Matthäus 25,1-13

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Predigt zum 2. Sonntag in Advent – 7. Dezember 2025
Matthäus 25,1-13

von Laura Lundager Jensen

Die klugen Jungfrauen

In der Tat:  ein höchst unbegreifliches Evangelium, das wir heute hören. Ungerecht, unmenschlich, beinahe Nächsten-feindlich.

Zehn Jungfrauen sind gegangen, um den Bräutigam zu treffen. Fünf von ihnen sind klug und vernünftig und haben vorsorglich Öl für ihre Lampen dabei. Und sicher auch drei Liter Wasser, Konserven und Toilettenpapier für den Notfall.

Aber die anderen fünf haben vergessen, nachzudenken. Sie haben vergessen, sich mit den Gaben der Geduld zu rüsten. Sie haben das Öl und alles andere vergessen. Sie denken vielleicht eher an die Gegenwart als an die Zukunft – oder sie haben vielleicht gar nicht nachgedacht.

Als die Nachricht kommt, der Bräutigam sei unterwegs, müssen sie einkaufen. Und sie sind noch dabei, als der Bräutigam ankommt und von den klugen fünf begrüsst und zur Hochzeit begleitet wird.

Und als die törichten Mädchen zurückkommen, ist die Tür und Riegel verschlossen.

Den Erfolg hat in dieser Geschichte nicht der Hänsel {H.C. Andersens Geschicte ist gemeint}. Es sind die Brüder mit ihren Talenten und schlauen Köpfen, die die Prinzessin erringen.

Als christliche Parabel gibt dieses einen klaren Sinn. Denn wenn wir die Geschichte in eine Erzählung über Jesus und seine Gemeinde „übersetzen“, ergibt es eine recht eindeutige Botschaft, dass wir bereit sein müssen. Denn wenn Jesus der Bräutigam ist und wir seine Gemeinde, dann ist die Botschaft klar . Keiner kennt die Stunde. Keiner weiss, ob wir genug Öl haben, um zu leuchten, wenn die Tore des Himmelreichs aufgehen werden. Keiner weiss, wann die Wiederkunft unseres Herrn erwartet wird. Die Moral ist daher, dass wir bereit sein müssen, ständig mit Öl in den Lampen, damit wir zu den Klugen gehören, die ins Reich Gottes kommen.

Auf dieser Weise ist die Botschaft ermutigend. Der Herr ist auf dem Weg zu seiner Gemeinde,  zu uns. Aber gleichzeitig ist die Geschichte erschreckend, denn unsere Fehler und Versäumnisse sind immer präsent. Wir riskiern nicht bereit zu sein, wenn der Bräutigam da ist. Die Möglichkeit liegt offen, dass wir den törichten Jungfrauen ähneln und nicht den. Und dann wird es zu spät sein. Dann ist die Tür zugeschlagen, geschlossen und verriegelt. Und da hilft keine liebe Mutter und auch keine mitfühlende Freundinnen.

„Das ist doch ungerecht“, meinten meine Lehramtsstudierenden, als wir neulich über dieses Gleichnis sprachen. Und ja, es ist bestimmt nicht nach unseren Maßstäben ungerecht. Und schon gar, wenn wir wissen, aus welch vielen Gründe wir momentan abwesend sein können.

In einem schulischen Kontext, wo robuste und fragile Schüler beisammen sind, ist es jedenfalls fatal. Sie können nicht in gleichem Masse bereit sein. Im Gegenteil muss man versuchen, jeden und jede auf eigene Bedingungen einzubeziehen und sicherzustellen, dass man genug Öl mitbringt, um es falls nötig extra einzuschenken.

Was aber mit denen um uns, die tatsächlich dahinter hinken und weder die Zeit noch den Tag oder das Leben überblicken können. Haben sie bei Gott eine Chance?

Was sollen wir also mit diesem Gleichnis? Sind die fünf törichten Jungfrauen wirklich so töricht?

Sie sind wohl einfach wie die meisten und leben nicht augeprägt nach Normen und Sitten. Zur Zeit Jesu war es Brauch, zu warten und seinem Bräutigam zu folgen, aber wenn der Bräutigam des Wartemns nicht wert ist, warum dann warten?

Früher achtete man Autoritäten und Traditionen. Aber das tun wohl heute die wenigsten. Und warum in einen Traum leen vom zukünftigen Gottesreich, wenn das gegenwärtige Leben alles wert ist und die Sorgen von morgen auf morgen verschoben werden können?

