
Ein Gebet von Kierkegaard …
Ein Gebet von Søren Kierkegaard[1] zu Karfreitag
Präg mir in mein Herze ein
Jesu, Deine Qual und Pein,
Deiner Seele Schmerzen ..
(Schrempf 260)
Jesus, mahne unsre Herzen
An Dein Leiden, Deine Not,
Deiner Seele tiefe Schmerzen …
(GW 20, 296)
Lass, o Jesus, oft mein Herz
denken an die Not uns Qual,
deiner Leiden Seelenschmerz …
(EH)
Ja, du unser Herr und Heiland,
nicht einmal in dieser Hinsicht
sollten wir uns auf unsere eigene Kraft verlassen,
so als könnten wir aus uns selbst
dein Gedächtnis tief genug hervorrufen
oder beständig festhalten,
wir, die so viel lieber bei dem Erfreulichen verweilen
als beim Traurigen,
wir, die wir alle guten Tage,
Frieden und Geborgenheit ersehnen,
wir, die wir so gerne in einem tieferen Sinne
von den Schrecken nichts wissen wollen,
damit sie nicht, wie wir so töricht meinen,
unser so glückliches Leben
düster und ernst machen,
oder damit sie nicht unser scheinbar unglückliches Leben,
dann doch zu düster und ernst machen.
Deshalb bitten wir dich,
du, dessen wir doch gedenken wollen,
wir bitten dich,
du mögest uns selbst daran erinnern.
O, was für eine merkwürdige Sprache ein Mensch spricht,
wenn er mit dir reden soll.
Diese Sprache ist ja gleichsam unbrauchbar,
wenn sie unser Verhältnis zu dir
oder dein Verhältnis zu uns ausdrücken soll.
Ist denn das auch ein Gedenken,
wenn der, dem gedacht wird,
selbst an den denken muss, der sich erinnert!
So redet menschlich gesehen
nur der Erhabene und Mächtige,
der so viel und so wichtiges zu bedenken hat.
Der sagt zu dem Geringeren:
Du musst mich selbst daran erinnern,
dass ich an dich denken soll.
Ach, und dasselbe sagen wir zu dir,
du Heiland und Erlöser der Welt;
ach, und dasselbe ist,
wenn wir es zu dir sagen,
eben Ausdruck unseres Geringseins,
unserer Nichtigkeit im Vergleich zu dir,
der du bei Gott bist, über alle Himmel erhaben.
Wir bitten dich,
erinnere du uns selbst an dein Leiden und deinen Tod,
erinnere uns oft,
bei unserer Arbeit,
in Freud und Leid,
an die Nacht, als du verraten wurdest.
Wir bitten dich darum, und wir danken dir,
wenn du uns erinnerst,
wir danken dir auch so,
wie die nun, die heute hier versammelt sind
und zum Alter gehen,
um die Gemeinschaft mit dir zu erneuern.
Christliche Reden, 1848, SKS 10,295f.
[1] Übersetzung von Eberhard Harbsmeier. Eine Edition aller Gebete Kierkegaards in neuer deutscher Übersetzung erscheint demnächst.