Exodus 3,1-15

· by predigten · in 02) 2. Mose / Exodus, Aktuelle (de), Altes Testament, Beitragende, Bibel, Deutsch, Kapitel 03 / Chapter 03, Kasus, Letzter So. n. Epiphanias, Luise Stribrny de Estrada, Predigten / Sermons

Go down, Mose | Letzter Sonntag nach Epiphanias | 02.02. 2025 | Predigt zu Exodus 3,1-15 | Luise Stribrny de Estrada |

Gottes Wort ist wie Licht in der Nacht.

es hat Hoffnung und Zukunft gebracht.

Es gibt Trost, es gibt Halt

in Bedrängnis, Not und Ängsten

ist wie ein Stern in der Dunkelheit.

Amen.

Liebe Schwestern und liebe Brüder!

Geflohen war er, bloß weg aus seinem Land, wo man ihm nach dem Leben trachtete. Er musste sich in Sicherheit bringen. Irgendwo hin, wo sie ihn nicht erreichen, nicht erwischen konnten. Weit weg war er gegangen, was sag ich da, gelaufen, gerannt, solange er konnte. Tagelang war er unterwegs gewesen, weg aus seinem grünen, fruchtbaren Land, hinein in die Wüste, ins Unwirtliche. Dann endlich war er angekommen und in Sicherheit. Er stellte sich gut mit den Menschen, die dort in der Wüste am Fuß der hohen Berge lebten. Er wurde einer von ihnen. Er heiratete, er bekam mit seiner Frau einen Sohn, er war angekommen – so schien es. Aber war er das wirklich? Ist einer jemals ganz in der Fremde zu Hause? Einer, der seinen Sohn Gerschom nennt, was so viel bedeutet wie „Ich bin ein Fremdling geworden im fremden Lande“ – hat der wirklich eine neue Heimat gefunden?

Die Rede ist von Mose. Viele Jahre schon lebte er in Midian, dem Wüstenland, das heute der Nordwesten Saudi-Arabiens ist. Wir finden ihn, wie er eines Tages seine Schafe weitertreibt als sonst, über die Wüste hinaus bis an den Gottesberg. Er traut sich ins Unbekannte, er geht ein Wagnis ein und nähert sich dem hohen Berg. Da entdeckt er ein Leuchten in der Wüste. Er sieht etwas, was es eigentlich nicht gibt: Einen Dornbusch, der brennt, aber nicht vom Feuer verzehrt wird. Mose wird neugierig und will erforschen, was es mit diesem Dornbusch auf sich hat: Er nähert sich. Aber eine Stimme, die ihn beim Namen ruft, hält ihn auf: „Mose, Mose…Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füssen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land!“ (V. 5). Zu nah kann er nicht an Gott herangehen, der aus dem Busch zu ihm spricht. Wenn er sich an der Nähe Gottes nicht verbrennen will, muss er Abstand wahren. Vorsichtig soll er sein. Der Ort, an dem Gott mit ihm spricht, ist heilig. Deshalb soll er seine Schuhe ausziehen. Er soll verletzlich werden vor Gott.

Mose gehorcht sofort und tut noch ein weiteres: Er verhüllt sein Gesicht, weil er sich fürchtet, Gott anzuschauen. Er weiß nicht, was mit ihm geschehen würde, wenn er Gott von Angesicht zu Angesicht sehen würde. Vielleicht müsste er sterben. Mose nimmt sich zurück. Er fühlt sich Gott gegenüber klein und unbedeutend.

Es ist das erste Mal, dass Gott mit ihm spricht. Was weiß Mose von diesem Gott? Wahrscheinlich hat er von seinen Eltern etwas vom Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs gehört, aber dann ist er am Hof des Pharaos erzogen worden und hat gelernt, die ägyptischen Götter anzubeten: Isis, Anubis, Amun-Re und all die anderen. Hat er noch eine klare Vorstellung vom Gott seines Vaters und seiner Mutter? Er war dazwischengeraten, zwischen den Glauben an den einen Gott und an die vielen Götter, zwischen Israel und Ägypten, zwischen die Knechte und die Herren.

