlingt sie wie ein Raubtier seine Beute. Die Trauer, das Götterbild und den Tod. Aller guten Dinge sind drei, die Gott verschlingt, so dass nichts davon übrigbleibt. Nicht das kleinste Fitzelchen.

Gott verschlingt die Hülle, mit der alle Völker verhüllt sind. Das Zeichen für die Trauer, die das Leben bestimmt und einengt. Was das Leben eines jeden Menschen prägt, egal in welchem Volk geboren, ist vergangen und vergessen.

Gott verschlingt die Decke, mit der die nichtjüdischen Völker zugedeckt sind. Das hebräische Wort für Decke wird auch für Götterbilder verwendet, von Menschenhand zum eigenen Gebrauch geschaffen. Wo selbstgemachte Götter ins Spiel kommen, wird die Unterscheidung zwischen Gott und Mensch verdeckt und dem Tod Tor und Tür geöffnet. Woran Menschen ihr Herz hängen und zu ihrem Gott machen, entwickelt eine tödliche Dynamik. Jesus wird davor warnen, Geld zum Gott zu erheben. „Du kannst nicht Gott dienen und dem Mammon.“ Solche Götter nehmen dich in Beschlag, fressen deine Zeit und rollen dem Tod den roten Teppich aus. Weg damit! Der Gott Israels macht sich selbst der Völkerwelt zugänglich. Götterbilder sind vergangen und vergessen. Das erste bzw. zweite Gebot wird überflüssig: „Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.“

Zu guter Letzt verschlingt Gott den Tod selbst. Dem Tod widerfährt genau das, was er sonst den Menschen antut. Weil Gott ihn verschlingt, austilgt, vernichtet. Wie immer man sich das vorstellt: Leben ohne Zeit, die abläuft. Ohne Grenzen, ohne Trennung, ohne Schmerz und Trauer. Leben, als ob es keinen Tod mehr gibt. Ewiges Leben: Alle gut aufgehoben. Alles heil. Nicht nur gesagt, sondern von Gott getan. Im Jesajabuch gibt es zwei Hinweise auf das, was passiert, wenn der Tod weg vom Fenster und das Heil verewigt ist: Gott wird die Tränen von allen Gesichtern abwischen. Eine zärtliche Geste für jedes Gegenüber. Gott schafft Raum für ein Lächeln. Herzlich willkommen.

III. Weg mit der Schmach

„Los geht’s“, könnte man meinen. Es duftet vielversprechend. Der Tisch ist reichlich gedeckt. Nein, etwas fehlt noch, worum sich Gott jetzt kümmert. Gott „wird aufheben die Schmach seines Volks in allen Landen.“ Damit endet jede Form der Feindschaft, der jüdisches Leben ausgesetzt ist, weil es sich zum Gott Israels bekennt.

Für den Propheten ist diese Schmach auf der ganzen Erde verbreitet. Ich stelle mir vor, was ihr Ende in Deutschland bedeutet:

Menschen werden nicht mehr beleidigt, bedroht, bespuckt oder geschlagen, weil sie eine Kippa tragen oder auf andere Weise als Jude oder Jüdin erkennbar sind. Social Media sind frei von Hass und antijüdischen Verschwörungstheorien. Der Davidsstern wird nicht mehr als Zeichen zur Ausgrenzung missbraucht und auf Haustüren geschmiert. Endlich müssen Synagogen und jüdische Schulen nicht mehr bewacht werden. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung hat keine antijüdischen Straftaten zu vermelden und wird arbeitslos. Was jüdischen Menschen belastet hat, ist verschwunden. Jüdisches Leben wird wieder stärker sichtbar, in den Städten und Kommunen.

Was wir in unserem Land nicht schaffen, wird Gott selbst erledigen: Dafür sorgen, dass jüdisches Leben genauso geschützt ist wie jedes andere auch. Antisemitismus ist Geschichte. Erst dann kann das Fest beginnen.

4. Wer bestimmt, verschlingt. Ostern

Was es zu feiern gibt: Dass Gottes Macht sich durchgesetzt hat. Endgültig. Immer und überall. Gott bestimmt. Gott ist König. Gottes Reich gegenwärtig.

