
Exodus 3, 1-14
Gott gibt es nicht. Hier bin ich! | Letzter Sonntag nach Epiphanias | 2.2.2025 | Exodus 3, 1-14 | Dr. Friedrich Schmidt-Roscher |
Liebe Schwestern und Brüder!
„Gott gibt es nicht!“
Wundern Sie sich von einem evangelischen Pfarrer so einen Satz zu hören?
„Gott gibt es nicht!“ Das stimmt.
Gott „gibt es nicht“ in dieser Welt, so wie du und ich oder den Kindergarten neben der Kirche. Gott gibt es nicht meint, er ist kein Teil der Welt. Gott ist transzendent heißt es in der Sprache der Philosophie. Transzendent meint überschreitend. Er ist außerhalb unserer Welt und unseres Denkens. Eine Grenze liegt zwischen ihm und uns. Deshalb ist Gott nicht so erfahrbar, wie der Händedruck eines Menschen oder wie das Pochen meines Herzens.
Damit wir Gott begegnen können, muss er selbst in unsere Welt kommen, muss er sich hineinbegeben, also überschreiten.
Es gibt Religionen, die stellen sich dieses Überschreiten so vor, dass Menschen durch meditative Übungen, die Grenze unserer Welt zu Gott hin überschreiten. Dass sie praktisch schon mit einem Fuß oder um im Bild zu bleiben mit ihren Gedanken in einer anderen Welt sind – bei Gott.
Juden und Christen gehen einen anderen Weg. Besser gesagt, Gott geht einen anderen Weg. Er kommt in unsere Welt. Ich kann Gott begegnen, weil er zu mir kommt, in meine Welt und mich anspricht. Von solch einer Erfahrung, von Gott im Alltag eines Menschen hören wir im Buch 2. Buch Mose, im Buch Exodus 3, 1-14. (Lesen der Geschichte)
Das erste was mir in dieser Geschichte auffällt, die Begegnung geschieht nicht in einem Tempel, nicht im Gebet. Mose hat sich nicht zurückgezogen, um zu meditieren. Er geht seiner Arbeit nach und hütet Schafe. Er ist angestellt bei seinem Schwiegervater. Er treibt die Schafe durch die Wüstensteppe. Gott aber macht auf sich aufmerksam. Vielleicht hat Mose die Schafe beobachtet oder den Horizont. Vielleicht hat er gedöst oder von seiner Frau geträumt. Da sieht er, dass ein Busch brennt und nicht verbrennt. Es passiert etwas Ungewöhnliches, etwas Irritierendes und Mose schaut genau hin.
So kann es gehen, dass in unserem Leben etwas anders ist, als sonst. Dass mir etwas auffällt. Dass es einen Riss gibt im Leben, eine Veränderung, ein neuer Lebensabschnitt, eine Krise, vielleicht auch ein Schicksalsschlag. Ich bin einen Augenblick verstört. Ich muss mich neu sortieren. So kann sich auch die Frage nach Gott neu stellen. Auch die eigene Offenheit oder Neugier ist gefragt. Wenn sich Mose nicht offenem diesem Busch nicht nähert, hätte er dann Gottes Stimme gehört?
Gott begegnet Mose durch sein Wort. Er spricht ihn an. Er ruft ihn bei seinem Namen.
Natürlich kann ich mich mit Gott beschäftigen und beten oder sein heiliges Buch lesen oder nach seinen Weisungen leben. Das ist gut und richtig. Aber manchmal passiert noch etwas mehr. Manchmal meint Gott genau mich und spricht mich an, bei meinem Namen.
Und Mose antwortet: Hineni. Hier bin ich.
Gott begegnet Menschen persönlich. Es geht nicht um eine Menge, sondern um ein „Du“. Gott spricht einzelne Menschen an. Nicht nur damals bei Mose. Es geschieht auch heute, dass mich Gott ruft. Durch sein Wort.
Wie kann ich heute die Stimme Gottes hören? Manchmal kann es sein, dass ich seine Worte in der Bibel lese und merke, er meint damit mich. Ich kann eine Predigt hören und mir etwas gesagt sein lassen. Sein Wort berührt oder bewegt mich. Das Bibelwort wird mir zu meinem Gotteswort. So wie der Kaufmann Valdes in Lyon eine Geschichte hörte und merkte, dass Gott zu ihm etwas sagen will.
Aber ich kann die Stimme Gottes auch durch einen anderen Menschen hören, der zu einem Boten Gottes für mich wird. Dann kann ein fremder Mann oder eine fremde Frau zu Gottes Engel für mich werden. Vielleicht kann ich seine Stimme auch in mir hören.
