Exodus 3,1-8a.10.13-14

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Gott offenbart seinen Namen | Predigt am letzten Sonntag nach Epiphanias | 2. Februar 2025 | 2.Mose / Exodus 3,1-8a.10.13-14 | Johannes Lähnemann |

Gott offenbart seinen Namen

Liebe Gemeinde!

Unser heutiger Predigttext ist ein Zentraltext, ein Schlüsseltext der hebräischen Bibel, unseres Alten Testaments. Er schildert, wie Gott sich seinem Volk, den Israeliten, bekannt macht. Der Text leitet die Erzählungen von der Herausführung Israels aus der Sklaverei in Ägypten ein, dem Exodus, dem Ereignis, von dem das ganze 2. Buch Mose berichtet. Es ist das Urereignis, auf das sich das Volk Israel immer wieder bezieht – das Befreiungserlebnis schlechthin!

Was ist die Situation? Die Gruppe der Israeliten, die mit Josef nach Ägypten gekommen war, war immer größer geworden. Die Ägypter fürchteten, sie könnten zu viel und zu mächtig werden. Da machte der Pharao sie zu Sklaven und ließ sie härteste Arbeit beim Bau seiner Städte leisten. Als sie trotzdem immer mehr wurden, befahl er schließlich, alle männlich geborenen Kinder der Israeliten zu töten. Das Buch Exodus schildert dann die wunderbare Rettung des kleinen Mose, der von seiner Mutter in einem Korb im Nil ausgesetzt wurde. Die Tochter des Pharao entdeckt ihn und lässt ihn am Hof des Pharao erziehen. Als Mose erwachsen ist, geht er zu seinen Brüdern, die harte Fronarbeit leisten. Da sieht er, wie ein Aufseher einen Israeliten schlägt. Als er sich unbeobachtet sieht, erschlägt er den Aufseher. Das aber wird bekannt, und Mose flieht. Er gelangt in die Landschaft Midian, wird dort aufgenommen und erhält die Tochter des dortigen Priesters mit Namen Zippora zur Frau. An dieser Stelle setzt unsere Erzählung ein.

Ich lese aus dem 2. Buch Mose, Kapitel 3:

1 Mose hütete die Schafe seines Schwiegervaters Jitro, des Priesters von Midian. Einmal trieb er die Herde über die Steppe hinaus und kam an den Gottesberg, den Horeb. 2 Da erschien ihm der Engel des Herrn in einer feurigen Flamme aus einem Dornbusch. Mose bemerkte, dass der Busch in Flammen stand und trotzdem nicht verbrannte. 3 Da sprach Mose: Ich will hingehen und diese wundersame Erscheinung besehen, warum der Busch nicht verbrennt. 4 Als aber der HERR sah, dass er hinging und sich diese Erscheinung ansehen wollte, rief Gott ihn aus dem Busch und sprach:  Mose, Mose! Er antwortete:  Hier bin ich. 5 Gott sprach: Tritt nicht herzu, ziehe deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, auf dem du stehst, ist heiliges Land! 6 Weiter sprach er: Ich bin der Gott deiner Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Da verhüllte Mose sein Gesicht, denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen. 7 Und der HERR sprach: Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen und ihr Geschrei über ihre Bedränger gehört, ich weiß, was sie erdulden müssen. 8 Darum bin ich herabgekommen, um sie aus der Hand der Ägypter zu befreien und sie aus diesem Land hinaufzuführen in ein gutes und weites Land, in ein Land, darin Milch und Honig fließen.

10 So geh nun hin, ich will dich zum Pharao senden, damit du mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führst.

13 Mose sprach zu Gott: Siehe, wenn ich zu den Israeliten komme und spreche zu ihnen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt, und sie mir sagen werden: Wie ist sein Name? Was soll ich ihnen sagen? 14 Da sprach Gott zu Mose: „Ich werde sein, der ich sein werde“. So sollst du zu den Israeliten sagen: „Ich werde sein“, der hat mich zu euch gesandt.

