
Apostelgeschichte 16,9-15
Gottes Wort lässt seine Verbreiter und Empfänger die rechte Mitteilung finden | Sexagesimä | 24.02.25 | Apg 16,9-15 | Markus Kreis |
„Du sollst Abos verkaufen!“ „Ich habe heute schon viele Abos verkauft.“ „Dann noch mehr!“ Vorfall bei der Didacta am Stand eines Verlags für Schulzeugs. Beteiligt waren ein jüngerer Herr, dem Tonfall nach der Oberchef, eine etwa gleichalte ca. vierzigjährige Dame und eine ältere Dame ca. fünfzig. Und meine Wenigkeit als einer, der das Ganze mitgekriegt hat. Ich war allein Kunde am Stand. Und nachdem ich von der älteren beraten worden war, schaute ich mich selbständig um. Da gesellte sich eine jüngere Frau vom Verlag zu der älteren und es entspannte sich zwischen den beiden ein kurzes Gespräch a la wie lief es bisher und so weiter. Dann kam der jüngere Herr dazu. Dem suchte die jüngere Frau von sich aus zu erklären, warum sie als Standleute sich besprochen haben statt am Kunden zu hängen. Der hörte nur kurz zu, unterbrach und meinte dann zu der älteren: „Du sollst Abos verkaufen!“ Die entgegnete: „Ich habe heute schon viele Abos verkauft.“ Worauf er blaffte: „Noch mehr Abos!“
Wow, was hat denn den da gerade geritten? Die Dame hatte mich gut beraten, auch am PC, obwohl sie laut Namensschild auf ein Fach spezialisiert war, das mit meinem rein gar nix zu tun hatte. Sie schien mir sehr zugewandt, kompetent und erfahren. Und ihr Chef tat so, als ob ihr total entginge, was auf der Messe ihre Aufgabe wäre – die sie wahrscheinlich schon eifrig wahrgenommen hat, als er noch mit seinem Studium beschäftigt war. Ins Auge gefallen ist mir bei der Szene noch, dass der Chef eine Körpergröße hatte, die für einen Mann gut unter dem Durchschnitt liegt, die ältere Frau lag knapp unter dem Mittelmaß für Frauen. Mir schoss es durch den Kopf: Leidet der etwa unter dem Napoleonkomplex? Zugegeben, die ganze Geschichte, die sich da zwischen den Akteuren abgespielt hatte, die kannte ich ja kaum. Wer weiß, was da vorher alles schon gelaufen war.
Aber wenn jemand so chefmäßig und selbstsicher daherkommt, dann merke ich immer auf. Der oder die wird von mir unwillkürlich gecheckt. Ich möchte dann spüren und wissen: Dieser Wille Einfluss zu nehmen, zu gestalten, welcher Quelle entspringt der? Ist es tatsächlich ein reines Wünschen, Können und Wirken? Und dazu noch vielleicht sogar in aller Demut, sprich er oder sie hat dabei die eigenen Grenzen gut im Blick!? Oder ist da noch was anderes im Spiel? Klaro, jeder erwischt hin und wieder mal einen schlechten Tag oder macht unbedacht eine Bemerkung, die er besser unterlassen hätte. Und ebenfalls klar: Neben dem Zuckerbrot und Zuwendung muss ein Chef auch mit der Peitsche und Entzug umzugehen wissen. Wenn man länger und enger mit einem Menschen zu tun hat, dann kristallisiert sich schon heraus, ob da noch maßgeblich anderes im Schwange ist.
Bricht bei einem Ansager immer wieder die Regung durch, andere zu drangsalieren oder kleinkariert zu kontrollieren? Oder gar gegen Mitarbeiter oder Kunden zu intrigieren und ihnen Schaden zuzufügen? Sei es aus Arroganz, weil Chefmensch sich überhebt und für etwas Besseres hält, weil er alles besser weiß. Oder sei es aus Wut in Ohnmacht, weil Chefmensch versagt ist, seine Leute zu bewegen und zu motivieren, egal ob auf Ebene des Verstandes, der Gefühle oder des Körpers. Oder ist die Lust am Wirken und Gestalten durch ein Gutteil von Missgunst begleitet? Wird also die gute Leistung von anderen öfter mal untergebuttert, verschwiegen oder gar schlechtgemacht? Oder freut sich Chefmensch, wenn einem Konkurrenten im Betrieb oder einem guten Mitarbeiter ein Fehler unterläuft, eine große Aufgabe misslingt? So frei nach dem Motto. Ha, das hab´ ich doch kommen sehen, wenn man mich gefragt hätte, dann hätt´ ich ja gewarnt und dergleichen Gerede mehr. Gebaren von Dominanz, angefressen von der Angst, es selbst kaum besser drauf zu haben. Wenn andere Erfolg haben, Missgunst als Ausfluss von Dominanz, entsprungen aus der Verzweiflung, vielleicht selber weniger Glück zum guten Gelingen zu kriegen, wenn es drauf ankommt. Tiefes Misstrauen gegenüber dem Leben als Quelle für Schadenfreude. Einfluss zeigen wollen, indem man Gefallen daran findet, wenn einer scheitert, der sonst recht erfolgreich ist.