Und jetzt hört er Gottes Stimme. Er stellt sich selbst vor als der Gott, der sich früher Abraham, Isaak und Jakob offenbart hat, aber auch als der sehr präsente Gott seines Volkes, das in Ägypten Frondienste leisten muss. Er sagt: „Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen. Und ihr Geschrei über ihre Bedränger habe ich gehört, ich habe ihre Leiden erkannt.“ (V.7) Gott sieht, Gott hört und Gott erkennt, wie es den Menschen geht, die zu ihm gehören und zu denen er gehört. Ihr Leid geht ihm nahe, er stellt sich auf ihre Seite. Aber dabei belässt er es nicht: Er will sie retten und herausführen in ein Land, in dem Milch und Honig fließen.

Das klingt zuerst gut und verheißungsvoll. Aber schon hier wird deutlich, dass dieses fruchtbare verheißene Land nicht unbewohnt ist, sondern dass dort andere Volksstämme wie die Kanaaniter leben. Entweder müssen die Israeliten sie vertreiben oder mit ihnen zusammen siedeln. Wir wissen, dass die Frage danach, wem das Land zwischen Jordan und Meer gehört, sich durch die Jahrhunderte, sogar Jahrtausende hindurchzieht und bis heute zu schrecklichen Streitigkeiten und Kriegen führt.

Gott braucht Unterstützung, um sein Volk herauszuführen. Er beauftragt Mose: „So geh nun hin, ich will dich zum Pharao senden, damit du mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führst.“ (V.10). Ausgerechnet Mose! Er hatte doch fliehen müssen, weil er einen Ägypter umgebracht hatte und der Pharao ihn dafür töten lassen wollte. Sollte er jetzt sein Leben riskieren? Aber der Pharao war inzwischen gestorben. Ausgerechnet Mose, der sich eingerichtete hatte in der Fremde, eine Midianiterin geheiratet hatte und den Priesterkönig zum Schwiegervater hatte. Ausgerechnet Mose, der bei seinen eigenen Leuten, den Hebräern, nicht gut angesehen war und nicht so richtig dazugehörte. Der schon immer dazwischengestanden hatte, nicht ganz Hebräer und nicht ganz Ägypter war. Ausgerechnet Mose, der nicht gut zu sprechen vermochte, und eine schwere Zunge hatte. Keiner, der andere gut überzeugen und mitreißen konnte.

Ja, sagt Gott, ausgerechnet dich, will ich schicken, damit du mein Volk aus der Knechtschaft führst. Für mich bist du gut, so wie du bist, ich kann dich gebrauchen. Und Gott verspricht: „Ich will mit dir sein.“ (V.12a). Ich stelle mir vor, dass das für Mose eine Zusage war, die ihm Mut gemacht hat. Er war nicht allein. Gott würde immer an seiner Seite sein, so schwer es auch werden würde, die Isareliten zu überzeugen und sie dann tatsächlich herauszuführen. „Ich will mit dir sein“, darauf baute Mose und ließ sich nach einigem Zögern doch auf Gottes Auftrag ein.

