Epheser 5,8b-14

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Von Reflexen entspiegelte Ichbrille | 8. So. n. Trinitatis | 21.07.2024 | Eph. 5, 8b-14 | Markus Kreis |

8 …nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Wandelt als Kinder des Lichts; 9 die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit. 10 Prüft, was dem Herrn wohlgefällig ist, 11 und habt nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis; deckt sie vielmehr auf. 12 Denn was heimlich von ihnen getan wird, davon auch nur zu reden ist schändlich. 13 Das alles aber wird offenbar, wenn’s vom Licht aufgedeckt wird; 14 denn alles, was offenbar wird, das ist Licht. Darum heißt es: Wach auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten.

Eine Brille dient als Sehhilfe. Eine Ichbrille verhilft also dazu, das eigene Leben besser zu sehen, zu verstehen. Menschen sehen ihr Leben nämlich zuweilen weniger gut als sie glauben. Ja, ja, da gibt es diese Sätze: Ich glaube nur, was ich sehe! Oder: Ich weiß, was ich will, was ich also für mich und mir ausersehen habe! Solche Sätze entspringen zwar der Gewissheit, dass es mit dem eigenen Auge und Ersehen ganz gut geht. Das kann ja auch zutreffen. Ganz so einfach ist es mit dem sich selbst verstehen dann aber doch nicht. Es ist bekannt, dass etwas übersehen werden kann. Oder dass sogar Durchblicker unter blinden Flecken leiden können. Also etwas an ihrem Leben ausblenden, was ihre Mitmenschen längst an ihnen bemerkt haben. Wer ist bisher komplett davon verschont gewesen, sein Leben durch eine viel zu rosa oder viel zu dunkel gefärbte Brille gesehen zu haben? Oder etwas übersehen zu haben?

Wer um die Gefahr der eigenen Kurzsicht weiß, der kümmert sich um Hilfe für sein beschränktes Sichtfeld. Sachbücher oder Ratgeber kommen da in Frage, oder das Lesen von Romanen, Veranstalten von Umfragen, Ratings, kurzum, jeder lebendige Austausch mit anderen Menschen, die einem den Spiegel vorhalten. Am besten, wenn diese ahnungslos sind, dass sie als solch ein Spiegel dienen. Dann werden kaum Schmeichelei oder Lügen aufgetischt. Oder wollen wir doch lieber belogen und betrogen werden? Noch besser ist, wenn so einem beschränkten Augenpaar dabei ein Spiegelbild rückgemeldet wird, das es sprungartig als neu beeindruckt – obwohl es glaubte, über sich und sein Leben genau Bescheid zu wissen. Mehr Wahrheit geht ja nimmer. Und doch gibt es Leute, die auch so eine Einsicht abtun können. Wer nur will, findet in sich immer einen Reflex, um das klar Erkannte aus seiner Sichtweite zu schaffen. Wie dem auch sei, viele Menschen benutzen ab und an eine Ichbrille, um sich in ihrem Leben besser zu sehen und zu verstehen.

Wandelt als Kinder des Lichts! Beim ersten Lesen dieser Mahnung hatte ich auch eine Ichbrille auf. Als gehorsames, gut erzogenes Kind sah ich mich sogleich gefordert, aktive Lichtquelle zu sein: Gottes Licht weiter zu geben, nur Gutes zu tun, immer gerecht zu urteilen usw. Bis das mir etwas ältliche Verb Wandeln zum Glück eine andere Spur gezeigt hat.

Wandeln heißt sich verändern, zuerst vielleicht von Ort zu Ort, am Ende vielleicht von einem Extrem ins andere Extrem verfallen. Verträgt sich das ewige Licht und Wort Gottes mit so einem Hin und Her, Vor und Zurück, mit so einem Lebenswandel? Dies Wort ist laut DWDS (Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache) eindeutig mehr mit dem sozial Abseitigen verbunden als mit dem sozial Erwünschten. Gottes Licht bleibt sich ganz sicher gleich gut. Und ein Lebenswandel, der in ihm erscheint? Und siehe, da tat sich eine Leuchtspur auf: Als Kind des Lichts wandeln, das heißt, zuerst dessen Empfänger zu sein. Angeleuchtet zu werden statt als dessen Quelle zu firmieren.

So wie es vor über 50 Jahren im TV Format Disco jedwedem Studiogast von Ilja Richter erging. Licht aus, woomm! Spot an! Und von einem Scheinwerfer aus schoss im Schwarzdunkel des Saals ein Lichtkegel auf einen Punkt zu und stellte den inzwischen stehenden Stargast plötzlich in eine helle, runde Scheibe, von jedem Zuschauersitz aus gut zu sehen. Der Gast aber so lange im Dunkel schauend und mit Fuß und Bein Balance haltend, bis nach einer Weile mit Raum für Aahs und Oohs und Namensnennung der ganze Saal wieder erhellt worden war. Die Gäste waren Profis oder Liebhaber der Show und machten gute Miene; selbst dann, wenn sie sich tief innen drin wie in einem abgefeimten bösen Spiel fühlten.