9 Und Paulus sah eine Erscheinung bei Nacht: Ein Mann aus Makedonien stand da und bat ihn: Komm herüber nach Makedonien und hilf uns! 10 Als er aber die Erscheinung gesehen hatte, da suchten wir sogleich nach Makedonien zu reisen, gewiss, dass uns Gott dahin berufen hatte, ihnen das Evangelium zu predigen. 11 Da fuhren wir von Troas ab und kamen geradewegs nach Samothrake, am nächsten Tag nach Neapolis 12 und von da nach Philippi, das ist eine Stadt des ersten Bezirks von Makedonien, eine römische Kolonie. Wir blieben aber einige Tage in dieser Stadt. 13 Am Sabbattag gingen wir hinaus vor das Stadttor an den Fluss, wo wir dachten, dass man zu beten pflegte, und wir setzten uns und redeten mit den Frauen, die dort zusammenkamen. 14 Und eine Frau mit Namen Lydia, eine Purpurhändlerin aus der Stadt Thyatira, eine Gottesfürchtige, hörte zu; der tat der Herr das Herz auf, sodass sie darauf achthatte, was von Paulus geredet wurde. 15 Als sie aber mit ihrem Hause getauft war, bat sie uns und sprach: Wenn ihr anerkennt, dass ich an den Herrn glaube, so kommt in mein Haus und bleibt da. Und sie nötigte uns.
Gottes Geist nutzt Träume, um seine Botschaft an den Menschen zu bringen. Wenn man den erzählten Traum bedenkt, wird klar, warum das hier besonders ist. Paulus erzählt von nur einem Akteur: ein ihm unbekannter Mann aus Makedonien, woran auch immer das im Traum für ihn zu erkennen war. Vielleicht an einer Färbung in Sprache und Tonfall. Und der Unbekannte sagte nur einen Satz, nämlich: Mache Dich auf nach Makedonien und hilf uns! Sehr einfach gestrickt, das Ganze. In anderen Träumen der Bibel passiert da mehr. Da kommt außer dem bloßen Wünschen, Wollen und Wirken sollen eines Träumers mehr vor. Sei es, dass es mehr Akteure gibt, die in Gegnerschaft zueinander stehen statt in Gefolgschaft. Wie in Josefs Traum von seiner Getreidegarbe. Die streckt sich stramm und grad in den Himmel. Aber die Garben seiner Brüder erheben sich eine jede krumm und mit Mühe über das Feld und neigen sich dabei stark in Richtung von Josefs Garbenpracht. Oder dass sich Ereignisse scheinbar gleich wiederholen, dann aber in eine komplett andere Richtung entwickeln im Vergleich zum ersten Geschehnis. Sieben Kühe entsteigen dem Nil, beim ersten Mal sehr fett, beim zweiten Mal die Tiere äußerst mager. Und dann fressen die mageren die fetten, ohne davon dicker zu werden. Im Traum des Paulus jedoch geht es ganz einfach zu. Der Wissenschaft sind solche sehr einfachen Träume bekannt und viele Menschen dürften damit schon zu tun gehabt haben. Solche Träume geben nämlich ein Ereignis wieder, das sich im Körper des Träumers abspielt, ein Vorgang im inneren Leben des Körpers. Wenn Mensch zum Beispiel träumt, dass er stetig im Fallen ist, ohne je abgesprungen zu sein oder auch nur irgendeine Landung in Aussicht zu kriegen – dann handelt sich darum, dass im Blutkreislauf etwas angepasst werden muss. Das ist medizinisch erforscht und gesichert. Wer über fünfundzwanzig, dreißig Jahre alt ist, bei dem bleiben diese Sturzträume im Normalfall aus. Da ist mit dem Kreislauf alles im Lot, ohne dass da etwas durch Auswachsen erst passend gemacht werden muss.