Diese ganze wundersame Erzählung hat ihren Höhepunkt am Schluss. Gott offenbart seinen Namen. Er macht seinen Namen den Israeliten gleichsam zum Geschenk. Die Erläuterung seines Namens erscheint auf den ersten Blick seltsam: „Ich werde sein, der ich sein werde“. Früher wurde es übersetzt mit „Ich bin, der ich bin“. Aber die Ausleger sind sich heute weitgehend einig, dass die hebräische Redewendung nicht statisch, sondern dynamisch verstanden werden muss: „Ich werde sein, der ich sein werde“.

Eine Frage an Sie vorweg: Wissen Sie die Bedeutung Ihres eigenen Namens? Denken Sie bitte einmal kurz darüber nach! Namen sind ja nicht nur Schall und Rauch. Eltern grübeln oft lange darüber nach, wie sie ihr Kind nennen sollen. Mein Name Johannes wurde von meinen Eltern vom Namen meines Großvaters übernommen, der schon Theologe war. Aber er hat auch eine tiefe Bedeutung: „Der HERR ist gnädig“. Damals, bei meiner Geburt, mitten im 2. Weltkrieg, drückte sich darin der Dank und die Hoffnung für das neue Leben aus. Wenn ein neuer Papst vom Konklave gewählt ist, wird er als erstes gefragt, welchen Namen er sich zulegt. Mich hat es gefreut, als Angelo Guiseppe Roncalli nach seiner Wahl 1959 meinen Namen gewählt und sich Johannes XXIII. genannt hat. Er wurde ja dann zum Papst, der überraschend das 2. Vatikanische Konzil einberief und damit viele wichtige Reformen in der katholischen Kirche angestoßen hat. Und dass der gegenwärtige Papst sich den Namen Franziskus gegeben hat, den Namen des Heiligen für die Armen, ist auch eindeutig sein Programm mit seinem ständigen Einsatz für die Armen und Benachteiligten auf der Erde.

Die Bedeutung des Namens: Unser Text gibt mir den Anstoß, drei Fragen nachzugehen: 1) Der Name Gottes: Was bedeutet er? Als Zweites möchte ich im Blick auf unseren christlichen Glauben fragen: Was bedeutet es, wenn Gott sich mit seinem Namen an Jesus bindet? Und als Drittes: Was bedeutet es, dass Gott mich mit meinem Namen sieht und kennt?

  1. Als Erstes: Der Name Gottes. Was bedeutet er? Was bedeutet „Ich werde sein, der ich sein werde“? Es ist ein Name, der eine Offenheit in sich trägt. An ihm wird deutlich, dass Gott sich nicht auf eine Person oder eine Sache festlegen lässt. In unserem Text ist er mit dem Versprechen verbunden, das Volk Israel aus der Hand der Ägypter zu befreien und in ein gutes Land zu führen. Vielleicht ließe sich deshalb das „Ich werde sein“ ergänzen um „Ich werde für euch sein“. Denn Gott bleibt bei seinem Volk durch alle guten und alle schweren Zeiten hindurch. Im Hebräischen stehen 4 Zeichen für den Gottesnamen: JHWE, ursprünglich wohl „Jahwe“ ausgesprochen. Aber der Name ist heilig, und deshalb wird er von Juden so nicht ausgesprochen, sondern dort, wo er steht, als „Adonai“ – das heißt „Herr“ – gelesen. In unserer Lutherbibel wird er entsprechend mit „HERR“ wiedergegeben, alle 4 Buchstaben groß geschrieben. Aber das trifft die Offenheit des Namens eigentlich nicht. Und doch begegnet er so an vielen Stellen; in der ganzen hebräischen Bibel kommt er fast 7000 Mal vor!

