
EG 80 „O Traurigkeit, o Herzeleid“
Predigtreihe „Passion im Lied“ | Karsamstag | 14.4.2001 | EG 80 „O Traurigkeit, o Herzeleid“ | Reinhard Gräler |
Liebe Gemeinde,
wir befinden uns heute am tiefsten Punkt des Kirchenjahres. In den vergangenen sechs Wochen sind wir in den Passionsandachten dem Leidensweg Jesu gefolgt. Nach Verrat, Abschied, Leidensankündigung, Verleugnung und Verurteilung ist nun die Kreuzigung gefolgt. Wir gedenken des Tages, an welchem Jesus weder lebt noch schon auferstanden ist, am Tag der großen Hoffnungslosigkeit. Und in großer Bestürzung wird das Karfreitagsgeschehen beobachtet und betrauert: „wir setzen uns mit Tränen nieder“. Kein Verb der Bewegung mehr erscheint in diesen fünf Strophen des Liedes „O Traurigkeit“; wenn sich irgendetwas bewegt, dann in der Vergangenheit: „deine Sünd hat dieses angerichtet“. Der Körper ist still und erstarrt. Und in diese Erstarrung hinein erklingt sechsmal der Ausruf „O“, das Anzeichen für eine außerordentliche Gemütsbewegung: „O Traurigkeit, o Herzeleid, o große Not, o Menschenkind, o selig ist, o, Jesu, du“. Lassen Sie uns doch für einen Moment Revue passieren, was nötig ist, um Ihrem Mund dieses „O“ zu entlocken: ein überraschendes Geschenk, eine ebenso überraschende Situation, oder in anderer Tonlage, die Erfahrung großen Leides, großer Hoffnungslosigkeit oder Verzweiflung, der Laut der antiken Klageweiber. Und hören oder singen Sie die ersten zwei Zeilen dieses Liedes: es sind beides lediglich kurze Atemstöße, ein geradezu hoffnungsloses Aufstöhnen, deren letzte Note immer unter der ersten liegt. Wie ein viersilbiger Seufzer: „O Traurigkeit! – O Herzeleid“. Und jetzt der im Vergleich hierzu große Aufschrei, der siebensilbige Abgesang, genauso absteigend-klagend: „ist dies nicht zu beklagen“, – um am Ende die nackte Tatsache zu schildern: „Gott des Vaters einigs Kind wird ins [das Gotteslob schreibt: zum] Grab getragen“.
Die Melodie ist dem Lied zugeschaffen, wie es der Jesuit und Reformationsgegner Friedrich Spee von Langenfeld ursprünglich gedichtet hat (Gotteslob Nr. 188): „1. O Traurigkeit, o Herzeleid!, 2. O höchstes Gut, unschuldigs Blut, 3. O heiße Zähr, fließ immer mehr, 6. O großer Schmerz, o steinern Herz“, lauter kurzatmige Ausrufe, ein kurzes Stöhnen eröffnet jede Strophe. Das komponierte Lied bildet damit gewissermaßen seinen eigenen Inhalt nach und macht den singenden Menschen zum Medium realistischer Tonmalerei. Der Sänger wird zum Klageweib. Friedrich von Spee malt ein ergreifendes Stimmungs- und anschauliches Naturbild. Die unbeschreibliche Situation des Todes Jesu wird mit allen Mitteln ausgemalt, alles, die gesamte Schöpfung trauert. Besonders ergreifend beschreibt Friedrich Spee diese Stimmung noch in einem anderen Gedicht, im „Trauergesang von der Not Christi im …Garten“(11., 12. Strophe).
Der schöne Mond will untergahn,
vor Leid nicht mehr mag scheinen,
die Sterne lan ihr Glitzen stahn,
mit mir sie wollen weinen.
kein Vogelsang noch Freudenklang
man höret in den Lüften,
die wilden Tier traurn auch mit mir
in Steinen und in Klüften.