Der Traum stellt dem Paulus eine Art göttliche Vollmacht aus. Nach Mazedonien mit dem Boot zu übersetzen, um dort helfend tätig zu werden, das ist dann als ein Befehl und Ereignis zu betrachten, das im Innern des Körpers von Paulus längst ausgelöst ist. Und bei dem es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis das nach außen tritt, bis der Körper des Paulus diesem inneren Vorgang draußen in der Welt entspricht. Da kommt nichts dazwischen, dieses Ereignis wird sich zwangsläufig genauso abspielen, ohne dass da noch irgendwas zu verhindern ist. So die Bedeutung des Traumes.
Sich so einer Sache sicher zu sein, da träumt sich jeder und jede gern hinein, einerseits. Andererseits, so ein klares eindeutiges Wünschen, Wollen und Wirken, ohne jedes Wenn und Aber, das befremdet auch ein bisschen. Woran liegt das? Zum einen: Dominanz wird in unseren Breiten heute nur ungern offen gezeigt. Viele, die von unten zum Chef gewählt worden sind, aber auch solche, die von oben dazu ernannt, die machen das anders. Die tun so, als ob das mehr dem Lauf der Spielregeln zu verdanken ist als ihrem persönlichen Wünschen, Wollen, und Wirken. Wer da eher bescheiden ist, setzt schließlich auch die Latte, an der er von seinen Mitarbeitern gemessen wird, weniger hoch. Zum anderen: Das liegt wie vorhin gesagt, an den Antennen, die wir Menschen ausfahren, wenn mensch so selbstsicher auftritt und kräftig offen mitmischt im Geschehen.
Paulus jedenfalls fühlt sich dank des Traums entschieden und hat zu sich gefunden. Liest man die Vorgeschichte zu diesem Traum und Entschluss, dann ist diese Einheit von Gottes Geist und dem Geist des Paulus erstaunlich. Kurz zuvor sah es bei Paulus mit seinem Wünschen, Wollen und Wirken aus einem Guss nämlich noch völlig anders aus.Paulus hatte für seine zweite Reise einen Plan im Sinn. Die Küste des Libanons hinter sich, gedachte er von Ost nach West im Bereich der ganzen türkischen Südküste entlang zu reisen; mittig hatte er einen Abstecher mehr ins Landesinnere vorgesehen. Dort wollte er die Gemeinden besuchen, die er auf seiner ersten Reise ins Leben gerufen hat, und er tat das auch, schaute dort nach dem rechten und baute sie weiter aus. Dann wollte er wieder Richtung Südküste, um in deren Bereich Richtung Westen zu reisen. Da war aber Gottes Geist vor und verwehrte ihm das Ansinnen. Details zum Wirken des Geistes werden in der Geschichte außen vorgelassen. Wie dem auch sei, auf gehts jedenfalls, statt Richtung Südküste jedoch weiter nördlich ins Landesinnere, in die heutige Zentraltürkei und dann von dort mittenmang durchs platte Land Richtung Westen, auf die Dardanellen zu, wo Mittelmer und Marmarameer einander treffen. Auch hier plante Paulus anders. Er erwog kurz vor dem Ziel, wieder Richtung Norden die Biege zu machen, um an die Schwarzmeerküste zu marschieren. Und wieder packte ihn der Geist am Schlafittchen, zog ihm einen Strich durch die Rechnung und bedeutete ihm: Du bleibst mir mal schön hier auf dem Teppich und geraden Weg Richtung Dardanellen, mein Lieber.
