
Wie lieblich ist der Maien (EG 501)
Wie lieblich ist der Maien | Kantate | 18.05.2025 | Predigt zu EG 501 | verfasst von Rudolf Rengstorf |
Liebe Leserin, lieber Leser!
Dieser Sonntag heißt Kantate – Singt! Er heißt nicht: Predigt über das Singen. Deshalb soll das Singen in die Predigt einziehen, sie durchdringen und bestimmen. Das geht am besten, wenn wir uns dazu ein Lied holen, uns mit dem Dichter bekannt machen und uns dann Strophe für Strophe von seinem Singen mitnehmen lassen. Dafür bietet sich heute besonders das Lied an, das es mit seiner Freude am Mai bis ins Gesangbuch gebracht hat: Wir finden es unter der Nummer 501 „Wie lieblich ost der Maien“.
Martin Behm hat dieses Lied vor mehr als 400 Jahren gedichtet. Er war Lehrer und später auch Pfarrer in seiner Heimatstadt Laubau in der Oberlausitz. Er lebte in einer Welt, in der sich keiner von uns zurechtfinden würde: Kein Strom, kein Gas, kein fließend Wasser, nicht eine Maschine, keine Einkaufsmärkte. Alles musste von Hand gemacht werden. Voran gings nur zu Fuß oder mit Pferd und Wagen. Und umgekehrt: Wäre Martin Behm in unsere Zeit versetzt worden: wäre er mindestens genauso aufgeschmissen: Autos und Flugzeuge würden ihm panischen Schrecken einjagen. Hilflos stände er in unseren Häusern vor all den technischen Geräten. Telefon, Radio, Fernseher, Computer, Smartpjhones brächten ihn vollends durcheinander. Eine unüberbrückbare Kluft scheint das zu sein, die zwischen damals und heute liegt.
Sein Lied aber überspringt die Jahrhunderte mit all ihren Umwälzungen und geht auch uns unmittelbar zu Herzen. Zum einen wegen der Melodie. Ursprünglich war sie ein Frühlingstanz. Der fährt einem ja direkt in die Beine. Und zum andern überwindet der Text des Liedes mühelos die Kluft zwischen damals und heute:
Wie lieblich ist der Maien aus lauter Gottesgüt,
des sich die Menschen freuen, weil alles grünt und blüht.
Die Tier sieht man jetzt springen mit Lust und grüner Weid,
die Vöglein hört man singen, die loben Gott mit Freud.
Martin Behm besingt hier, was ganz ohne unser Zutun jedes Jahr von neuem die Lieblichkeit des Maien in die Welt bringt. Nach den kalten, dunklen Wintermomaten sind wir besonders empfänglich für strahlenden Sonnenschein und das Grünen und Blühen überall da draußen.Was für eine Wohltat ist das lichte Grün im Wald, das Blühen von Forsythien, Tulpen, Butterblumen und Flieder! Es ist, als wolle jedes Fleckchen Erde sich schmücken. Sogar aus Mauerriitzen und Pflasterfugen dringt das Grün.
Auf den Weiden sind wieder Kühe und Pferde zu sehen. Und dazu noch die Vögel! Ihre Stimmen dringen schon bei Sonnenaufgang ins Schlafzimmer, wirken aber ganz anders als etwa der Verkehrslärm. Dessen Monotonie geht auf die Nerven. Das Vogelgezwitscher aber weckt die Freude am Leben und die Lust auf den neuen Tag:
„Die loben Gott mit Freud“.- heißt es hier. Jaja, ich weiß: Wissenschaftlicher Betrachtung hält das nicht stand. Da sind die Vogelstimmen nichts als Signale – notwendig im Kampf ums Überleben. Wie alles in der Natur – für sich betrachtet – auf eine objektive Ursache zurückgeht, die mit unseren Empfindungen und Deutungen nichts zu tun hat.
Doch alle wissenschaftliche Betrachtung ist immer sekundär, kommt erst im Nachhinein, wenn wir auf Abstand gegangen sind. Wenn wir die Vogelstimmen oder was auch immer zum Gegenstand unserer objektiven Untersuchung machen, die jeder andere nachvollziehen können muss. Zunächst und primär aber stehen wir unserer Umgebung nicht als etwas Fremdem, Objektivem gegenüber. Ursprünglich sind wir in unsere Umwelt einbezogen als Teil ein und derselben Schöpfung. Und dabei erleben wir, dass diese Schöpfung uns anspricht, uns etwas zu sagen hat. Ist sie doch durch Gottes Wort geschaffen und deshalb durch und durch Mitteilung seiner Güte, Wer sich dafür öffnet, hört ganz von selbst da draußen einen großen Lobgesang. .
Herr, dir sei Lob und Ehre für solche Gaben dein.
Die Blüt zur Frucht vermehre, lass sie ersprießlich sein.
Es steht in deinen Händen, dein Macht und Güt ist groß
Drum wollst du von uns wenden Mehltau, Frost, Reif und Schloß.