Fallen Ihnen vielleicht Stellen aus dem Gottesdienst und den Psalmen ein, wo der heilige Name Gottes ausdrücklich hervorgehoben wird? – Am vertrautesten ist uns natürlich das Vaterunser mit dem „geheiligt werde dein Name“ und der Segen „Der HERR behüte dich“. Aber auch die Psalmen können uns im Ohr sein. Psalm 103: „Lobe den HERRN, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen. Lobe den HERRN, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“ Der Psalm 23, den sicher manche unter uns auswendig kennen, ist nichts anderes als eine Auslegung des Gottesnamens: „Der HERR ist mein Hirte. Mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele und führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.“ Es ist ein Psalm, der Trost und Vertrauen spendet. Gott lässt sich im nächsten Vers direkt damit anreden: „Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich“. Wie oft habe ich diese Worte gesprochen, als ich in meiner Kindheit mit Asthma zu kämpfen hatte. Wie viele Menschen haben sich weltweit immer wieder mit diesen Worten aufgerichtet! Mich beeindruckt stets, mit welcher Ehrfurcht unsere jüdischen Schwestern und Brüder mit diesem Namen umgehen.

  1. Und nun gehe ich einen Schritt weiter: Was bedeutet es, wenn Gott sich mit seinem Namen an Jesus bindet? Wir haben es vorhin bei der Lesung des Evangeliums, bei der Geschichte von der Verklärung Jesu, gehört. Aus dem Himmel kommt die Stimme: „Dies ist mein lieber Sohn. an dem ich Wohlgefallen habe.“ Es bedeutet, dass Gott mit Jesus und in Jesus unseren Weg als Menschen mitgeht, dass er in Jesus als Mensch an unsere Seite gekommen ist, mit guten Erfahrungen und mit schlechten Erfahrungen, mit freudigen Erlebnissen und mit bedrückenden Erlebnissen, mit Liebe und Freundschaft und auch mit enttäuschter Freundschaft. Jesus wirkte als Lehrer, als Rabbi. Er ergründete den tieferen Sinn der Gebote Gottes, entdeckte, dass das Gebot der Nächstenliebe auch die Feindesliebe einschließen sollte. Er war erfüllt von der Hoffnung und Erwartung des Reiches Gottes, von Gottes guter neuer Welt, die keine Zwangsherrschaft ist, sondern in der Liebe und Menschenwürde regieren. Er wollte nicht herrschen, sondern dienen. So kam in ihm Gott den Menschen nahe.

Es ist das, was wir auch gegenwärtig dringend nötig haben: Menschenwürde achten, gegen Unmenschlichkeit angehen, solidarisch sein besonders mit denen, die keine Macht haben, die unterdrückt werden, die an den Rand geschoben werden.

Der Weg Jesu aber bedeutet noch mehr. Jesus heiligt den Namen Gottes, indem er in allem unser Bruder wird. Er lebt mit uns, empfindet mit uns und wirkt für uns. Er geht zu den Aussätzigen, er befreit die, die von Dämonen besessen sind, er beruft Zöllner, die für die römische Besatzungsmacht gearbeitet haben, zu seinen Nachfolgern, er macht aus Habgierigen Wohltäter.

Und er geht den Weg, der ins Leiden führt bis hin zur Erfahrung von Verrat, Verschmähung, Folter, ja dem schändlichen Tod am Kreuz. Jesus ist mit seinem Leidensweg an unserer Seite. Dietrich Bonhoeffer hat es in einem Gebet so ausgedrückt: „Herr Jesus Christus, Du warst arm und elend, gefangen und verlassen wie ich. Du kennst alle Not der Menschen.“

Aber Jesu Tod ist nicht das Ende, sondern es folgt Ostern: Jesus lebt! In dem ältesten Christuslied, das Paulus im Brief an die Philipper wiedergibt, heißt es von Jesus: „Er wurde gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz. Darum hat ihn auch Gott erhöht und ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist.“ Das Für uns-Sein Gottes in Jesus ist damit nicht nur etwas, was vor 2000 Jahren sichtbar wurde, sondern es gilt für immer und für alle Welt.

  1. Und damit kommen wir zu der dritten Frage: Was bedeutet das Für uns-Sein Gottes für mein Leben, für mich persönlich?

Eines des stärksten Worte dazu findet sich im Buch des Propheten Jesaja, des sogenannten zweiten Jesaja. Er ruft dem Volk Israel, das damals in der babylonischen Verbannung lebt, zu: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein.“ (Jesaja 43,1) Das gilt für das Volk; aber es gilt auch für jeden Einzelnen. Es ist nicht zufällig, dass dieses Wort oft von Eltern für ihr Kind ausgesucht wird, wenn es auf den Namen Gottes getauft wird. Und auch Konfirmanden wählen es gern für sich und für die Bitte um Gottes Begleitung auf ihrem weiteren Weg.