Da sind sich der Geist von Paulus und der von Gott alles andere als einig gewesen. Gründe hätte es mehr als genug gegeben, um Paulus bei der Mission Mazedonien zu befragen: nach Angst vor Versagen und ohnmächtiger Wut. Oder nach Verzweiflung und blindem Tun auf gut Glück oder Pech. Bei so einer Vorgeschichte wäre es verständlich gewesen, wenn der Begleiter Lukas mal aufgemuckt hätte. Oder wenigstens nachgefragt hätte, was den Paulus so selbstsicher in dieser Sache machte. Lukas folgte ihm quasi blind statt zu fragen: Ist die Mission Mazedonien, also die Fahrt in totales Neuland, vielleicht eine Schnapsidee? Die nur in einer Art totalem Bankrott enden kann? Oder sah er neben einem Ausflug a la Kamikaze auch die Chance auf einen Ritt über den Bodensee, so nach Art der Husaren? Klappt ja manchmal, dass man so wider Erwarten einen Erfolg verbuchen kann, wenn man plötzlich vor dem Gegner auftaucht, der darüber erschreckt und sich überrumpeln lässt. So ähnlich wie einzelne arme Schlucker oder mittellose Einwanderer aus Europa in die USA kamen und dort unversehens auf die Seite der Gewinner wechselten. Der Text schweigt dazu, falls Lukas um Paulus solche Gedanken wälzte. Das Wort des Geistes hat Paulus zu dieser Zeit anscheinend so selbstsicher auftreten lassen, dass die Wirksamkeit seines Wünschens, Wollens und Tuns außer Frage stand.
Und schließlich war die Mission Mazedonien gelungen, hat sich aus der Überfahrt eine gute Sache entwickelt. Paulus hat dort Zuhörer gefunden, gesprochen und wirksam geredet. Er hat eine Frau überzeugt, die übrigens wie Paulus ursprünglich fremd in Mazedonien war und ähnlich ihm von der Küste weiter östlich gekommen. In der Fremde hat also ein Fremder eine ihm und vor Ort gleichfalls Fremde überzeugt und gewonnen! Lydia, ihres Zeichens Händlerin für Purpur, die ließ sich und die ihren taufen. Vielleicht war Paulus von ihr irritiert, denn im Traum hatte ihn jemand völlig anderes angesprochen: ein Mann und Mazedonier, der hatte da ihn um Hilfe gebeten. Gelandet war er aber bei einer Frau statt einem Mann. Und die war statt einheimisch zu sein, wie er aus dem Osten nach Mazedonien gekommen, nur aus Lydien halt. Und auch das mit dem Helfen hat sich nur in einem sehr begrenzten Sinn als wahr erwiesen. Zum einen war Lydia wesentlich reicher als Paulus, was das anging, dürfte das Helfen wohl eher anders rum gelaufen sein. Und wie Paulus war sie selbstsicher und hat allermeist sehr gut gewusst, was sie tat, statt auf den Kopf gefallen zu sein. Sie hatte ihren eigenen Kopf und debattierte mit Paulus, wenn sie es für richtig hielt. Wenn sich zwei Dominante treffen, dann wird es spannend. Wer weiß, was in des Apostels Kopf vorging? Vielleicht hatte es ihn schwer beschäftigt, dass der Erfolg zwar eingetroffen war, wenn sich auch die Vorzeichen im Traum damals jetzt recht anders zeigten. Jedenfalls zierte er sich gegenüber Lydia, als die ihn zu sich nach Hause einlud. Die wiederum erkannte, dass das sehr merk- und fragwürdig von Paulus ist. Denn einerseits bezeichnete er Gottes Wirken in Jesus als gastfreundlich, und Gottes neue Leute als dessen neue Hausgenossen. Aber als Lydia dem Paulus anbot, für ein paar Tage in ihrem Haus Gast in Gottes Gastfreundschaft zu werden, schien er das kaum zu wünschen. Lydia kam es wahrscheinlich fremdenfeindlich statt gastfreundlich vor, wenn sich der eher arme Paulus ihrer großzügigen Einladung verweigerte. Als wollte er lieber allein Gott spielen und nur geben statt auch mal andere ran zu lassen. Schließlich gibt es kaum ein besseres Bild für Gottes Gastfreundschaft und die Gleichheit seiner Leute als die Bekanntschaft dieser zwei: Wenn in der Fremde ein Fremder eine ihm und vor Ort gleichfalls Fremde überzeugt und für Gott gewinnt! Und dabei beide geben und nehmen! Paulus gelang es schließlich, über seinen Schatten zu springen. Und sie nötigte uns, schreibt Lukas. Er erkannte in Lydias Einladung doch noch Gottes Wort und Ansage wieder. Und stellte in der Folge seine Dominanz unter die ihre. Anderen ihr Recht zu geben, auch wenn es einem persönlich zuwider ist – laut Gottes Wort gehört das so, wenn Menschen selbstsicher und wirksam unter ihm leben. Amen.
Markus Kreis OStR
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