Kann ich dann sagen: „Hineni“. „Hier bin ich“. Das heißt doch. Ich bin bereit, ich höre.
Wie aber kann ich sicher sein, dass das wirklich Gottes Stimme ist? Nicht meine Vorstellung von Gott? Oder andere mir einreden, dass will Gott von dir. Wir hören auch von Menschen, die fest überzeugt sind, in Gottes Auftrag zu handeln. Dann aber sind sie doch nur religiöse Fanatiker, die Gottes Wort missverstehen oder missbrauchen.
Ich finde, in der Geschichte von der Gottesbegegnung gibt es eine doppelte Sicherung.
Wenn Gott sich vorstellt, so sagt er: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Gott kommt nicht aus dem Nichts. Er hat schon eine Geschichte mit seinem Volk. Er fängt bei mir an, aber vorher hat er schon mit anderen Menschen gesprochen. Gott ist verwoben mit der Geschichte des Volkes Israel. Das ist das eine Kriterium. Auch die Geschichte, die Gott mit mir beginnt, ist ein Teil der Geschichte Gottes mit seinem Volk.
Das zweite ist: Gott hat das Elend seines Volkes in Ägypten gesehen, er hat ihr Geschrei gehört und ihr Leiden erkannt. Er ist „herniedergefahren“, um sie aus der Hand der Ägypter zu erretten und in ein Land zu führen, in dem Milch und Honig fließen.
Gott steht für die Befreiung der Menschen. Wir können Gott nicht als einen HERRN vereinnahmen, der Menschen unterdrückt und klein hält, der mordet. Der lebendige Gott führt Menschen aus dem Elend in die Freiheit.
Gottes Geschichte ist die Geschichte der Befreiung aus der Sklaverei. Seine Geschichte führt mich und andere in die Freiheit. Doch nicht nur andere Menschen nehmen uns gefangen, auch ich bin manchmal gefangen in Sorgen, in Schuld oder in Sünde. Ich bin abhängig von Gier oder Angst etwas zu verpassen.
Mose bekommt einen Auftrag. Gottesbegegnungen in der Bibel sind fast nie ohne Auftrag. Denn Gott will mich mitnehmen. Er will Frauen und Männer als Bundespartner. Gott sucht Menschen, die sich auf sein Wort einlassen und zu einem Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin werden.
Wir haben ja manchmal ein Bild von Gott im Kopf, dass er wie ein Zeus mit seinen Blitzen und mit seinen übernatürlichen Taten die Welt regiert. Aber gerade so wirkt Gott nicht in der Welt. Er wirkt oft still durch seine Kraft und seinen Geist, in dem er einzelne Menschen oder Gruppen von Menschen bewegt. Gott ist einer, der nicht nur zu biblischen Zeiten Menschen wie Mose in den Dienst nimmt, auch heute noch braucht er Menschen, die sich bewegen und senden lassen.
Mose aber sagt zu Gott: „Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehe und führe die Israeliten aus Ägypten?“
Es gibt nicht nur ein Erschrecken vor Gott, mehr noch gibt es auch eine Angst vor dem, was Gott von uns erwartet. Wer bin ich? Da macht sich einer klein vor dem großen Pharao.
Ich weiß nicht, wie es ihnen geht? Meistens weiß ich ja schon, was Gott von mir erwartet. Aber manchmal bin ich so in meinem Tun drin, dass ich keine Zeit habe, mich damit zu beschäftigen. Oder ich halte mich für zu klein, um zu widersprechen. Oder ich denke, dass ich doch eh nichts tun kann. So versucht sich Mose dem Auftrag zu entziehen und so mache ich das auch manchmal. Denn ich denke zu gering von mir oder fühle mich nicht stark genug. Es gibt andere, die können das doch viel besser.
In meinen Augen haben wir als Menschen die Freiheit Gottes Ruf zu hören und nach seinem Willen zu leben. Wenn ich mich – auch mit Fragen und Zweifeln – so wie Mose auf den Weg mit Gott einlasse, dann werde ich erfahren, was Mose erlebt hat. „Ich will mit dir sein.“ Gerade die Menschen, die versuchen, Gottes Worte zu leben und nach seinen Weisungen zu leben, die erfahren wieder und wieder die Nähe Gottes. Sie erleben, wie Gott sie aufrichtet, wie er ihnen Worte in den Mund legt. Oder sie erleben, wie sie Mitstreiterinnen finden, die helfen. Der Glaube Moses an Gott, beginnt in dieser Geschichte damit, dass Gott Mose glaubt und vertraut. Wenn aber Gott mir vertraut, dann traut er mir was zu. Mit dem Zutrauen Gottes, weiß ich dann, wer ich bin.