Es geht um Bilder, die es dem lesenden, sprechenden oder singenden Menschen die modern sogenannte „Identifikation“ ermöglichen sollen. Die Welt ist stumm und regungslos vor namenlosem Entsetzen über das, was sie selbst getan hat. Annette von Droste-Hülshoff beleuchtet die Szenerie ähnlich (in: Das geistliche Jahr: Am Karsamstage):
„Tiefes, ödes Schweigen,
und die ganze Erd wie tot!
Die Lerchen ohne Lieder steigen,
Die Sonne ohne Morgenrot,
Auf die Welt sich legt
der Himmel matt und schwer,
Starr und unbewegt
Wie ein gefrornes Meer.
O Herr, erhalt uns!“
Mensch und Natur erschauern vor den eigenen Abgründen von Gewalt und Tod.
Die bildreiche Sprache des Friedrich von Spee, die in sechs Strophen das Leiden Christi sowie der Gottesmutter Maria ausmalt, hat Johann Rist nicht gekannt. Ihm ist die erste Strophe zu Gehör gekommen, er hat sie behalten und als Keimzelle eines neuen Liedes verwendet. Bei seiner Liedfassung klart sich der Blick auf, die Bilder werden nüchterner und klarer: In der ersten Strophe wird Traurigkeit erwähnt, erklärt in der zweiten Strophe durch die Not des vom toten Christus alleingelassenen Menschen. Und wer ist schuld? Richtig, in der dritten Strophe heißt es: O Menschenkind, nur deine Sünd. Das Bemühen um Versenkung des Ichs in die Heilsgeschichte bestärkt und verdeutlicht ein berühmter Zeitgenosse Rists, Paul Gerhardt, in dem Lied, „O Welt, sieh hier dein Leben!“: „ich bins, ich sollte büßen“.
Wir haben also die Argumentation verstanden: Große „Traurigkeit“, denn ( o große Not) „Gotts Sohn liegt tot“, und du Menschenkind, nur Du in deiner Sünd „hast dieses angerichtet“. Diese Erkenntnis gilt es zu bedenken:
O selig ist zu aller Frist, wer dieses recht bedenket,wie der Herr der Herrlichkeit wird ins Grab versenket.
In diesem Vers leuchtet schon ein Hoffnungschimmer über aller Totenstille auf: wenn wir wissen und recht bedenken, was in den ersten Versen behandelt worden ist, winkt eine Seligkeit, und zwar zu aller Frist – ich werde noch darauf zurückkommen.
Den Schluß des Liedes bildet die Bitte um Bewahrung vor dem Fall in Sünde, bzw. um Behütung vor Gottvergessenheit. Möge uns dieses Begreifen eine Lehre sein, die uns eine Seligkeit ermöglicht. So wird das Stimmungslied des Katholiken von Spee in der evangelischen Fassung ein Lehrstück, das
die Vergangenheit in der Geschichte der Passion,
die Gegenwart in Betrachtung und Versenkung sowie
die Zukunft in der Bitte um Bewahrung einschließt.
Liebe Gemeinde,
die Reformation hat, „damit das Wort Gottes in Schwange kommt“, Texte für die Gemeinde in Liedform gegossen: Die Musik, insbesondere das gesungene Wort könne die Seele noch stärker erreichen als das bloß gesprochene Wort. Luther schätzt die Musik als eine Macht, die die Seele beruhige und bösem Mut wehre. Und, in der Tat, welches Medium kann den Menschen mehr, umfassender erreichen, als wenn er aktiv Wort und Ton artikuliert, gleichzeitig seinen Köper für die Aktion des Singens und des Hörens bereitstellt und öffnet? Wir sagen über einen Schauspieler, daß ihm ein Rolle „auf den Leib geschrieben“ sei, wenn seine Person eine Einheit mit dem darstellt, was seine Rolle ist. Und so langsam kommen wir dem näher, womit uns dieses Passionslied dienen kann: nicht nur eine Rolle auf, sondern eine Rolle geradewegs in den Leib und in die Seele zu schreiben. Und zwar nicht in Leib und Seele irgendeines Menschen, sondern in unsere eigene Seele, unseren eigenen Leib, beides untrennbar verbunden. So sei auch das Wort der vierten Strophe zu verstehen
O selig ist zu aller Frist, wer dieses recht bedenket
das Wort „bedenken“ ist wohl besser im Sinne eines echten „verinnerlichen“ zu deuten. So können und sollen wir uns diese, vielleicht etwas kitschig anmutenden, Liedverse zueigen machen, sie nicht nur auf, sondern auch in uns wirken lassen. Die Traurigkeit, das Herzeleid gilt nicht uns, es ist keine dritte Person Singular oder etwas ähnliches: es ist unser eigenes Herzeleid, welches uns ankommt, wenn wir langsam begreifen, an welchem Punkt wir am Karfreitag stehen.