Jeder weiß, dass der Prinz auf dem weißen Pferd sehr wohl nach ein paar Jahren ausgewechselt werden kann, wenn das Pferd lahmt und der abenteuerliche Glanz des Prinzen verblasst und der Alltag die Magie überstrahlt.

Es geht heute nicht mehr darum, eine Wahrheit oder die Wahrheit zu suchen. Anstatt suchen wir eine Wahrheit, die für uns selber hier und jetzt als wahr erscheint. Wenn man unsicher ist, greift man nicht zur Bibel oder zur väterlich überlieferten Erziehung. Stattdessen geht man ins Netz und findet jene Person oder Influencer, die das beste Lebensangebot präsentiert. Und obwohl eine solche Wahrheit wohl nicht über Jahrtausende Bestand haben wird, ist eine Laufzeit von einem Jahr wohl auch OK. Denn es werden neue Influencer mit neuen Angeboten für Wahrheiten kommen. Niemand erwartet, dass man das Gleiche sein ganzes Leben lang macht in der sich wandelnden Welt, in der wir leben.

Was ist also mit dem Evangelium – ist es passé, irrelevant und altmodisch? Vielleicht, aber vielleicht auch nicht. Denn die Sache ist wohl, dass egal wie sehr wir damit beschäftigt sind, eigene Wahrheiten zu suchen – egal wie oft wir entdecken, dass wir falsch lagen und andere Wege gehen, bleibt die Hoffnung und die Erwartung, dass es die Wahrheit irgendwo gibt, gleich groß. Zur Zeit Jesu war die Erwartung, dass man so tat wie die klugen Jungfrauen. Heute haben wir gelernt, dass es nach jedem Scheitern eine neue Chance gibt. Aber die Suche nach Wahrheit gehört zum menschlichen Leben. Und zu leben ohne die Hoffnung, dass die Wahrheit existiert, ist wie im Leben tot zu sein.

Wir Menschen leben von der Hoffnung. Und das lässt sich leicht beweisen, denn selbst der Erwachsene, der die Hoffnung verloren hat, wagt es nicht, einem Kind die Hoffnung und die Erwartung zu nehmen – das wäre ein Sakrileg. Es scheint, als ob es mehr Wahrheit in der Hoffnung und Erwartung des Kindes gibt als im Mutlosigkeit des Erwachsenen.

Gerade jetzt in der Adventszeit ist diese Erwartung am stärksten, wo der dunkelste Monat des Jahres auf die Kraft des Lichts trifft. Die Welt ist in die Knie gezwungen – dass erleben wir. Gerade wenn er Himmel grau ist und die Kälte drückt, klingt das Evangelium um so intensiverUnd damit ist die Frage real, denn ist es überhaupt möglich, die Öllampe der Hoffnung am Leben zu halten, oder wird die Flamme flackern und erlöschen?

Gerade jetzt ist Hoffnung so ungemein wichtig. Es wäre töricht, sie loszulassen oder nicht zusätzlich Öl nachzugießen. Und gerade darum ist das Evangelium so wichtig, weil es das Versprechen trägt, dass, selbst wenn wir den Halt verlieren, oder den Prinzen oder den Glauben an den Influencer, das Evangelium festhält und uns klug und weitsichtig macht.

So ist Advent. Erwartung und Angst gehen Hand in Hand. Und sind wir stark genug, ausdauernd genug, geduldig genug, um dem Dunkel entgegenzutreten, das überall vorhanden ist und sich ausbreitet, dann wird das Licht und damit das Reich der Hoffnung über die Mächte der Dunkelheit siegen.

Deshalb ist es so wichtig, den Weg der Adventszeit bis Weihnachten festzuhalten – denn in einer Zeit, in der aller Weltwahrheiten um Macht in der Welt kämpfen, in einer Zeit, in der Tendenzen und Trends und Vorstellungen wechseln, ist es wichtig, einander zu versichern, dass die Macht, die Wahrheit, das Licht, das besteht und niemals ersetzt werden kann, die Macht der Liebe in der Welt ist – die Liebe, die der Herr uns gegeben hat und die den Menschen als Richtung im Leben dient. Wir sind bestimmt nicht gut darin, die Liebe zu ergreifen. Wir tun uns schwer, sie zu begreifen. In ihr aber ist das Reich Gottes verborgen, und es wäre töricht, ihr den Rücken zu kehren und die Tore vor unseren Augen zu schliessen zu lassen.

Amen.

Laura Lundager Jensen
Ev. Pfarrer in Osted
Luje(a)kp.dk