
Apostelgeschichte 1,1-14
Wirkliche Sicherheit | Exaudi | 01.06.2025 | Apg 1,1-14 | Sarah Bach |
Lesungstext: Epheser 3, 14-21
Ich lade euch heute morgen in die Gedanken- und Gefühlswelt der Jüngerinnen und Jünger Jesu ein, wie diese vielleicht in den Tagen nach seiner Himmelfahrt ausgesehen hat.
Wir stellen uns für einen Moment in ihre Schuhe.
Wem es hilft, darf für diesen nächsten Teil die Augen schliessen:
Nach der Auferstehung durftet ihr einige wunderbare Tage mit Jesus verbringen. Ihr habt nochmals miteinander gegessen, gelacht, konntet Jesus zuhören, wie er von seinem Vater sprach. Er sprach davon, dass bald der Heilige Geist über euch kommen wird. Wann genau, das wisse nur Gott. Und dann wurde Jesus vor euren Augen in den Himmel emporgehoben. Er geht zu Gott und ihr seid immer noch hier auf der Erde. Kurz nachdem dies geschehen ist, erscheinen zwei weiss gekleidete Männer plötzlich bei euch; ob es wohl Engel waren? Sie prophezeien euch, dass Jesus eines Tages wiederkommen wird, so plötzlich wie er eben gerade emporgehoben wurde. Ihr kehrt also nach Jerusalem zurück und versammelt euch dort. Wie fühlt ihr euch?
(nach Apostelgeschichte 1, 1-14)
Ihr dürft die Augen wieder öffnen.
Wie fühlte es sich wohl an, als Jüngerin oder Jünger zu jener Zeit?
(je nach Gemeindekontext: Wortmeldungen einholen aus der Gemeinde)
Wenn ich mich in ihre Position hineinversetze, fühle ich viel Unsicherheit. Jesus, mit dem die Jünger:innen eine so lange Zeit intensiv unterwegs waren. Von dem sie fürchteten, dass sie ihn verloren hatten, als er starb. Mit dem sie feierten, als er auferstanden war. Dieser Jesus ist nun nicht mehr mitten unter ihnen. Er kann ihnen ihre Fragen nicht mehr beantworten, er ist nicht mehr direkt neben ihnen als Zeichen dafür, dass jetzt etwas Neues, etwas Mächtiges angefangen hat. Das fühlt sich für mich nach grosser Unsicherheit an und nach grosser Angst.
Mir wäre es als Jüngerin nicht so wohl gewesen in diesen Tagen, denn sie haben ja keine Ahnung, was sie jetzt erwarten wird. Wie wird die Geschichte weitergehen, welche Sicherheiten haben sie denn überhaupt noch?
Ich denke, dass die Jünger:innen hier an einem Scheidepunkt stehen: Sie könnten sich von der Angst und Unsicherheit leiten lassen, könnten sich an etwas «Scheinbares» klammern, das ihnen irgendeine Form von Kontrolle verspricht, eine neue Autoritätsperson zum Beispiel, nur um ein Gefühl der Kontrolle zurückzuerlangen.
Es wäre eine falsche, nur scheinbare Form der Kontrolle, aber besser als nichts, oder?
Oder sie können sich an der Sicherheit orientieren, die ihnen Jesus mitgegeben hat, auch wenn diese etwas wackliger ist und unfassbarer.
Schauen wir nochmals auf die letzten Worte, die Jesus an den Kreis der versammelten Jünger:innen richtet:
Jesus gibt den Jüngern sehr klare Anweisungen: sie sollen Jerusalem nicht verlassen. Sie sollen abwarten. Sie sollen warten auf den Heiligen Geist, der ihnen Jesus versprochen hat. Und er gibt ihnen einen klaren Auftrag mit: die Jünger und Jüngerinnen sollen Zeugen von Jesus sein. Nicht nur in Jerusalem, sondern auch in anderen Teilen Israels und über diese Grenzen hinaus in der ganzen Welt. Daneben gibt er ihnen auch eine klare Antwort in Bezug auf, was als nächstes geschehen wird: als die Jünger danach fragen, ob das Reich Israel und damit meinen sie das grosse, versprochene Reich Israel wie es zur Zeit Davids war, von Jesus wieder hergestellt wird, sagt er ihnen klar, das liegt nicht in ihrer Kontrolle. Diesen Zeitpunkt kennt alleine Gott, die Jünger brauchen nicht zu wissen, was in diesem Bereich Gottes Plan ist.
