
1Petrus 2,1-12
Besitzanzeige | Predigt zu 1Petrus 2,1-12 | Sonntag, 27. Juli 2025 | Eberhard Busch | Ihr seid das auserwählte Geschlecht, das königliche Priestertum, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, dass ihr verkündigen sollt die Tugenden des, der euch gerufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht, die ihr einst nicht sein Volk wart und einst nicht in Gnaden wart, nun ber in Gnaden seid.
Ist das nicht verrückt übertrieben? – was da von einer Christengemeinde gesagt wird! „Ihr seid auserwählt“, hervorgehoben vor allen Andren, bevorzugt vor den Übrigen. Einige Superreiche mögen auf dieser Linie von sich denken. Aber hier geht es um eine Schar vom Menschen, versammelt zum Gottesdienst. Ist ihnen der Kamm geschwollen, wenn sie so von sich denken? Ich kannte eine vornehme ältere Dame, die über dergleichen zu sagen pflegte: „Die haben alle den GW“, gemeint ist: den Größenwahn. Aber Obacht!, dass wir das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Der Schlüssel zum Verständnis dieser Aussagen steckt in den seltsamen Worten: „Ihr seid das Volk des Eigentums“. Was wird uns da gesagt? Dies: die Eigentumsrechte für dieses Volk liegen nicht in seiner eigenen Hand, gleich, ob Bodenpersonal oder Bischof, gleich, ob sie das beachten oder unterdrücken. Seine Vorzüge können ihm gar nicht in den Kopf steigen. Denn die Eigentumsrechte gehören rechtmäßig einem Anderen, dem, der nach ihnen gegriffen hat. Um Himmels willen! ist das nicht erst recht ein schrecklicher Übergriff? Wird ein Mensch dadurch nicht sich selbst enteignet und gerät in die Fänge eines Andren?
Das Gegenteil ist der Fall, belehrt uns ein altes Unterrichtsbuch, der Heidelberger Katechismus. Darin lesen wir schon gleich im ersten Satz, als Ouvertüre zu allen weiteren Aussagen: „Das ist mein Trost im Leben und Sterben, dass ich mit Leib und Seele nicht mir gehöre, sondern meinem treuen Heiland, der sich für mich gegeben hat.“ Das soll mir tröstlich sein?. Wie kommt er darauf? Hören wir gut hin! Ja, wir befinden uns in der Hand eines Anderen, doch im Unterschied zu all den Händen, die nach uns greifen, um uns übers Ohr zu schlagen – im Unterschied dazu gibt er, der „treue Heiland“, sich her, zahlt mit allem, was er hat, zahlt mit seinem Leben, um uns zu nützen, sorgt dafür, dass wir einen Vorteil davon bekommen. Im Unterschied zu allzu Vielen denkt er zuerst nicht an sich, sondern vor allem an uns Andere. „Das ist mein Trost“: In seiner Hand entreißt er uns all dem Unfug, der uns wortwörtlich besessen machen kann. Er stemmt sich gegen den unheimlichen Sog, der uns ins Dunkle hinabzerren will. Statt dessen führt er uns aus der Finsternis zum Licht – zum Licht, in dem wir auch zu uns selbst finden, frei, uns selbst zu bejahen. Und sehen uns da auf alle Fälle geliebt. Oder mit dem anderen Bild im Petrusbrief: So verwandelt er den Felsbrocken, der uns anstößig im Wege liegt, zum Eckstein, auf den wir verlässlich bauen können.
Denken wir nochmals an den Schlüssel zum Verständnis unsres Bibelworts, an die Worte: – ihr „das Volk des Eigentums“! Damit öffnen sich auch die anderen Aussagen, die uns zunächst so sperrig vorkamen. Was heißt denn: „Ihr seid das auserwählte Geschlecht“? Dies: Gott hat euch herausgenommen aus eurem bisherigen Zusammenhang, in dem ihr leben wolltet oder leben musstet, als gäbe es gar keine Alternative. Doch, es gibt sie! Gott hat euch in einen neuen Zusammenhang versetzt. Wie Blumen, die man aus ihrem dunklen Schattenplatz im Frühling an einen hellen Platz umpflanzt, damit sie jetzt erst recht „willig sich entfalten / und der Sonne stille halten“, so der Liederdichter Tersteegen. So blühen sie uns zur Freude und weiteren, die hinzukommen, auch.