In der zweiten Strophe folgt auf das Lob die Bitte darum, dass der verheißungsvolle Anfang am Ende auch Früchte trägt. In Keimen und Blüten ist das vom Schöpfer zwar alles darauf angelegt- Aber es kann ja auch ganz anders kommen. Wie oft erleben wir, dass die schönsten Blüten zunichte gemacht werden durch Nachtfröste, durch Pilz oder anderen Schädlingsbefall oder durch Hagelschlag. Lange Zeit haben wir Modernen gemeint, von solchen Launen der Natur nicht mehr wirklich bedroht zu sein. Mit Chemie und Versicherungen konnten wir uns ganz gut schützen.
Inzwischen aber erfahren wir, dass Hitze- und Dürreperioden und Starkregen ganze Landstriche verwüsten und Menschen in den Ruin treiben können. Und wir sorgen uns darum, dass der von uns Menschen verursachte Klimawandel nicht mehr in den Griff zu bekommen ist: Weil die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft genauso wie wir Verbraucher zu kurzsichtig und egoistisch sind, um unsere Mitgeschöpfe vor weiterer Vernichtung zu bewahren und unseren Nachkommen eine lebenswerte Welt zu erhalten. „Drum wollst du, Gott, von uns wenden den Mehltau von Gleichgültigkeit und Resignation, den Frost des Egoismus und die Schloßen, den Hagel von immer mehr CO2 und Plastik.
Herr, lass die Sonne blicken ins finstre Herze mein,
damit sichs möge schicken, fröhlich im Geist zu sein,
die größte Lust zu haben allein an deinem Wort,
das mich im Kreuz kann laben und weist des Himmels Pfort.
.Ja, und wenn Gott unsere Bitte nicht erfüllt und das Unglück nicht abwendet? Wenns im Leben so ganz anders kommt, als wir uns das gewünscht und von Gott erbeten haben? Und warum? – Warum in aller Welt lässt Gott Ungerechtigkeit und unverdientes Leiden zu? Ich habe darauf schon so viele Antworten gehört, sie auch selber zu geben versucht. Keine davon überzeugt wirklich und macht ruhig. Diese Frage bleibt offen. Und damit fällt ein unheilvoller Schatten auf unser Leben und verfinstert das Herz. Da kann es mitten n der Lieblichkeit des Maien da draußen im Herzen drinnen zappenduster sein. Da kann man sich monatelang auf Frühling, blauen Himmel, Sonne und Farben gefreut haben – und trotzdem bleibt es finster im Herzen, weil die Enttäuschung über einen Gott, der nicht hilft, sich da festgesetzt hat.
„Herr, lass die Sonne blicken ins finstre Herze mein, „damit sichs möge schicken, fröhlich im Geist zu sein“. Hier ist von einer Fröhlichkeit die Rede, die nicht von selber kommt und geht, sondern in die man sich schicken kann, wenn einem gar nicht nach Fröhlichkeit ist, in die Fröhlichkeit des Geistes. Sie entsteht, wenn wir uns im Dunkel des Lebens umsehen nach dem, was uns aufrichtet, Halt und Perspektive gibt. Die Fröhlichkeit des Geistes achtet mit Eifer und Lust darauf, dass Gott nicht aufhört zu reden, wenn seine Sprache in der Welt und im Leben dunkel wird und unverständlich. Sein Wort an uns geht doch weiter in den Geschichten von dem Mann, der Leiden und Kreuz auf sich genommen hat, damit wir da nicht allein sind und gewiss sein können, dass die Pforte des Himmels uns offensteht. Denn als Gottes Kinder sind wir nicht nur von dieser Welt.
Mein Arbeit hilf vollbringen zu Lobe dem Namen dein,
und lass mir wohl gelingen, im Geist fruchtbar zu sein.
Die Blümlein lass aufgehen von Tugend mancherlei,
auf dass ich mög bestehen und nicht verwerflich sei .
In Strophe 4 werden zwei Bereiche zusammengebracht, die bei uns strikt getrennt werden: Arbeitswelt und Lob Gottes. Denn mit seiner Arbeit wird der Mensch ja selbst so etwas wie ein Schöpfer, und mit dem, was der Mensch alles kann und tut, scheint er Gott los zu werden. Aber: dass Arbeit gelingt und sich lohnt, dass sie Gemeinschaft stiftet, Spaß macht, Anerkennung findet, Selbstwertgefühl erzeugt, dass der Mensch die Welt durch Arbeit umgestalten und verbessern kann – das ist doch alles andere als selbstverständlich. Das spricht doch nicht gegen, das spricht für Gott! Und darum kann ich ihm mit meiner Arbeit im Alltag antworten und ihm dienen, indem ich sie nach seinem Willen ausrichte. Das ist Gott ebenso wichtig wie der Gottesdienst in der Kirche.
Die Bitte um Fruchtbarkeit im Geist geht genau darum: dass ich bei aller Leistung, bei aller Arbeit nicht vergesse, sondern wahrnehme und erkennbar mache, wes Geistes Kind ich bin! Und dann, ja, findet sich da noch dieses alte Wort „Tugend“. Klingt das nicht zu sehr nach abgestandener Moral. abstoßender Vorbildlichkeit? Von wegen! Mit Blümlein, mit Blumen wird die Tugend in Verbindung gebracht. Gott möge uns Menschen sein und werden lassen, die sich nicht darin gefallen, dass ihnen alles stinkt, sondern die wie Blumen wirken, einen wohltuenden, die Lebensgeister weckenden Duft verbreiten und Farbe und Anmit ins Leben bringen. Amen.