Doch Mose hat noch eine Frage. Wie soll er Gott vorstellen, seinen Landsleuten, den Israeliten. Was ist Gottes Namen?
Die Antwort die Gott Mose gibt, gehört für mich zu den Höhepunkten der Geschichte. Denn der Name, den Gott Mose bekannt macht, ist ein Name und ist zugleich kein Name. Im Hebräischen spielt die Antwort auf den Gottesnamen an. Sie ist ganz schwer zu übersetzen.
Luther macht es mit: „Ich werde sein, der ich sein werde.“
Gott nennt seinen Namen, aber er bleibt gleichzeitig auch ein Geheimnis. Gott bleibt an meiner Seite, aber ich habe Gott nicht im Griff und nicht in Besitz. Das ist ja gerade die Gefahr, vor der besonders fromme Leute stehen. Sie meinen, mit Gott so vertraut zu sein, dass sie ihn in der Tasche haben.
Dieser Name bedeutet: Gott nicht so ist wie ich oder wie Jule oder Iris wie Leon oder Helmut. Er ist der ganz Andere. Und doch ansprechbar und doch zugewandt.
Wer er ist, wird sich immer wieder erweisen. Gott bleibt mit uns verbunden und verbündet. Doch er ist lebendig und zeigt sich unerwartet neu. So wie bei Mose tritt er überraschend in mein Leben. Erst ganz am Ende bei Gott werden wir sehen und stauen, wer Gott ist. Dann wird ganz klar, wer er ist und wer ich bin, dann stehen wir in seinem Glanz.
Am Anfang der Name Moses und am Ende der Name Gottes. So ist es auch in der Taufe. Auch da hören wir meinen Namen und den Namen Gottes. Auch da fängt Gott eine Geschichte an mit mir. So kommt Gott zu uns. So kommt er in meine Welt, um mich zu befreien und in die Welt zu senden. So kann ich in dieser Welt erfahren, wer Gott ist, wer er für mich ist.
Gott gibt es nicht. Gott kommt in unsere Welt. Er ruft mich. Er sucht Partner in seinem Weltabenteuer. Er braucht dich und mich als seine Bündnispartner. Wenn Gott mich ruft, kann ich nur sagen: Hineni. Hier bin ich.
Amen.
—
Fürbitten
Gott,
du siehst uns und kommst in meine Welt.
Manchmal leben wir vor uns hin und meinen, auf dich verzichten zu können.
Schenke uns Begegnungen mit deinem Wort. Lass uns aufhorchen.
Mache uns gewiss, dass wir uns immer an dich wenden können.
Lass Menschen, die dich suchen, Zeichen deiner Gnade erfahren.
Gott, du hörst die Schreie deines Volkes.
Wir klagen mit den Unterdrückten und Elenden über Not, Krieg und Gewalt , besonders in…
Wir bitten für die Menschen, die leiden und unterdrückt werden, befreie sie von der Sklaverei.
Wir bitten für die Menschen, die krank sind und gefangen. Heile sie.
Wir bitten für die Menschen, die gefangen sind in Bitterkeit oder im Hass gegen andere Menschen: Befreie sie zu einem Leben in Liebe.
Gott, du rufst Menschen in deinen Dienst.
Du brauchst uns als deine Partner und Partnerinnen.
Lass mich aufhorchen, wenn deine Stimme mein Herz trifft und ermutige mich, dir zu folgen.
Hilf, dass ich unterscheiden kann, was dein Wort bedeutet und was Forderungen anderer Menschen sind.
Steh den Menschen bei, die sich zu viel aufgeladen haben und deren Energie aufgebraucht ist. Ermutige sie zu Veränderungen.
Gott, dein Weg beginnt mit unserer Taufe und endet nicht im Grab.
Du befreist uns aus der Macht des Todes.
Wir gedenken der Menschen unserer Gemeinde, die gestorben sind:
Befreie sie und einmal auch uns aus der Macht des Todes in das Land der ewigen Freiheit und Gemeinschaft mit dir.
Tröste du die Angehörigen und uns alle mit dieser hellen Hoffnung.
Stille und Vaterunser
—
Dr. Friedrich Schmidt-Roscher
Haßloch/Pfalz
E-Mail: fr.schmidt-roscher@gmx.de
Dr. Friedrich Schmidt-Roscher (1962) seit 2007 Gemeindepfarrer in der Prot. Kirchengemeinde Haßloch/Pfalz