Eine gute Nachricht, die Jesus unter die Leute bringt. Als ob es endlich schon soweit ist. Als ob das Fest schon begonnen hat. Wie soll man das nur einschätzen, was Jesus gesagt und getan hat? Wer die Bibel aufschlägt, mag sich die Augen reiben:

Jesu Leiden, Sterben und Auferstehen wird in die Vision aus dem Jesajabuch hineinerzählt. Auf einmal ist Gott nah dran am Tod, als Jesus stirbt. So nah wie noch nie. Und Gott bleibt dran, und das, was es über den Tod zu sagen gibt, ändert sich radikal. Am dritten Tag ist das Grab leer. Die Frauen, die einem Toten die letzte Ehre erweisen wollen, hören von einem unerwarteten, radikalen Neubeginn: „Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier.“ Auf dem Friedhof werdet ihr nicht fündig. Nie mehr. Es geht ganz anders weiter, als ihr es euch vorstellen könnt. Indem Gott Jesus von den Toten auferweckt, überwindet Gott den Tod. Damit geht Gott dem Tod selbst an den Kragen. Gott verschlingt den Tod. Ostern markiert den Anfang vom Ende des Todes, den das Jesajabuch in Aussicht stellt.

Kein Zufall, dass die Wörter „verschlingen“ und „der Herr sein“ im Hebräischen fast gleich lauten.[1]Verschlingen und bestimmen. Zwei Seiten derselben Medaille. Indem Gott den Tod verschlingt, setzt sich Gottes Macht durch. Der Tod kriegt den Hals nicht voll und ist doch das Einzige, was wirklich gegessen wird in dieser Vision aus dem Jesajabuch. Ratzekahl. Nichts bleibt davon übrig. Weil Gott den entscheidenden Sieg erzielt und damit den Tod dauerhaft ins Abseits stellt. Was bleiben wird: Die Freude am Leben, wie ein grandioses Fest.

Alles Zukunftsmusik. Das Fest ist angekündigt. Aber der Tod hat das Feld noch nicht geräumt. Die köstlichen Speisen werden zu einer anderen Zeit gegessen. Sie warten auf uns. „Wir sind noch nicht im Festsaal angelangt. Aber wir sind eingeladen und hören die Musik.“ Schon das ist ein Grund zum Feiern. Frohe Ostern.

Lieder:

EG 577: Kommt herbei, singt dem Herrn

Zwischen Himmel und Erde 61: Wir sind noch nicht im Festsaal angelangt

Schuldbekenntnis

Gott, du sprengst die Ketten des Todes

und befreist das Leben.

Aber das können wir nicht sehen.

Wir hören von Ostern.

Aber wir können uns nicht vorstellen,

wie diese Geschichte unser Leben berührt.

Wie sie den Lauf der Welt verändert.

Dafür fehlt uns der Mut und die Fantasie.

Wenn es doch nur anders wäre.

Wenn es doch endlich Ostern würde.

In uns!

Dort, wo Krankheit und Abschied,

wo Krieg und Krise es dunkel werden lassen.

Herr, erbarme dich.

Gnadenzusage: 2 Korinther 5,17

Fürbitten

Lebendiger Gott,

du besiegst den Tod.

Wir bitten dich:

Tritt der Macht entgegen,

die der Tod noch hat.

Widersprich Hass,

der andere abschreibt.

Heile Krankheit,

die Leben einschnürt.

Entwaffne Gewalt,

die sich die Feinde sucht,

die sie braucht,

und die über Leichen geht.

Gott, Ostern muss es werden.

Damit geschieht,

was so undenkbar, so schwer und doch so nötig ist:

Schritte zum Frieden im Kriegsgebiet.

Die Welt mit anderen Augen als den eigenen sehen.

Wahrnehmen, was im Dunkeln liegt.

Berge die Menschen,

von denen wir Abschied nehmen mussten,

in deiner Hand.

Tröste die, die um sie trauern.

Hilf uns glauben:

Du bist stärker als der Tod.

Das bitten wir dich im Namen Jesu Christi,

den du auferweckt hast,

damit wir leben werden.

Amen.

Pfarrer Dr. Christoph Kock

Wesel

E-Mail: christoph.kock@ekir.de

Dr. Christoph Kock, geb. 1967, Pfarrer der Evangelischen Kirche im Rheinland. Seit 2007 Pfarrer an der Friedenskirche in der Evangelischen Kirchengemeinde Wesel.

[1]             Dieser Impuls verdankt sich Christine Wenona Hoffmann/Ann-Kathrin Knittel, Predigt und Exegese im Atelier, Stuttgart 2023, S. 67.