Johannes 14,23-27

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Unverzagt | Predigt zu Johannes 14,23-27 | Pfingstsonntag 8. Juni 2025 | Eberhard Busch |

„Frieden hinterlasse ich euch, Meinen Frieden gebe ich euch. Nicht, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.“                                                                                                                                                           

Frieden hinterlasse ich euch, sagt Jesus uns. Man kann mit einer Hinterlassenschaft erst rechnen, wenn jemand gestorben ist. Jesus ist gestorben – am Karfreitag. Und das übergibt er denen, die nach ihm kommen: Frieden. Das übergibt er ihnen, damit sie dieses ihnen Überlassene nützlich in Umlauf bringen. Inwiefern nützlich? Als er am Kreuz starb, ist ihm Hass begegnet – ein Wort, das heute so manchen giftig über die Lippen kommt. Er aber hat nicht ausgerufen: „Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil.“ Er hat gebetet: Vater im Himmel, vergib ihnen. Das ist sein Testament: sein Friedenswort angesichts all der Unholde. Das hat er dem Hass entgegengestellt. Und das wollte er, dass wir es weitertragen. Aber das ganz ohne ihn? Müssen wir uns das nun auf eigene Faust zurechtlegen? Ja, lassen wir ihn draußen bei unsrem heutigen Tun? Hat die Christenheit sich abgefunden mit einem „das war einmal“? Das ist die Frage.

   Der Ostertag gibt uns die Antwort. Nein, sein Mund ist nicht in seinem Tod verstummt. Seine Stimme ist nicht erloschen; sie sagt: „Ich will euch nicht verwaist zurücklassen. Ich komme zu euch“ (Joh 14,18). Seine Hinterlassenschaft müssen wir uns nicht durch eigene Einfälle ersetzen. Zuweilen hat man den Eindruck, dass die Christenheit sich allzu oft genau darauf verlegt hat. Jedoch als er an Ostern erscheint, zeigt er sich erst recht als der, von dem das Lied singt: „Christ, der Retter, ist da“. Ostern heißt: er lässt sich nicht absetzen und wir müssen ihn nicht ersetzen. Er bleibt aufs neue der Anführer der Seinen. Nicht irgendein Ersatzmann! Er selbst wendet sich an seine Nachfolger, als er an Ostern erscheint, und sagt: „Friede sei mit euch“ (Joh 20,19.21). Er bittet um Empfangsbereitschaft: „Meinen Frieden gebe ich euch.“

   Und wenn wir heute Pfingsten feiern, so ist heißt das, dass er diese Mitteilung auf sich beruhen lässt.  Sie wird uns jetzt erneut „gegeben“. Damit wird uns nahegelegt, dass das österliche Versprechen auf Dauer gültig ist. Gott hat seinen Heiligen Geist gesandt, um das von Mal zu Mal zu wiederholen, und hört nicht auf, uns dazu zu ermutigen: in unserer Gegenwart, bis es bei uns ankommt, bis wir es eines guten Tages begriffen haben: „Meinen Frieden gebe ich euch.“ Und er legt es uns so nahe, dass wir Lust bekommen, diese gute Nachricht auch Anderen mitzuteilen.

  Dabei geht es nicht um einen Privatfrieden, in dem ich mich zurückziehe vor der argen Welt und einer unbelehrbaren Menschheit, vielleicht in eine Schmoll-Ecke  vielleicht in die Ruhe einer Gartenlaube. Es handelt sich um ein Geschehen von öffentlichem Belang. Es geht um die Ansteckung einer kranken Menschheit mit einem Keim zu ihrer heilsamen Genesung. Es ist der Friede, der seine, der Heilands, Handschrift verrät. Und der hat viele Facetten. Er bedeutet auch Freude; wer den Kopf hängen lässt, kann kein Friedensstifter sein. Und er bedeutet Versöhnung; denn ohne sie kommt man nicht zusammen. Und er bedeutet Verständigung; erst wenn man aufeinander hört und sich gegenseitig zu verstehen sucht, gibt es zu recht Eintracht. Und er bedeutet auch Verzicht, Nachgeben, nicht mit dem Kopf durch die Wand – eben um des lieben Friedens willen. Nachgeben ist zuweilen stärker als Dreinschlagen.

