Johannes 5, 1-16

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| 19. Sonntag nach Trinitatis | 26. 10. 2025 | Johannes 5, 1-16 (Züricher Bibel) | Menschen im Leiden begleiten! | Winfried Klotz |

5 1 Danach war ein Fest der Juden, und Jesus zog hinauf nach Jerusalem. 2,13!

2 In Jerusalem beim Schaftor ist ein Teich mit fünf Hallen, der auf Hebräisch Betesda heisst.

3 In den Hallen lagen viele Kranke.

Verschiedene Handschriften ergänzen den V.3 und fügen V.4 ein: «3 In den Hallen lagen viele Kranke, die auf die Bewegung des Wassers warteten. 4 Denn ein Engel (des Herrn) stieg von Zeit zu Zeit in den Teich hinab und wühlte das Wasser auf. Wer nun als Erster hineinstieg nach dem Aufwallen des Wassers, wurde gesund, mit welcher Krankheit er auch behaftet war.»

4 [Siehe die Anmerkung zu Vers 3]

5 Dort war auch ein Mensch, der seit achtunddreißig Jahren an seiner Krankheit litt.

6 Als Jesus diesen liegen sieht und erkennt, dass er schon eine lange Zeit leidet, sagt er zu ihm: Willst du gesund werden?

7 Der Kranke antwortete ihm: Herr, ich habe keinen Menschen, der mich, sobald das Wasser aufgewühlt wird, in den Teich trägt; und wenn ich versuche, selber hinzukommen, steigt ein anderer vor mir hinein.

8 Jesus sagt zu ihm: Steh auf, nimm deine Bahre und zeig, dass du gehen kannst! Mt 9,6

9 Und sogleich wurde der Mensch gesund, er nahm seine Bahre und konnte gehen. An jenem Tag aber war Sabbat.

10 Die Juden sagten nun zum Geheilten: Es ist Sabbat, es ist dir nicht erlaubt, deine Bahre zu tragen. Ex 20,8-11; Dtn 5,12-15 · 7,23!

11 Er aber antwortete ihnen: Der mich gesund gemacht hat, hat zu mir gesagt: Nimm deine Bahre und zeig, dass du gehen kannst!

12 Sie fragten ihn: Wer ist der Mensch, der zu dir gesagt hat: Nimm sie und zeig, dass du gehen kannst?

13 Der Geheilte wusste aber nicht, wer es war, denn Jesus hatte sich zurückgezogen, da an dem Ort ein Gedränge entstanden war.

14 Später findet ihn Jesus im Tempel, und er sagt zu ihm: Du siehst, du bist gesund geworden. Sündige nicht mehr, damit dir nicht etwas Schlimmeres widerfährt!

15 Der Mensch ging fort und berichtete den Juden, es sei Jesus, der ihn gesund gemacht habe.

16 Und darum verfolgten die Juden Jesus, weil er solches an einem Sabbat tat.

Was redet uns an aus diesem Abschnitt des Johannesevangeliums? Vielleicht zuerst die hoffnungslose Situation dieses Mannes, der seit vielen Jahren krank ist und dem die Hoffnung immer mehr schwindet. Ja, ich bin hier an einem Ort der Heilung verspricht, aber wenn das Wasser heilkräftig wird komme ich immer zu spät. Über Jahre chronisch krank und die Möglichkeit der Heilung, ob sie nun real oder nur vorgestellt ist, immer verpasst.

Chronisch- dauerhaft krank, dieses Schicksal haben Menschen bis heute. Wir haben eine Vorstellung vom Leben, in der das nicht vorkommt. Leben muss doch rund und schön sein! Aber wie oft ist es eingeschränkt, wie oft kommt es nicht zur Blüte und zum Frucht tragen. Wie oft stöhnen Menschen unter Lasten, die sie nicht ablegen können. „Was lebt und webet auf der Erden, kann das Unglück nicht vermeiden“; So hat Paul Gerhard gedichtet im Lied „Gib dich zufrieden und sei stille in dem Gottes deines Lebens!“ (EG 371, 13) Er kannte das Unglück; eigentlich hätte man bei ihm, der so viel Schweres durchmachen musste, erwarten müssen, dass er sich wie hinter eine Mauer zurückzieht und mit einem Beter der Klagelieder schreibt: „Aus dem Frieden hast du mich verstoßen, was Glück ist, habe ich vergessen!“ (Kgl. 3, 17) Es gibt viele Menschen, die so empfinden, wenn der Schleier der Depression sich über sie legt. Kopf hoch, sagen dann manche, aber das verletzt eher die Seele als das es sie verbindet.

38 Jahre krank, am Teich Betesda liegend, vermutlich versorgt von Angehörigen oder auch durch Betteln, ohne hoffnungsvollen Blick in die Zukunft, was für ein Leben. Das ist doch ein sinnloses Leben!