Wohl mögen uns die Bilder einer schweigenden Natur sowohl bei Annette Droste-Hülshoff oder bei Friedrich Spee von Langenfeld erbauen, sie mögen Stimmungen in uns erzeugen, die einer leisen Erschütterung nahekommen. Ob wir aber durch zum wahren Erkennen der Heilstat kommen, wenn wir Stimmungsbilder zur Hand nehmen, die in ihrer Anschaulichkeit geradezu an den „holden Knaben im lockigen Haar“ anknüpfen, wage ich zu bezweifeln. Angesagt ist ein stärkerer Eingriff ins Leben des Sängers; wenn das Lied einen Sinn für uns haben soll, muß es einen Lebensbezug, einen Sitz im Leben bekommen. Zur Verdeutlichung dieser Aktualität dieses Liedes eine kleine Rückblende: Ganz am Anfang unseres Gesangbuches (EG 5) finden wir das Adventslied „Gottes Sohn ist kommen“. Und gleich die zweite Strophe kommt zur Sache: „er kommt auch noch heute“. Jede Adventszeit, jedes Weihnachtsfest ist nicht nur eine Erinnerung, sondern eine Ermahnung, sich zu besinnen, was wichtig ist, wer der Herr der Welt ist. Und so, wie das Adventslied davon singt, daß er noch heute kommt – so bedenken wir es recht: so stirbt er auch noch heute. Wir singen nicht von einer historischen Begebenheit. Wiegen Sie sich nicht sicher in einem zu selbstverständlichen Osterglauben. Befreiung und Erlösung kann nur kommen aus Sklaverei, Gefangenschaft und den ganzen verwandten Lebensumständen, die die Bibel wie ein roter Faden durchziehen, Angst, Not, Trübsal, Hoffnungslosigkeit uvm. Eine Spur legt uns auch das Wörtchen „Frist“ in unserem Lied: wie sehr uns Fristen in unserem Leben zu schaffen machen, muß ich nicht erläutern. Und wann die letzte Frist abgelaufen ist – das haben wir nicht in unseren Händen.
Befreiung und Erlösung kann man nur empfinden, wenn Druck und Angst von der Seele weichen. Und wenn der Druck nicht erkannt ist (wie sagt der Arzt: man weiß gar nicht, wie schlecht es einem eigentlich geht), kann noch keine Befreiung stattfinden. Der Gegner muß erst analysiert werden, bevor man ihn entweder selbst bekämpfen kann, oder: bevor man erkennt, daß man von ihm befreit worden ist. Generalamnestie ohne Schuldbewußtsein ist nicht sinnvoll. Und so ist der Tod Christi ein gegenwärtiger. So, wie wir ein Leben in eigener Verantwortung und in eigener Machtvollkommenheit zu führen wünschen, fährt gewissermaßen der Stachel des Todes nicht in uns, sondern aktuell, gerade jetzt in den, der die Strafe, der den Tod für uns auf sich genommen hat, Jesus Christus bzw. in Gott selbst. Es muß einem kalt den Rücken herunterlaufen bei dieser Vorstellung. An diesem Karsamstag stehe die Jünger da und haben ihren Herrn verraten. Und wir stellen uns in diese Szene hinein und können oder sollen uns, eben nicht getrost, mit angesprochen fühlen.