   Beachten wir: Es besteht ein Unterschied zwischen dem, was Christus uns gibt, und dem, was sonst so auf dem Markt angeboten wird. Das zeigt sich angesichts der Aufforderung: „Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.“ Sicher, es gibt vieles, das erschreckend ist.  Und es gibt so manches, bei dem es dummdreist ist, wenn man darüber nichterschrocken ist. Aber es gibt eine goldene Ausnahme von dieser Regel, dort, wo einer daherkommt, der sagt und sagen darf: „In der Welt habt ihr Angst. Aber seid getrost, ich habe diese Angstwelt überwunden“ (Joh 16,33). Der Frieden liegt bei ihm in sicheren Händen, wie in einem Safe. In seinen Händen ist er sturmfest und keine Teufelei kann ihn ausradieren. Er ist halt „mein“ Frieden, spricht Jesus. Darum muss unser Herz keine Bange haben. Unser „Herz ist unruhig, bis es ruht in dir“, sagte der Kirchenlehrer Augustin, vor vielen hundert Jahren schon.

   Jedoch jener Safe ist nicht verschlossen. Er öffnet sich. Sein Friede will bei uns ankommen. Er gibt und gibt ihn uns. Und schließt dabei mit uns kein Stillhalte-Abkommen. Nein, er öffnet uns das Herz, den Mund und das Ohr und die Hand  Wir feiern ja heute Pfingsten. An dem Tag wird uns auch dies klar gemacht, dass Gott uns dazu heranzieht, an seinem Friedensstiften teilzunehmen. Dazu gibt er uns Kraft und Mut – seinen Geist. Der macht uns  vernünftig und macht uns verwegen. Es geht darum, was der Titel einer neuen Schrift besagt: „Zeugnis ablegen in der Zeit der Gräuel“. Und wenn man diese Schrift aufschlägt, so stößt man darauf: Gräuel sind bei weitem nicht bloß dort, worauf momentan alle Finger hinweisen. Sie sind genauso dort, wovon man allzu gerne absieht. Davon absehen, das verstehen wir ja meisterlich.

Dem zum Trotz sagt uns an Pfingsten der österliche Friedensfürst: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen und werdet meine  Zeugen sein in Jerusalem und bis an das Ende der Erde“  (Acta 1,8): Zeugen des Friedens, im Kleinen und im Großen, in Israel und unter uns Heiden-Christen und all den andern Heiden. Wie können wir uns dafür stark machen, wenn wir Christen untereinander streiten?! „Friede sei mit euch“, waren die ersten offiziellen Worte des neuen Papstes.

   Angesichts von viel Widereinander uind Entschlossenheit, damit fortzufahren, weinen Friedensboten (Jes 33,7), und sie verlieren doch nicht die Hoffnung besserer Zeiten. Sie verstauen sie nicht unter dem Kopfkissen. Sie sind wach. Sie tun ihrem Mund auf und beweisen sich als mündig. Sie reden nicht nur von Frieden, sie wollen ihn auch. Sie wollen einen Frieden, der nicht verknüpft ist mit dem Wort „sichern“: Friedens-sicherung. Fraglos ist ein halber Frieden besser als ein ganzer Krieg. Aber er ist nur ein halber und er trägt in sich den Trieb, eines bösen Tages ganz kriegerisch zu werden. Solange der Frieden gesichert werden muss, solange in der Hinterhand noch eine Waffe steckt, herrscht noch nicht echt Frieden. Frieden ist voll  da, wo er ein Frieden ist mit offener Hand, nicht mit geballter Faust, nicht mit geschlossenen Grenzen, statt mit offenen. „Meinen Frieden“ – in  Jesu Mund heißt das nicht: weniger Frieden, sondern erst recht Frieden, kein Halbwegs-Frieden, sondern ein ganzer, umfassender, weltweit.

   Vor allem kommt es darauf an, dass wir darum beten, Gott möge uns das geben, was wir benötigen, was er uns geben kann und geben will. Paul Gerhardt betet in einem Pfingstlied: „Der Feindschaft bist du feind, / willst, dass durch Liebesflammen / sich wieder tun zusammen, / die voller Zwietracht sind. / Du, Herr, hast selbst in Händen / die ganze weite Welt, / kannst Menschenherzen wenden, wie dir es wohlgefällt; / so gib doch deine Gnad / zu Fried und Liebesbanden, / verknüpf in allen Landen, / was sich getrennet hat.“ Und wie heißt es am Ende von jedem Gottesdienst?: „Der Herr gebe uns seinen Frieden.“ Amen.