Gottes Licht bewirkt Güte, Gerechtigkeit, Wahrheit. Und sicher kommt es vor, dass wir ein aktiver Lichtsender sind. Dies Licht illustriert manches Tun und Lassen, manches Leiden und Erdulden von Menschen als gottgefällig: Da handelten diese wirklich aus voller Güte, aus voller Rechtschaffenheit und aus reiner Wahrheit ohne ein einziges Hintenrum. Vor all dem bewirkt dieses Licht jedoch, dass der Mensch darin Gottes Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit in den Blick kriegt. Und das nämlich daran, was Gott der Finsternis und ihrem Finsterling entgegensetzt. Was er tut, um sich des Tuns und Lassens, des Leidens und des Erduldens zu erwehren, das einen Abgrund an Bosheit und Willkür aufscheinen lässt. Dünkel, Geldgier, haltlose Freude an Gewalt, sexuelle Wahllosigkeit, Luxusliebe, Trägheit, Missgunst. Wer kennt all das nur aus dem Leben der anderen? Da ist für jeden hier sicher das ein oder andere mit dabei gewesen.

In diesem Licht sehen wir uns viel weniger gern, meiden es, wo wir nur können, verstecken uns in einer finsteren Ecke. Oder suchen Lichter auf, die uns als Finsterling besser aussehen und dastehen lassen. Als Kind des Lichts wandeln, das heißt dann: Raus aus der dunklen Trotzecke, seine Vergehen einsehen, zugestehen und tätig bereuen, so gut wie es eben geht. Anstatt das wie aus Reflex vor sich zu leugnen und abzustreiten. Vielleicht ist diese Wahrheit statt nur im eigenen Gemüt sogar vor den Menschen aussprechbar, die unter den Abgründen leiden mussten. Gottes Gerechtigkeit tut mit echter Reue sowohl dem Täter als auch dem Opfer jeweils Gutes. Wer als Finsterling den Statusverlust dabei fürchtet, der schaue sich König David oder Stammvater Jakob an. Die hatten wirklich einige harte Dinger auf dem Kerbholz. Und doch leuchtet ihr Lebenswandel bis in unsere Zeit. Von denen, die vor Gott hartnäckig Finsterlinge blieben, weiß man nur: Die hausen da, wo nur lichtlose Schwärze entspringt, also null Nachricht von ihnen.

Befinde ich mich mit meinem Ansinnen gerade auf der Sunnleit´n oder doch eher im unsünnigen Winkel wie es in Berchtesgaden heißt? Das ist schwerer zu befinden, als es aussieht. Dazu folgende Begebenheit.

In jüngerer Zeit hat sich in einer Klasse mit Azubis der Fachrichtung Energie- und Gebäudetechnik im dritten Lehrjahr folgendes zugetragen. Zwei junge Männer gerieten während des Unterrichts zunächst in eine Diskussion, um was auch immer, und dann in Streit. Kein Wunder, jeder ein Großmaul, aber jeder hat in den Schuljahren zuvor tunlichst darauf verzichtet, seinen Worten Taten oder Schläge folgen zu lassen. Der erste meinte dann mitten in der Stunde zum zweiten: Ich geb´ Dir gleich Hammer. Der andere entgegnete: Was für ein Hammer, was willst du? Du weißt doch gar nicht, was das ist, ein Hammer.“ Dann kehrte Ruhe ein. Nach einiger Zeit bat der zweite darum, die Toilette aufsuchen zu dürfen, was ihm vom Lehrer gewährt wurde. Nach ein paar langen Minuten kam er ins Klassenzimmer zurück, hatte allerdings einen Rucksack auf dem Buckel. So einen, wie man ihn vielleicht auf die Baustelle oder zum Stadtbummel mitnimmt, und setzte sich auf seinen Platz. Relativ bald danach fragte der Lehrer den Azubi, woher er den Rucksack hätte. Aus meinem Firmenauto in der Schultiefgarage, war die Antwort. Der Lehrer forderte dann etwas später den Azubi auf, ihm den Rucksack zu bringen, was der Angesprochene auch tat. Der Lehrer stellte den Rucksack auf seinen Tisch, öffnete den Reißverschluss, schaute hinein und erblickte im Rucksack neben anderem Werkzeug für Elektrokram obenauf ein so genanntes Fäustel. Was glauben sie, wie ging die Geschichte weiter? Ich erzähle mal zwei Möglichkeiten.

Erstens: Der Lehrer holt das Fäustel aus dem Rucksack, zeigt es der Klasse, wird laut und bezichtigt den Azubi einen Anschlag geplant zu haben, Standpauke. Der Azubi soll auch zum Schulleiter, Ausbilder wird informiert und so weiter. Im Kollegium wird der Lehrer die Story auch erzählen und loswerden. Ob er sich freut, dass er einer Gefahr erfolgreich begegnet ist und Beifall dafür bekommt?

Zweitens: Der Lehrer schließt den Rucksack ohne Kommentar, gibt ihm den Azubi und bittet ihn, den Rucksack samt Inhalt wieder ins Auto zu bringen. Und sich in der nächsten großen Pause mit ihm für ein Gespräch unter vier Augen zu treffen. Dort erläutert der Lehrer dem Azubi, wie man seine Aktion mit dem Rucksack missverstehen könnte, und bittet ihn: Male dir bitte in Zukunft Deine Ideen und ihre Umsetzung besser aus. Was dabei von den Mitmenschen missverstanden werden könnte. Der Azubi hat verstanden, nickt dem Kopf, und bittet um Entschuldigung.

Zeigt das letzte Ende, dass hier die Lehrkraft fahrlässig reagiert hat oder angemessen? Zeigt das zuerst erzählte Ende, dass da die Lehrkraft es mit der Gefahr übertreibt oder ist das realistisch? Was kommt ihnen da in den Sinn? Was auch immer die Antwort sein mag, zu bedenken ist, was im letzten Vers steht 14 denn alles, was offenbar wird, das ist Licht. Darum heißt es: Wach auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten. Amen

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