
Galater 6,2
Gedanken für eine Predigt angesichts der Flutkatastrophe | 12. Sonntag nach Trinitatis | 18. August 2002 | Gal 6,2 | Ulrich Nembach |
Galater 6,2: „Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das
Gesetz Christi erfüllen.“
- Lührmann nennt den Vers „eine andere Formulierung für
das Liebesgebot“ und bezieht sich dabei auf Galater. 5,14, dem
Zitat des Gebots der Nächstenliebe in Leviticus 19,18 (Dieter Lührmann,
der Brief an die Galater, in: Züricher Bibelkommentare, 1. Aufl.
Zürich 1978, S. 96). - Die Wiederholung ist eine Konkretion im Kontext von Galater, nämlich
auf die Reaktion auf Fehler von Mitgliedern der Gemeinde. Ich möchte
das Bild der Last wörtlich nehmen. Jetzt gilt es, dem Nächsten,
dem Wohnungsnachbarn, dem Straßennachbarn, dem im benachbarten
Bundesland zu helfen, und zwar heute während und vor der Flut,
morgen während der Flut und übermorgen nach der Flut. - Der Aufruf von Organisationen wie des Diakonischen Werkes ist eine
Möglichkeit, aus der Ferne zu helfen. Die Organisationen können
und werden sehr direkt unterstützen, wo andere nicht hinkommen.
Auch das hoffentlich eng geknüpft werdende staatliche Netz wird
Lücken haben. Ferner sehen Organisationen oft die Menschen persönlich.
Einer der Mitarbeiter des Diakonischen Werkes in Magdeburg ist direkt
schwer getroffen worden.
Die Bilder und die Zahlen aus den Katastrophengebieten lassen oft vergessen,
dass die Menschen, jede und jeder einzelne getroffen ist, privat und
beruflich. - Ferner geht es auch um die Gemeinden. Die erschreckenden Bilder der
mitten im Wasser stehenden Kirche in Grimma und der Menschen dort stehen
für die Gemeinden. Menschen waren in die Kirche geflüchtet
vor dem schnell – zu schnell für viele – kommenden Wasser. Am Morgen
nach der Flut, als das Wasser so schnell aus Grimma verschwunden war,
wie es zuvor kam, fragte der Pastor an der Kirche stehend nach den Menschen
und was aus ihnen werden wird. Die Kirche werden wir schon in Ordnung
bekommen, meinte er. Sie steht schon 800 Jahre und wird hoffentlich
noch 800 Jahre stehen, aber was ist mit den Menschen. Wer hilft ihnen? - Die Flut der Elbe trägt zwei Gesichter. Einmal kam sie überraschend
und sehr schnell. Noch als das Wasser der Elbe über die Ufer getreten
war, nutzten manche die Gelegenheit, um zum Spaß durch das sommerlich
warme Wasser zu spazieren. Die Elbe bot sommerliches Strandvergnügen.
Dann wurde plötzlich Ernst daraus, in manchen Fällen gar tödlicher
Ernst. - Andere können, müssen sich auf das Kommen des Wassers vorbereiten.
Das ist das zweite Gesicht der Flut. Werden sie die Zeit nutzen? Wird
auch ihnen später geholfen werden, wenn alle getroffenen Vorbereitungen
nicht genützt haben? - Das Fernsehen und die Politik reagieren schnell mit Hilfen. Was tun
wir, die sonntägliche Gemeinde hier vor Ort – wo dieser Ort konkret
auch liegt? Bieten Gemeinden in direkter Nachbarschaft nachbarschaftliche
Hilfe denen an, die in Zelte fliehen mussten – oder was auch immer für
„Zelte“ stehen mag? Spenden wir weiter entfernt Wohnenden? - Was solche Hilfe wert ist, erlebte ich vor Jahren sehr direkt. Meine
Tochter war damals in einem Pfadfinderlager. In der Nacht, während
des Schlafes, zerstörte ein plötzlich auftretender schwerer
Sturm mit Regenf binnen Minuten das ganze Lager. Ein Baumstamm, der
das große Zelt mittrug, in dem meine Tochter schlief, krachte
wenige Zentimeter neben ihr zu Boden. Sie konnte sich retten. Menschen
kamen aus dem nahe gelegenen Ort trotz Regen und Sturm. Sie retteten
die Kinder. Die Bilder von damals standen meiner Tochter vor Augen,
als sie die Bilder aus Dresden, Passau und von anderswoher sah. Sie
erinnerte mich daran. - Das Wort, das sagt, dass geteiltes Leid, halbes Leid ist, trifft
den Kern unserer Aufgabe. - Über all dem Aktionismus, der jetzt gefragt, dringend gefordert
ist, sollen wir nicht vergessen, was Paul Gerhard in seinen Versen ausdrückt.
Er, der in Gräfenhainichen nicht weit von der Elbe entfernt, geboren
wurde und in Wittenberg an der Elbe studierte, lebte zur Zeit des 30-jährigen
Krieges, als die Flut der Gewalt übers Land raste. Er dichtete:
„Der Herr wird viel Gutes tun,
das Land wird Früchte geben,
und die in seinem Schoße ruhn,
die werden davon leben“ (EG 283,7)
…. nicht im Jahr 2002, wenn sie Hilfe brauchen, aber 2003.