Unser Vorbild sind zwölf Menschen, die, jeder für sich, wissentlich den Tod Jesu verschuldet haben und die noch nichts von seiner Auferstehung ahnen, geschweige denn, glauben. Der Verräter Judas wählt den Freitod. Was mag in den anderen vorgehen? Was, wenn jetzt die Frist für eine Vergebung abgelaufen wäre? Wenn der Tod des Gottessohnes Jesu eine nicht vergebbare Schuld wäre? Die Worte „O Traurigkeit, o Herzeleid“ zeigen diese Gewissensnot und Angst in einem noch zu schönen Licht. In einem alten Gesangbuch von 1913 stand unter anderen noch eine weitere Strophe, in welcher es heißt:
Dein Bräutigam, das Gotteslamm, liegt hie mit Blut beflossen,
welches es ganz mildiglich hat für dich vergossen.
Nun, liebe Gemeinde, „mildiglich“ ist in dieser Szene gar nichts. Es ist eine Menge Blut geflossen. „Mildiglich“ mag die Sprache des 17. Jahrhunderts sein, Johann Rist war immerhin, trotz aller Kriegswirren, ein sinnenfroher, gärtnernder Seelsorger in Wedel bei Hamburg, der zu allen Gelegenheiten Blumen aus dem eigenen Garten verschenkte; solch gefühlige Töne hören wir bei einem Jochen Klepper, der sich unter dem Nazi-Regime in grenzenloser Hoffnungslosigkeit das Leben nahm, nicht mehr. Man kann in Situationen kommen, in denen für solch ausgeschmückte Gefühligkeit die Frist abgelaufen ist. Und es gehört wahrlich viel Courage dazu, sich die Rolle eines Jüngers in den Leib zu schreiben und einzugestehen, eines Jüngers, der einen Menschen auf dem Gewissen hat, dem er noch tags zuvor ins Gesicht beteuert hat: „und wenn sich doch alle ärgern an dir, würde ich Dich nie verleugnen“, und der tatenlos zusehen muß, wie eben dieser Mensch zu späterer Stunde elend am Kreuz verreckt ist.
Und doch wollen wir diese Predigt so nicht ausklingen lassen; in unserem Lied ist die Seligkeit ja schon angesprochen worden und aufgeschienen. Es ist klar geworden: ohne sich selbst existenziell ins Spiel zu bringen, ist existenzielle Erlösung nicht möglich. Und wir wollen uns doch den historischen Blick gönnen, der uns sagt: es ist möglich und wir glauben es, so unwahrscheinlich und unglaublich es ist: einer ist für uns gestorben, er stirbt auch noch heute, aber dieses Werk ist und wird auch getan. Wir dürfen uns von unsrer großen Not, von unsrer Traurigkeit trösten lassen. So laßt uns – nach einer gehörigen Portion Besinnung – morgen, am Gedenktag der Auferstehung Christi – singen: Des wolln wir alle fröhlich sein, Christ will unser Trost sein.
Amen.
Reinhard Gräler, Kreiskantor in Winsen/Luhe
Material
Bei stiller Nacht zur ersten Wacht
ein Stimm sich gund zu klagen;
ich nahm in acht, was die doch sagt;
tat hin mit Augen schlagen.
Ein junges Blut, von Sitten gut,
alleinig, ohn Gefährten,
in großer Not, fast halber tot,
im Garten lag auf Erden.
Es war der liebe Gottessohn,
sein Haupt er hat in Armen,
viel weiß und bleicher dann der Mon,
ein Stein möcht es erbarmen.
„Ach, Vater, liebster Vater mein,
und muß den Kelch ich trinken?
Und mags dann ja nit anders sein?
Mein Seel nit laß versinken.“
„Ach liebes Kind, trink aus geschwind,
dirs laß in Treuen sagen:
Sei wohl gesinnt, bald überwind,
den Handel mußt du wagen.“
„Ach, Vater mein, und kanns nit sein,
und muß ichs je dann wagen,
will trinken rein den Kelch allein,
kann dirs ja nit versagen.
Doch Sinn und Mut erschrecken tut.
Soll ich mein Leben lassen?
