Exodus 16,2-3.11-18

· by predigten · in 02) 2. Mose / Exodus, 7. So. n. Trinitatis, Aktuelle (de), Deutsch, Kapitel 16 / Chapter 16, Suse Günther

7.So.n.Trinitatis | 14.07.24 | 2.Mose 16,2-3.11-18 | Suse Günther |

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen. AMEN

2.Mose 16,2-3.11-18

Die ganze Gemeinde der Israeliten murrte wider Mose und Aaron in der Wüste. Sie sprachen: „Wollte Gott, wir wären in Ägypten gestorben durch des Herrn Hand als wir bei den Fleischtöpfen Ägyptens saßen und hatten Brot in Fülle zu essen. Denn ihr habt uns dazu hinausgeführt in diese Wüste, dass ihr die ganze Gemeinde verhungern lasst.“

Und Gott sprach zu Mose: „Ich habe das Murren der Israeliten gehört. Sage ihnen: Gegen Abend, sollt ihr Fleisch zu essen haben und am Morgen vom Brot satt werden. Und sollt inne werden, dass ich euer Gott bin.“

Und am Abend kamen Wachteln herauf und bedeckten das Lager. Und am Morgen lag Tau rings um das Lager.

Als der Tau weg war, siehe, da lag es in der Wüste rund und klein wie Reif auf der Erde. Als das die Israeliten sahen, sprachen sie untereinander: „Man hu“ (Was ist das)?

Denn sie wussten nicht, was das war. Mose aber sprach zu ihnen: „Es ist das Brot, das euch Gott zu essen gegeben hat. Das ist es, was Gott geboten hat: Ein jeder sammele, so viel er zum Essen braucht, einen Krug voll für jeden nach der Zahl seiner Leute in seinem Zelt. Die Israeliten taten es und sammelten, der eine viel und der andere wenig. Aber als an es nachmaß, hatte der nicht darüber, der viel gesammelt hatte und der nicht darunter, der wenig gesammelt hatte, jeder hatte so viel , wie er zum Essen brauchte.

Gott, gib uns ein Herz für Dein Wort und nun ein Wort für unser Herz. AMEN

Liebe Gemeinde!

Einmal mehr erzählt uns die Bibel eine zugleich uralte und zeitlos-aktuelle Geschichte: Die Geschichte vom „Hätte ich doch“. Oder schlimmer noch  vom: „Hättest Du doch“.

So oft treffen wir im Leben Entscheidungen und haben anschließend ein flaues Gefühl dabei: Wäre nicht eine andere Richtung besser gewesen? Wir wissen es nicht, denn wir haben diesen Weg nicht ausprobiert, es lohnt sich nicht, sich darüber den Kopf zu zerbrechen.

„hätten wir doch“ – so sagen die Israeliten: Hätten wir diesen Weg doch nicht angetreten, sondern wären bei den Fleischtöpfen Ägyptens geblieben. Und:

„hättest Du doch, Mose, uns nicht in die Wüste geführt“

Die Israeliten blicken nur noch zurück und verstellen sich damit den Blick auf die Zukunft. Wir können es ihnen nicht verdenken. Auch wir würden nach einem Schuldigen suchen, würde sich unser Weg als jahrelanger Wüstenweg entwickeln, mag der erste Schritt auf diesem Weg auch mit noch so viel Euphorie gegangen worden sein..

Wir alle kennen Wüstenwege, Wege auf denen unsere Kräfte schwinden und kein Ende in Sicht ist. Wege,  auf denen wir auf uns selbst zurückgeworfen scheinen.

Mitten auf dem Weg zu sein ist schwer., noch viele Schritte trennen uns vom Ziel. Wäre es da nicht einfacher, umzukehren? Noch einmal von vorne zu beginnen? Zurück zu den Anfängen? Aber bringt uns das weiter?

Je älter wir werden, je länger der Weg ist, den wir bereits zurückgelegt haben, je mehr Entscheidungen wir getroffen haben, desto öfter holt uns dieses Denken ein: Hätte ich doch…..

Wenn uns solche Gedanken plagen ist ein Innehalten hilfreich. Pause machen, Station auf dem Weg, wirklich an der Stelle ankommen, an der man sich gerade befindet und nicht kopflos durch die Gegend marschieren. Solange anhalten, bis man sich selbst sagen kann: Dies ist mein Weg, ich gehe ich so, wie es für mich möglich ist, Schritt für Schritt, in meinem Tempo.

Als unsere Kinder klein waren, sind wir jedes Jahr mit ihnen zum Wandern in  die Alpen gefahren. Einmal haben wir Station an einer Hütte gemacht und gemeinsam überlegt, wie der Weg weitergehen sollte. Die Entscheidung fiel auf einen anspruchsvollen Anstieg.