(nach Apostelgeschichte 1, 4-8)
Wenn wir die letzten Worte von Jesus anschauen, sehen wir nämlich, dass Jesus den Jünger:innen eine Sicherheit nimmt und aber auch zwei Sicherheiten gibt.
Jesus nimmt den Jünger:innen eine Sicherheit:
Jesus gibt den Jünger:innen keine Sicherheit, wenn es darum geht, dass sie nun den genauen Fahrplan bis zum Ende aller Zeiten kennen. Sie wissen nicht, wann Jesus wiederkommen wird, und sie wissen nicht, wann das neue Reich Gottes anbrechen wird. Sie sind lange Zeit davon ausgegangen, dass noch in ihrer Lebenszeit Jesus wiederkommen wird. Und jetzt ist es 2’000 Jahre später und diese Sicherheit, diese Kontrolle haben wir noch immer nicht. Es steht nicht in unserer Macht zu wissen, wann Jesus wiederkommen wird. Das weiss Gott und nur Gott. Diese Sicherheit fehlt uns, egal was manche gross behaupten und in den Zeichen dieser Zeit zu deuten versuchen.
Und trotzdem glaube ich, dass Jesus den Jüngern auch zwei sehr grosse Sicherheiten mitgibt.
Die erste Sicherheit, die Jesus gibt: Begleitung durch den Heiligen Geist
Jesus verspricht den Jünger:innen, dass der Heilige Geist über sie kommen wird und bei ihnen bleiben wird. Damit wissen sie vielleicht nicht mehr über den konkreten Weg, aber sie bekommen eine Sicherheit darin, wer ihr Wegbegleiter sein wird, wie auch immer dieser Weg dann aussehen wird.
Daneben gibt Jesus aber den Jüngern auch eine zweite Sicherheit und die ist vielleicht ein bisschen schwieriger zu erkennen.
Die zweite Sicherheit, die Jesus gibt: der Auftrag Zeugnis zu geben
Jesus gibt den Jüngern eine klare Aufgabe, er gibt ihnen ein Ziel.
«Aber wenn der Heilige Geist auf euch herabkommt, werdet ihr Kraft empfangen. Dann werdet ihr meine Zeugen sein – in Jerusalem, in ganz Judäa und Samarien und bis ans Ende der Welt.» (Apostelgeschichte 1,8)
Die Jünger wissen, was ihre Aufgabe ist, sie wissen, warum sie noch auf der Erde gelassen werden, auch wenn Jesus jetzt bereits in den Himmel vorgegangen ist. Ihre Aufgabe ist es, Zeuge zu sein, das weiterzuerzählen, was Jesus ihnen gesagt hat und nach seinem Vorbild ihr Leben zu gestalten. Deswegen sind sie auf dieser Erde, dazu sind sie berufen.
Und diese beiden Sicherheiten, die haben wir auch heute noch.
Denn wir haben noch genau den gleichen Auftrag: auch wir sollen heute Zeugen sein, von dem, was Jesus in unserem Leben und im Leben vieler anderer bewirkt.
Und Zeuge heisst nicht unbedingt, irgendwo auf dem Marktplatz mit Megafon zu predigen. Das Bezeugen vom Wirken und Leben von Jesus fängt bei ganz kleinen Handlungen an: wenn du auf deine Mitmenschen achtest, ihnen etwas Gutes tust. Geduldig bist, wertschätzend bist, dankbar bist und dies auch ausdrückst. Mit anpackst, wo Hilfe gefragt ist, Solidarität lebst, auch über Landesgrenzen hinaus. Es gibt 1000ende Möglichkeiten, wie du eine Zeugin sein kannst und deine Art Zeuge zu sein wird so einzigartig sein, wie Gott dich geschaffen hat.
Und wir haben auch heute noch, in allen anderen Unsicherheiten, eine Sicherheit in unserer Wegbegleitung. Die heilige Geistkraft ist auch heute mit uns unterwegs. Sie begleitet uns auf den sicheren und den unsicheren Wegen und hilft uns, unsere Zeugenschaft zu leben. Die heilige Geistkraft verbindet dich mit Gott und mit deinen Mitmenschen und stärkt dich so auf allen Wegen.
Ich wünsche dir, dass du diese Sicherheit heute und in dieser Zeit ganz besonders spüren kannst.
Amen.
Sarah Bach
Bern
Sarah Bach, geb. 1992, Pfarrerin der Evangelisch-methodistischen Kirche Schweiz und Doktorandin der Theologischen Ethik am Institut für Sozialethik der Universität Zürich.