Wir wissen nicht viel von diesem Menschen; der Evangelist erzählt nur davon, dass Jesus einen Besuch an diesem Ort des Leidens macht. Orte des Leidens besuchen ist auch unsere Aufgabe, auch wenn wir nicht in der Vollmacht Jesu handeln können. Aber nicht verlassen sein ist eine große Sache; darin spiegelt sich auch, dass Gott uns nicht im Stich lässt. Ob wir wie Jesus die Frage stellen können „Willst du gesund werden?“ Ein chronisch Kranker könnte sie so verstehen, dass wir ihn nicht in seiner Krankheit ernst nehmen. Sinn macht die Frage nur, wenn sich jemand in seiner Krankheit eingerichtet hat und nicht bereit ist, eine neue Therapie zu probieren.

Bei Jesu Frage „Willst du gesund werden?“ wird das ganze Elend dieses Menschen sichtbar: Er hat niemanden, der ihm ins Wasser hilft, wenn es heilkräftig wird; er ist von Menschen und Gott verlassen. Aber gilt nicht auch für diesen Menschen das Wort aus Psalm 113: „Wer ist dem HERRN gleich, unserem Gott, der hoch droben thront, 6 der tief hinunterschaut auf Himmel und Erde! 7 Der aus dem Staub den Geringen aufrichtet, aus dem Kot den Armen erhebt.“ (V. 5-7) Solche Sätze spiegeln Erfahrung, aber Erfahrung ist kein Naturgesetz; sie ist aber Zeugnis dafür, dass Gott kein stummer, eherner Götze ist. Mit Gott ist zu rechnen und das umso mehr, als uns durch Jesus versprochen ist, dass er auf seine Kinder hört. Es kann sein, dass er uns wie ein Feind begegnet (1. Mose 32, 23 ff b- Jakobs Kampf am Jabbok) und wir mit ihm ringen müssen; mit Gott ringen ist immer sinnvoll, denn irgendwann kommt der Punkt, an dem wir sagen können: „Ich lasse dich nicht, es sei denn, du segnest mich.“ Schwere Lebenswege sind nicht selbstverständlich gesegnete Wege; sie werden es aber da, wo wir im Vertrauen auf Jesus das abweisende Gesicht Gottes nicht als sein letztes Wort an uns nehmen. (Lk. 18, 1ff) Um auf solchen Wegen nicht zu scheitern braucht es die Gemeinde, Menschen, die uns an unseren Leidensorten aufsuchen, uns anhören, Nähe schenken mit uns im Namen Jesu beten. Und es braucht Schulung für die, die helfen wollen, wie sie z. B. von Wycliff angeboten wird. (https://spracheundkultur.org/kurse-uebersicht/traumatisierte-menschen-begleiten-basiskurs/)

Von wunderbarer Heilung durch das machtvolle Wort Jesu berichtet unser Abschnitt. „Steh auf, nimm deine Bahre und zeig, dass du gehen kannst!“ sagt Jesus und es geschieht so. (V. 8) Der Mensch steht auf, geht los und trägt seine Bahre. Sein Leben ist gänzlich verändert und das durch einen ihm unbekannten Menschen. Was ihn jubeln lässt erregt Ärger: „Es ist Sabbat, es ist dir nicht erlaubt, deine Bahre zu tragen.“ Das Prinzip „Heiligung des Sabbat“ ist viel wichtiger als die Heilung eines chronisch Kranken. Menschen lieben Prinzipien, sie geben Sicherheit, das Leben wird durchschaubar. Aber Prinzipien haben eine negative Seite; sie machen manchmal lieblos und stur; im Extremfall können sie töten.

Im Tempel trifft der Geheilte später Jesus. Das Gespräch zwischen Ihnen fasst Johannes zusammen in einem Satz: „Du siehst, du bist gesund geworden. Sündige nicht mehr, damit dir nicht etwas Schlimmeres widerfährt!“ Das Wort überrascht uns, war es eine göttliche Strafe, die der jetzt Geheilte in den 38 Jahren am Teich Betesda abbüßen musste? Ich sehe das nicht so; aber der Rückfall in alte Verhaltensmuster kann alles zerstören, was durch Hilfe von Gott und Menschen erreicht wurde.

Unsere Geschichte endet nicht so, wie wir es uns wünschen würden. Jesus hat die Welt nicht ein Stückchen besser gemacht, sondern ein Konflikt wird sichtbar. Der Geheilte berichtet, dass Jesus ihn gesund gemacht hat. „Darum verfolgten die Juden Jesus, weil er solches an einem Sabbat tat.“ So endet unser Abschnitt. Jesus handelt so, wie der Vater handelt, heißt es später. (V. 19) Handeln wir mit ihm, Amen.

Winfried Klotz, Jg. 1952, Pfr. i. R., Bad König im Odenwald

verheiratet, 3 Kinder, 1 Enkelkind; theol. geprägt von Otto Michel und Hans Joachim Iwand; Mitglied im Pfarrgebetsbund

winfried.klotz@web.de