Ich kann dazu noch eine Anekdote von dem berühmten Theologen Karl Barth erzählen. Er hat in seiner Kirchlichen Dogmatik den Christlichen Glauben in mehreren Bänden auf mehr als 9.000 Seiten entfaltet. Als er, schon in fortgeschrittenem Alter, also in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts, gefragt wurde, ob er seinen persönlichen Glauben auf eine Kurzformel bringen könne, antwortete er mit dem Kinderlied: „Weil ich Jesu Schäflein bin, freu‘ ich mich nur immerhin über meinen guten Hirten, der mich wohl weiß zu bewirten. Der mich liebet, der mich kennt und bei meinem Namen nennt.“

Und er meint damit: Ich, als dieser eine Mensch, bin kein Zufallsprodukt. So wie ich da stehe, mit meinem Namen, kennt mich Gott, werde ich von ihm gesehen, werde ich von ihm in Jesus geliebt, von ihm auf meinem Weg begleitet. Eine ungeheure Zusage! Für alle, dich sich von Jesus leiten und begleiten lassen, heißt das aber auch: Mit diesen Augen Gottes sollen wir einander ansehen, sollen wir die Einzigartigkeit jedes Menschen achten, sollen der Verletzung seiner Würde entgegentreten. Und da gibt es keine Abstufung von größerem Wert und minderem Wert.

Wie sehr aber wird genau das gegenwärtig in Frage gestellt? Und wie sehr wird mit der negativen Einstufung von bestimmten Menschengruppen Politik gemacht, wie sehr wird Abgrenzung und Ausgrenzung betrieben. Und wie leicht kann man damit Wahlen gewinnen?!

Dass wir dagegen aufstehen, dass wir uns nicht zu Hass und rücksichtslosem Egoismus verführen lassen, gehört zu unserem Glaubensbekenntnis, weil unser Leben seinen Grund hat in der liebevollen Zuwendung Gottes zu uns in Jesus Christus.

Der Theologe und Liederdichter Okko Herlyn hat das in seinem Lied „Ich sage Ja“ zum Ausdruck gebracht:

1) Ich sage Ja zu dem, der mich erschuf. Ich sage Ja zu seinem Wort und Ruf, zum Lebensgrund und Schöpfer dieser Welt, und der auch mich in seinen Händen hält.

2) Ich sage Ja zu dem, der uns gesandt und aus dem Tod zum Leben auferstand und so trotz Hass, Gewalt und Menschenlist für uns zum Freund und Bruder worden ist.

3) Ich sage Ja zu Gottes gutem Geist, zum Weg der Liebe, den er uns verheißt, zu wagen Frieden und Gerechtigkeit in einer Welt voll Hunger, Angst und Leid.

Dieses Lied wollen wir jetzt miteinander singen!

Prof. em. Dr. Johannes Lähnemann, Goslar, johannes@laehnemann.de

Johannes Lähnemann (geb. 1941) hatte von 1981-2007 den Lehrstuhl für Religionspädagogik und Didaktik des Ev. Religionsunterrichts an der Universität Erlangen-Nürnberg inne. Er lebt im Ruhestand in Goslar. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Interreligiöser Dialog, Interreligiöses Lernen, Religionen und Friedenserziehung. Er ist Mitglied der internationalen Kommission Interreligious Education der Bewegung Religions for Peace (RfP) und Leiter der Arbeitsgruppe Interreligiöse Bildung-Friedenspädagogik bei Religionen für den Frieden Deutschland.

Seine Autobiografie ist erschienen unter dem Titel „Lernen in der Begegnung. Ein Leben auf dem Weg zur Interreligiosität.“ Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 2017.

Die Predigt wird in der romanischen Neuwerkkirche in Goslar gehalten.

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