Unterwegs drängte sich der Eindruck auf, dass wir uns da vielleicht den Kindern da vielleicht doch zu viel zugemutet hätten. Es war die kleine, die unbeirrt weiterging. Die ganze Strecke über Fuß vor Fuß setzend und jedes Mal die Worte sprechend: „Schritt für Schritt“. Am Ziel angekommen wurden wir belohnt mit einem grandiosen Ausblick, das Foto hängt heute noch in der Wohnung. Weniger als Einnerung an Berg und See. Sondern vor allem, weil es mich daran denken lässt, was ruhige Zuversicht bewirken kann.

Damit will ich nicht sagen, dass es nicht Situationen geben kann, in denen es klüger ist, umzukehren. Aber allzu oft rauben wir Menschen uns die Zuversicht durch jammernde Gedanken und verlieren dabei unser Ziel aus den Augen.

Hilfreich ist es, wenn man sich sagen kann:

Dies ist mein Weg. Ich gehe ihn so, wie es mir möglich ist. Schritt für Schritt, in meinem Tempo. Nichts ist zufällig geschehen. Ich bin auf meinen Weg geführt worden und vertraue darauf, weiter geführt zu werden.

Die Israeliten sind nicht zufällig in der Wüste gelandet. Sie sind nach langen Sklavenjahren durch eine verheißungsvolle Geschichte auf diesen Weg geraten.

Gott hat Mose berufen, um das Volk zu führen. Er hat seine Leute vor den ägyptischen Soldaten gerettet und geht dem Zug selbst voran, er gibt sich den Menschen zu erkennen.

Auch in der Klage bekommen die Israeliten eine Antwort:

Wachteln und Manna. Die Menschen können sehen, schmecken und begreifen: Wir sind nicht im Stich gelassen. Sobald die Hilfe greifbar ist, denkt dann aber doch wieder jeder und jede nur daran, für sich selbst zu sorgen. Dieses Mal will man sich das  nicht wieder vorwerfen lassen: hätte ich doch rechtzeitig… dieses Mal wird vorgesorgt.

Das aber greift bei Gottes Gaben nicht. Bei Gott brauchen wir nicht vorzusorgen, schon gar nicht, indem wir anderen etwas wegnehmen. Gott sorgt vor, für jeden angemessen In unserer beispielhaften Geschichte bekommt jeder und jede einen Krug voll, ganz gleich wie viel vorher gesammelt wurde. Jeder und jede kann für sich das richtige Maß finden.

Immer wieder haben Menschen versucht, Systeme zu finden, in denen genau das gewährleistet wird: Alle bekommen so viel, wie sie brauchen, nicht mehr und nicht weniger. Immer wieder sind diese Versuche gescheitert, weil wir Menschen eben dann doch versuchen, mehr als das Nötige für uns auf die Seite zu bringen. Weil wir Menschen nicht darüber nachdenken, was für uns angemessen ist, sondern uns an anderen messen. Unser Selbstwertgefühl daran messen, was wir besitzen.

Im Wort „Besitz“ steckt es allerdings schon drin. Das Sitzen. Unterwegs sein, beweglich bleiben im Leben, auch auf Wüstenwegen, geht allerdings nur mit leichtem Gepäck.

Wenn es uns gelingt, dieses Teilen und versorgt Sein, dann ist das etwas Besonderes, wie ein Aufleuchten der Ewigkeit in unserer Welt.

Dazu braucht es Menschen, die durchhalten, Schritt für Schritt. Menschen, die sich getragen wissen und deshalb zuversichtlich sein können. Menschen, die ihren persönlichen Wert nicht aus Besitz bemessen. Sondern daraus, von Gott angesehen zu sein. Menschen, die sich also freuen können. Auch wenn das Leben anderer gelingt.

So enthält unser Predigttext dann noch eine zweite Geschichte. Nicht nur die des „hätte ich doch“. Sondern auch die vom „ich habe“.

Ich habe genug, für mich ist gesorgt, jeden Tag neu. Ich kann andere mit hineinnehmen in meine Fülle. Ich kann mich freuen an der Fülle anderer.

Wachteln und Manna, genug zum Überleben auf Wüstenstrecken. Genug, um den Blick in die Zukunft zu wenden. Genug. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger.

Von einer Patientin, die ein unvorstellbar schweres Leben hinter sich hatte, habe ich folgendes gelernt: Immer vorwärts schauen. Wüstenwege können nur gegangen werden, indem wir sie weitergehen. Immer nur den nächsten Schritt bedenken, den aber in Angriff nehmen.

„Hätte ich doch“ und „ich habe“.

Die Worte „wäre ich doch bei den Fleischtöpfen  Ägyptens geblieben“ werden überwunden mit den Worten „Gott sorgt für mich  in der Gegenwart. Ich habe eine Zukunft, ihr gehe ich entgegen.“

Wähle das Leben, in dem Du Deinen Gott liebst (5.Mose 30,19f), denn er ist Dein Leben.

So heißt es an späterer Stelle der biblischen Wüstenerzählung. Mitten auf dem schweren Weg das Leben ergreifen, sich für das Leben entscheiden, das können wir lernen von der uralten, zeitlosen Geschichte der Wüstenwanderung: Wähle das Leben, indem Du Deinen Gott liebst, denn er ist Dein Leben. AMEN