Mose fragt Gott nach seinem Namen. Ja, er ist der Gott der Väter, aber wie ist sein Name, wie sollen sie ihn anrufen? Wer ist er heute, für uns? „Da sprach Gott zu Mose: Ich werde sein, der ich sein werde.“ (V.14). Ein ungewöhnlicher Name, ganz anders als Osiris oder Hathor, die ägyptischen Götter. Bei dem Gott, der aus der Flamme spricht, bleibt alles offen. Ist er überhaupt greifbar, können wir ihn fassen, ihn festlegen? Noch spannender wird es, wenn wir uns klarmachen, dass auch eine andere Übersetzung aus dem hebräischen Urtext möglich ist: „Ich bin, der ich bin.“ Die grammatischen Zeiten sind im Hebräischen nicht klar definiert, sondern fließend: Hier können wir sowohl im Futur „Ich werde sein, der ich sein werde“, als auch im Präsens „Ich bin, der ich bin“ übersetzen. „Ich bin“ bedeutet: Ihr kennt mich, ich war schon immer da von Anbeginn an. Ich bin derselbe, den Abraham, Isaak und Jakob angebetet haben. „Ich werde sein“ betont Gottes dynamische Seite, dass er sich verändern kann. Er will sich mit Mose auf den Weg machen, er will auch mit uns mitgehen ins Weite, Unbekannte, Offene. Gott ist nie ganz am Ende.

Oder, um es mit einem bekannten Theologen zu fassen: Gottes Sein ist im Werden (E. Jüngel, Gottes Sein ist im Werden, Tübingen, 1. Auflage 1965). Wer Gott ist, wird sich in dem zeigen, was wir mit ihm erleben. Wir werden ihn kennenlernen, wenn wir uns auf ihn einlassen und ihn in unser Leben hineinholen. Auch über die lange Zeit, die das Erste und das Zweite Testament umfassen, ändert sich Gott. Er wird vom Gott eines einzigen Volkes zu einem Gott, der alle Menschen zu sich ruft. Seine Barmherzigkeit bekommt in der Botschaft Jesu ein größeres Gewicht als vorher. Gott, vor dem sich Menschen über so viele Jahrhunderte fürchteten, wird selbst Mensch und macht sich uns gleich. Gottes Sein ist im Werden. Auch in unserem Leben will Gott neu werden, uns anrühren, uns sehen und mit uns gehen. Gott wird für uns, der er ist und sein wird.

Gott stellt sich Mose mit seinem, ihrem Namen vor. Im Hebräischen steht hier das Wort JHWH, das die Juden aber aus Ehrfurcht nicht aussprechen. Sie sagen stattdessen „Adonai“, „der Ewige“. Luther übersetzte JHWH mit „der Herr“, wodurch dieser der bekannteste, weil häufigste Name für Gott wurde. Zu Recht hat die Feministische Theologie darauf aufmerksam gemacht, dass das eine Verkürzung und Verkümmerung des Gottesbildes ist, weil Gott auch weibliche Eigenschaften hat oder mit Symbolen wie Wasser oder Licht umschrieben wird.

Gott ist größer als alle unsere Umschreibungen, größer als alle Namen, die wir ihm geben. Wir können uns ihm annähern, nähertreten wie Mose an den brennenden Dornbusch. Aber wir können ihn nie ganz erfassen. Für mich drückt sich das in dem Gottesnamen „Ich werde sein, der ich sein werde“ aus. Gott ist eine Kraft, ist dynamisch und verändert sich, während er mit uns auf dem Weg ist – so wie mit dem Volk Israel.

Was mir dabei Halt gibt ist die Zusage Gottes an Mose, die auch uns gilt: Ich will mit dir sein.

Gott lässt sich auf mich ein. Er lässt mich nicht los. Er geht mit mir.

So ist mein Gott.

Amen.

Luise Stribrny de Estrada, geb. 1965, Pastorin der Nordkirche. Von 2001-2009 Pastorin der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde in Mexiko, sei 15 Jahren Pastorin im Osten von Lübeck in der jetzigen Gemeinde Marli-Brandenbaum.

Da ich selbst lange im Ausland gelebt habe, war es mir wichtig, Moses Fremdsein in Midian und sein Dazwischen-Sein zwischen Religionen und Kulturen zu betonen.

Liedvorschläge:

Der Gospel Go down, Mose

Gott hat das erste Wort EG 199

Wie schön leuchtet der Morgenstern EG 70

Vertraut den neuen Wegen EG 395