Überdies wird von dieser Schar gesagt, sie sei ein „heiliges Volk“. Wirklich? gibt es richtige „Heilige“? Nicht nur den „Heiligen Vater“ in Rom? Sondern ein ganzes Volk? Kuriose Heilige! In aller Regel handelt es sich bei den so Genannten um ziemlich Unheilige, ob es um Fremde oder Einheimische geht. Da unterscheiden sich beide nicht gerade krass. Ist es nicht so? Aber hören wir das Wundersame. Indem Gott seine Hand auf uns legt, werden Unheilige zu heiligen Vätern und Müttern. Indem Gott an uns arbeitet, werden harte Steine zu zarten Lebewesen. Indem der Gütige uns nicht abstößt, sondern wertschätzt, werden Schwerenöter zu Gottes Kindern.
Und wie haben wir nun den Satz zu verstehen: „Ihr seid das königliche Priestertum“? Überraschend ist hierbei, dass das in der uneingeschränkten Mehrzahl gesagt wird: „Ihr seid es“, ihr alle! Ohne Ausnahme!Eine muntere Demokratisierung ist da im Gang. Wenn jeder und jede von euch ein König, eine Königin ist, was wird dann aus den Hoheiten, um die sich die Illustrierten bemühen? Und wenn du und ich Priester sind, wie stehen dann die da, die sich mit einem weiß gestärkten Kragen zieren? Das sieht nach einem Aufstand gegen unsere Ordnung aus. Die Demokratisierung ist bei uns noch nicht ans Ende gelangt Genug, es ist schon jetzt allen Christen gesagt, dass jeder und jede Verantwortung trägt für Andere.
Der Dichter Goethe schrieb: „Sage mir., mit wem du umgehst, und ich sage dir, wer du bist.“ Eine Christen-Gemeinde ist ja nicht für sich selbst da, sondern für Weitere. Die Kirchentüren öffnen sich – wozu? Dazu, dass ihr einen Umgang pflegt mit euren Mitmenschen nah und fern. Was euch zuteil wurde, das dürfte nicht bei euch zum Stillstand kommen, so wie jene zarten Blumen doch nicht nur euch erfreuen wollen. Zeigt sie auch euren Nächsten, damit ihr ihnen eine Freude macht und ihnen ein Wohlgeruch seid! So „verkündigt ihr die Tugenden, die Eigenarten dessen, der euch gerufen hat.“ Selbst wenn ihr in der Minderzahl seid, legt die Hände nicht in den Schoß! Ihr seid doch mit einer schönen Aufgabe betraut. Und bitte, vergesst dabei nicht die, die sträflich vergessen sind. An erster Stelle tut ihnen eure Zuwendung gut. Nun müssen wir noch einen Schritt tun, um unsern Bibeltext recht zu uns sprechen zu lassen. Im ersten Teil unserer Bibel, im 5. Buch Mose Kapitel 7, wird bereits ganz Ähnliches gesagt wie in unserem Predigttext im Neuen Testament. Doch gibt es einen beachtlichen Unterschied. Zwar wird wohl das Gleiche erklärt, aber ausschließlich nur zum Volk Israel. Warum bevorzugt Gott gerade dieses Volk? Darum, so ist dort zu lesen, darum, nicht weil es vorzüglicher wäre als irgendein anderes – es sei vielmehr so bedenklich wie wir. Gott bevorzuge es allein deshalb, weil er es in seiner Unerforschlichkeit liebt. In unverdienter, reiner Liebe ist er und bleibt er ihm zugewandt, sogar wenn es von ihm abgewandt ist.
Und jetzt wird unser Predigttext noch einmal in ein neues Licht gerückt. Und sagt: Die Zuwendung Gottes in Liebe zu seinem Volk, sie gilt auch Anderen, den Vielen in der Völkerwelt. Sie haben erst recht kein Recht auf einen Vorzug. „Die ihr nicht sein Volk wart“, steht geschrieben. Ihr lebtet weit weg vom Gott der Juden. Und wie oft haben diese Leute sich benommen wie ein Kuckuck, der die zuerst Geliebten nicht liebt, sondern verstößt und durch seine eigene Brut ersetzt. O nein, es ist voll verwunderlich, wenn Gott sich allem Widrigen zum Trotz auch dieser Menschen annimmt, wenn er auch sie krönt mit Gnade und Barmherzigkeit (Ps 103,4) – die Weggestoßenen an unseren Grenzen zuerst, die tödlich bedrohten Palästinenser in Gaza und sogar uns Einheimische. Und obendrein auch noch uns Christenmenschen. Gott sei Dank. Amen