Exodus 33,18–23; Johannes 2,1–11

· by predigten · in 02) 2. Mose / Exodus, 04) Johannes / John, 2. So. n. Epiphanias, Aktuelle (de), Altes Testament, Aus dem Dänischen, Beitragende, Bibel, Christiane Gammeltoft Hansen, Deutsch, Kapitel 02 / Chapter 02, Kapitel 33 / Chapter 33, Kasus, Neues Testament, Predigten / Sermons

Das Angesicht | 2. Sonntag nach Epiphanias | 19.01.2025 | Ex 33,18–23; Joh 2,1–11 | Christiane Gammeltoft-Hansen |

„Ich will meine Hand über dich halten, bis ich vorübergegangen bin“, sagt Gott zu Moses. „Dann will ich meine Hand von dir tun, und du darfst hinter mir hersehen, aber mein Angesicht kann man nicht sehen“. Nichts kann die Vorstellungskraft so sehr aktivieren wie ein Verbot. Ein Angesicht, das man nicht sehen darf, taucht aus irgendeinem Grund sofort vor dem inneren Blick auf.

Ein Photograph hat einmal gesagt, dass die Photographie etwas Melancholisches an sich hat. Sie ist Vergangenheit. Sie zeigt, was gewesen war, aber jetzt vorbei ist. Vielleicht wollte Gott deshalb nicht haben, dass Moses sein Angesicht sieht. Er wollte nicht in ein vergangenes Bild eingefangen werden. Er wollte uns daran hindern, fertige Bilder von dem Geist zu machen, der weht, wo er will. Das fertige Bild kann zu einem Postulat oder einem Gesetz werden. Es kann eindimensional werden, ohne Gefühl dafür, dass die Sphäre des Glaubens umfassender ist als das, was unsere Bilder darstellen. Einst werden wir von Angesicht zu Angesicht sehen, sagt der Apostel Paulus, aber eben einst, nicht jetzt.

Dennoch gibt es diese bildlichen Darstellungen. Sie stellen sich von selbst ein. Die Kunst kann es auch nicht lassen. Sie schafft Kunstwerke vom Göttlichen. Gibt dem Göttlichen Leib und Gesicht und Farbe: Gelb, Orange, Blau, Rot. Wir brauchen den sinnlichen Eindruck des Bildes. Der Glaube muss etwas haben, auf dem die Augen ruhen können, etwas, was den Sinn aufladen kann und uns im Reich des Geistes Entdeckungen machen lässt.

Ein Angesicht in sich selbst ist nicht Vergangenheit oder abgeschlossen. Eine Photographie zeigt vielleicht, was gewesen ist und nun vorbei ist. Aber das Angesicht ist veränderlich, beweglich. Was wir fühlen und erleben, hinterlässt da seine Spuren. Es zeichnet sich ab in Falten und Linien um die Augen. Ein Angesicht kann nicht verbergen, dass es lebendig ist. Wohl hat es seine Geheimnisse, aber es offenbart sie auch. Es ist in vieler Hinsicht wie mit dem Evangelium selbst – das Gesicht eines anderen haben wir nur, indem wir es deuten. Wir deuten die Gesichter voneinander. In welcher Stimmung ist der andere? Was bringt der andere mit seiner Mimik zum Ausdruck? Was verbirgt sich in diesen Fugen, die sich mit der Zeit gebildet haben? Von Angesicht zu Angesicht – als eine Vollendung, eine endgültige Verklärung, ist das der Zukunft vorbehalten? Aber zugleich ist das ja keine gesichtslose Welt. Sollen wir einander etwas Wichtiges sagen, tun wir das von Angesicht zu Angesicht. Und wenn es zwischen zwei Menschen zu einem gemeinsamen Leben wird, so deshalb, weil die beiden beieinander ein offenes Gesicht und offene Augen finden, in denen sie sich verlieren. Wären wir auf die Rücken voneinander angewiesen, käme es zwischen den beiden nie zu einer Begegnung, nie zu Liebe und einem gemeinsamen Leben, gar zu einer Hochzeit.