Prof. Dr. Dr. Ulrich Nembach
unembac@gwdg.de
Pressemeldung:
EKD ruft zu Spenden für Hochwassergeschädigte auf
Ratsvorsitzender: Anerkennung für HelferInnen
14. August 2002
„Unser Mitgefühl und unsere Trauer gilt den Opfern des Hochwassers
und den Menschen, die bei dieser Katastrophe bisher ums Leben gekommen
sind – in Deutschland aber auch in Österreich, Tschechien und in
Osteuropa“, so Präses Manfred Kock, der Vorsitzende des Rates
der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Angesichts der aktuellen
Not hat die Diakonie Katastrophenhilfe bundesweit zu Spenden aufgerufen.
Das Spendenkonto ist: Diakonie Katastrophenhilfe, Konto 502 707, Postbank
Stuttgart, BLZ 600 100 70, Stichwort „Flut“ oder online unter
www.diakonie-katastrophenhilfe.de/spenden/
Präses Kock rief alle evangelischen Christinnen und Christen dazu
auf, die Hilfsmission mit ihrer Spende zu unterstützen. Um ein langfristiges
Hilfsangebot für die Geschädigten leisten zu können, regte
er zugleich an, dass die evangelischen Gemeinden die Kollekte an einem
der kommenden Sonntage für die Hochwasserhilfe des Diakonischen Werkes
umwidmen.
Besondere Anerkennung verdienten, so der Ratsvorsitzende, die Leistungen
der vielen Helferinnen und Helfer, die in den Hochwassergebieten zum Teil
unter Einsatz ihres Lebens Menschen retten und versuchen, die schlimmsten
Folgen der Katastrophen abzuwenden. „Das Technische Hilfswerk, die
Bundeswehr, die Feuerwehr und die vielen Freiwilligen geben ein beeindruckendes
Zeichen von Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe.“
Auch die evangelische Kirche leistet vor Ort aktive Unterstützung.
Zu den Hilfsangeboten von Kirche und Diakonie gehört unter anderem
die Bereitstellung von Notunterkünften in Gemeindehäusern sowie
die seelsorgerische Betreuung der Hochwassergeschädigten sowie der
Helferinnen und Helfer.
Die evangelische Kirche schließt die Betroffenen in ihre Fürbitten
mit ein und wünscht den Menschen in ihrer Lage die nötige Kraft
und den erforderlichen Mut.
Hannover, den 14.08.2002
Pressestelle der EKD
Link
zur Landeskirche in Sachsen: http://www.landeskirche-sachsen.de
Wort des Landesbischofs aus Anlass der Flutkatastrophe in
Sachsen
14. August 2002
Kanzelabkündigung
für Sonntag, den 18. August 2002 (12. Stg. nach Trinitatis)
in allen Gemeinden der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens
Liebe Schwestern und Brüder,
die unheimliche Flut, die sich in diesen Tagen über weite Teile Sachsens
ergossen hat, beschäftigt unsere Gedanken und unsere Herzen. Ein
Ende der Auswirkungen der Flut und das Ausmaß des entstandenen Schadens
sind noch nicht übersehbar. Leider sind auch Menschenopfer zu beklagen.
Die Ängste, die unmittelbar von der Flut Betroffene durchgemacht
haben, können wir nur erahnen. Bedrückende Ungewissheit vor
der Frage, wie es nun weitergehen kann, treibt viele Menschen um. Ich
denke dabei auch an unsere Bauern. Der Vorschlag, die Gottesdienstkollekte
dieses Sonntages für die Opfer der Katastrophe zu sammeln, ist sicher
nur ein erster, spontaner Versuch, unserem Mitgefühl mit den Betroffenen
Ausdruck zu verleihen. Wir haben Nachrichten, dass auch andere Landeskirchen
zu Kollekten aufgerufen haben. Lasst uns offen sein für alle Möglichkeiten,
zu helfen.
Was aber sagen wir von unserem Glauben her zu dem allen? In Psalm 29,
10 steht der Satz:
Der Herr hat seinen Thron über der Flut,
der Herr bleibt ein König in Ewigkeit.
Hinter einem solchen Satz steht die uralte Erfahrung von der bedrohenden
Gewalt des Wassers. In der Offenbarung des Johannes heißt es darum
im Blick auf den erwarteten neuen Himmel und die erwartete neue Erde,
dass da das Meer, also die bedrohende Gewalt des Wassers, nicht mehr sein
wird. Bis dahin gilt der Glaube, dass Gott seinen Thron über der
Flut hat. Wir meinen, heute klügere Weltbilder zu haben. Und doch:
Das, was uns betroffen hat, bringt uns in die Nähe solch alter, großer
Schriftworte. Es ist aber auch voller Fragen, nicht nur an von Menschen
verschuldete Ursachen. Die Betroffenen werden auch nach Gott fragen, der
nach unserem Glauben über den Fluten ist. Wir wollen uns hüten
vor schnellen Antworten. Aber wir wollen uns mit aller Hoffnung für
die Zukunft gründen im zweiten Teil dieses Psalmwortes, das bekennt:
Der Herr bleibt ein König in Ewigkeit.
In der Verbundenheit unseres Glaubens bin ich mit vielen Grüßen,
auch im Namen der Schwestern und Brüder des Landeskirchenamtes,
Euer
Volker Kreß
Landesbischof
Dresden, am 14. August 2002