O bitter Tod! mein Angst und Not
ist über alle Maßen.
Maria zart, jungfräulich Art,
sollst du mein Schmerzen wissen,
mein Leiden hart zu dieser Fahrt,
dein Herz wär schon gerissen.
Ach, Mutter mein, bin ja kein Stein,
das Herz mir dürft zerspringen;
sehr große Pein muß nehmen ein,
mit Tod und Marter ringen.
Ade, ade zur guten Nacht,
Maria, Mutter milde!
Ist niemand, der denn mit mir wacht
in dieser Wüsten wilde?
Der schöne Mond will untergohn,
vor Leid nit mehr mag scheinen;
die Sternen lan ihr Glitzen stahn,
mit mir sie wollen weinen.
Kein Vogelsang noch Freudenklang
man höret in den Lüften,
die wilden Tier traurn auch mit mir
in Steinen und in Klüften.
Friedrich von Spee (1591-1635)
Gotteslob
O Traurigkeit, O Herzeleid! Ist das nicht zu beklagen?
Gott des Vater einigs Kind wird ins Grab getragen.
O höchstes Gut, unschuldigs Blut! Wer hätt dies mögen denken,
daß der Mensch sein‘ Schöpfer sollt an das Kreuz aufhenken.
O heiße Zähr, fließ immer mehr! Wen sollt dies nicht bewegen,
weil sich über Christi Tod auch die Felsen regen.
Wie große Pein, Maria rein, mußt leiden ohne Maßen;
denn du bist von jedermann ganz und gar verlassen.
Wie schwer ist doch der Sünden Joch, weil es tut unterdrücken
Gottes Sohn, als er das Kreuz trug auf seinem Rücken.
O großer Schmerz! O steinern Herz, steh ab von deinen Sünden,
wenn du willst nach deinem Tod Gottes Gnad empfinden.
Friedrich Spee 1628
Gesangbuch 1913
O Traurigkeit, O Herzeleid! Ist das nicht zu beklagen?
Gott des Vater einigs Kind wird ins Grab getragen.
O große Not, des Todes Tod ist selbst am Kreuz gestorben;
hat dadurch das Himmelreich uns aus Lieb erworben.
O Menschenkind, nur deine Sünd hat dieses angerichtet,
da du durch die Missetat warest ganz vernichtet.
Dein Bräutigam, das Gotteslamm, liegt hie mit Blut beflossen,
welches es ganz mildiglich hat für dich vergossen.
O süßer Mund, o Glaubensgrund, wie bist du doch zerschlagen!
Alles, was auf Erden lebt, muß dich ja beklagen.
O lieblichs Bild, schön, zart und mild, du Schmerzsohn der Jungfrauen,
Niemand kann dein heißes Blut sonder Reu anschauen.
Hochselig ist zu aller Frist, der dieses recht bedenket,
wie der Herr der Herrlichkeit wird ins Grab versenket.
O Jesu, du mein Hülf und Ruh, ich bitte dich mit Tränen:
hilf, daß ich mich bis ins Grab nach dir möge sehnen.
Johann Rist 1641
Evangelisches Gesangbuch 1990 (EKG1950)
O Traurigkeit, O Herzeleid! Ist das nicht zu beklagen?
Gott des Vater einigs Kind wird ins Grab getragen.
O große Not! Gotts Sohn liegt tot. Am Kreuz ist er gestorben;
hat dadurch das Himmelreich uns aus Lieb erworben.
O Menschenkind, nur deine Sünd hat dieses angerichtet,
da du durch die Missetat warest ganz vernichtet.
(O süßer Mund, o Glaubensgrund, wie bist du doch zerschlagen!
Alles, was auf Erden lebt, muß dich ja beklagen.)
O selig ist zu aller Frist, der dieses recht bedenket,
wie der Herr der Herrlichkeit wird ins Grab versenket.
O Jesu, du mein Hilf und Ruh, ich bitte dich mit Tränen:
hilf, daß ich mich bis ins Grab nach dir möge sehnen.
Str.1 Friedrich Spee 1628; Str.2-5 Johann Rist 1641