Aber in Kana war eine Hochzeit. Zwei Menschen haben einander gefunden und haben sicher im Blick des anderen etwas Rätselhaftes und Vertrautes gefunden. Im Vergleich zu dem alttestamentlichen Gott, den niemand sehen darf, bietet diese Hochzeit ein anderes Gottesbild. Es ist im Johannesevangelium das erste Mal, dass Jesus öffentlich auftritt. Und die Bewegung geht in die entgegengengesetzte Richtung als in der Erzählung von Moses. Hier ist niemand, der sich zurückziehen muss in dunkle Ecken oder Abstand halten muss. Hier ist keine Hand, die uns vor Augen gehalten wird, während Gott vorbeigeht. Hier ist Fest, und Gott ist mit dabei.

Die Hoffnung ist für zwei, die geheiratet haben, dass sie im Blick voneinander veredelt werden. Vielleicht ist es deshalb, dass Gott mit edlem Wein zum Fest beiträgt. In der protestantischen Kirche sind wir nicht dafür bekannt, dass wir verschwenderisch und ausgelassen sind. Wir sind die ernsthaften Leute, die das Wort stehen lassen, ohne allzu viel äußere Schönheit. Aber an diesem Sonntag haben wir das Evangelium nicht mit uns, wenn wir an dieser Strenge festhalten wollen. Es fließt viel Wein, und das ist von Gott gewollt. Das ist grenzenlos großzügig. Und hinter dem ganzen zeigt sich ein Gottesbild, wo wir uns nicht nur an einen Rücken halten müssen. Gott nimmt direkt teil am Leben. Kommt den Menschen entgegen, sucht sie auf, begegnet ihnen von Angesicht zu Angesicht, wendet sich an den anderen und sagt, dass es eben der Blick des Mitmenschen ist, wo wir ihn finden können.

Das ist noch immer rätselhaft. Das geht über das hinaus, was wir verstehen können und wo wir gedanklich folgen können. Aber es ist auch deutlich. Es ist nicht beliebig. „Kein Mensch kann mich sehen und sein Leben behalten“, sagt der alttestamentliche Gott. Wir haben Ehrfurcht vor dem, was größer ist als wir selbst. Als Empfänger haben wir Ehrfurcht vor dem Geber. Und wohl ist Glaube „eine feste Zuversicht dessen, was man hofft und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht“ (Hebr. 11,1). Aber ein Gott ohne Angesicht, das ist ein Gott, in Bezug auf den das Vorstellungsvermögen durchdrehen kann.

Gott nimmt teil an einer Hochzeit, und von dort bewegt er sich weiter in das Menschenleben. Er besucht die Häuser, an denen er vorbeikommt, teilt eine Mahlzeit, hilft einem Kranken. Er freut sich mit den Frohen, weint mit den Weinenden, verweist auf die Möglichkeit und Güte des Lebens. Wir leben im Unabgeschlossenen. Hier sind die fertigen Bilder keine Möglichkeit. Und dennoch sind wir die, die vor Gottes Angesicht leben. Ganz gleich wie unvollendet es ist, wir beschreiben dieses Angesicht so gut wie wir können. Das Evangelium hilft uns dabei, indem es voraussetzt, dass es das Gesicht der Barmherzigkeit und der Liebe ist.

Und noch eines sei hinzugefügt: Es war am dritten Tag, wo die Hochzeit stattfand, schreibt Johannes. Es war auch der dritte Tag, als Jesus von den Toten auferstand. Da ist irgendetwas an dieser Hochzeit, was nicht nur vom Jetzt handelt, sondern auch von dem, was kommen wird. Dass wir dort einer Freude entgegensehen, wo das Evangelium Macht gewonnen hat. Von Angesicht zu Angesicht – das ist das Leben hier, und das ist das künftige Leben, das uns erwartet. Amen.


Pastorin Christiane Gammeltoft-Hansen

DK-2000 Frederiksberg

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