Hesekiel 37,1-14

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Das Comeback der Kirche | Pfingstsonntag | 19. 5. 2024 | Hes 37,1-14 | Fritz Neubacher |

In Österreich reden zurzeit alle vom Comeback Marcel Hirschers. Nachdem er 8 Mal hintereinander – so oft wie kein anderer Schirennläufer – den Gesamtweltcup gewonnen hatte, hat er sich 2019 in die Sportlerpension zurückgezogen. Dort hat es ihn aber nicht gehalten, und nun will er, 35-jährig, im nächsten Winter für die Niederlande Rennen gewinnen.

Kann er das schaffen?

Der GAK hat es geschafft! GAK – das ist der Grazer Athletiksport Klub. 1902 gegründet, 2004 erstmals österreichischer Meister. Dann kamen Turbulenzen, schließlich der Abstieg, sogar die Einstellung des Spielbetriebes, und der Wiederbeginn in der untersten, 8. Österreichischen Liga. Und jetzt sind sie zurück in der höchsten Spielklasse.

Was Sportler und Sportvereine können – können das auch Völker und Nationen?

Klar können die das.

Israel ist ein richtiges Stehaufmännchen, was das angeht:

Noch gar nicht aus den Kinderschuhen herausgewachsen, waren sie schon als Sklaven in Ägypten. Eigentlich ein Todesurteil für ein werdendes Volk, aber: sie werden groß und bedeutend im fremden Land. Sie fliehen und erobern das Land Kanaan. Dort geht’s auf und ab – bis zum nächsten Tiefpunkt: Die Babylonier vernichten die Israeliten, zerstören den Tempel, und deportieren alle, die irgendwie brauchbar sind. „Das ist das Ende“, denken alle. Israel gleicht einem Feld voller Knochengebein. Es sieht aus wie es ein paar Jahre nach einem Krieg auf einem Schlachtfeld aussieht, auf dem niemand aufgeräumt hat.

Das wird nichts mehr! – Sind sich alle einig.

Kann Israel auferstehen?

Es kann, wie wir wissen!

Was Hesekiel hier in unserem Predigttext ankündigt, ist wirklich geschehen! Das Volk Israel ist aus der Gefangenschaft in Babylon in seine Heimat zurückgekehrt!

Und: Israel, bzw. das Volk der Juden hatte noch eine viel stärker existenzbedrohende Phase zu bestehen: Den Holocaust.

Aber: Es konnte sogar daraus wiedererstehen! Die Staatengründung Israels im Jahr 1948, 1878 Jahre nach der Zerstörung des Staates Judäa, der Stadt Jerusalems und des Tempels durch die Römer, ist eines der größten Wunder der Geschichte!

Kann auch die Kirche wieder auferstehen?

„Das wird nichts mehr“ – sagen viele Beobachter. Schaut mal rein in die Kirchen im Land: Zehn, manchmal zwanzig alte und uralte Menschen treffen sich sonntags und feiern Gottesdienst. Das ist schön, hat aber keine Zukunft.

Können wir wieder auferstehen?

Klar können wir!

Denkt an das Häufchen Verschreckter, die von den Anhängern Jesu übriggeblieben waren, und die sich nach Karfreitag in Jerusalem getroffen hatten: Angst vor Verfolgung, und keine Hoffnung. Keine Zukunft. Jerusalem scheint zum Grab der Christusbewegung zu werden.

Doch dann kommt der Heilige Geist, mit einem mächtigen Brausen. Und daraus entsteht die bedeutendste Bewegung, die jemals die Menschheit erlebt hat.

Oder denkt an unsere eigene Geschichte, hier in Oberösterreich: Die habsburgischen Herrscher hatten das blühende evangelische Leben vertilgt. „Besser über eine Wüste herrschen als über ein Land voller Ketzer“, hat Kaiser Ferdinand II. gesagt.

Sein Nach-nach-nach-nach-Nachfolger auf dem Thron, Josef II. hat den Evangelischen dann Toleranz versprochen. 1781 war das.

Niemand hat es geglaubt. Das wird nichts mehr, dachten alle.

Aber der Schartner Bauer Paul Hehenberger wurde aktiv. Er nahm Kontakt mit der Landesregierung auf. 100 Familien müssen sich finden, wurde ihm gesagt, dann dürfen sie eine Gemeinde gründen.

Hehenberger legte kurze Zeit später eine Liste mit mehr als 300 Familien vor.

„Das kann nicht sein!“ hieß es daraufhin. Unmöglich, dass sich so viele gemeldet haben. Die, die sich zu den Evangelischen bekennen, sollen zu einem bestimmten Datum in Wels „beim Schwarzen Greif“ erscheinen. Eine Falle?

Am 1. Advent 1781 fanden sich über 2000 Menschen vor dem „Schwarzen Greif“ in Wels ein.

Zum ersten Gottesdienst am 9. Juni 1782 in der großen Scheune des Gasthofs Meier zu Edt kamen mehr als 4000 Menschen. Dem Prediger Christian Thielisch rannen die Tränen über die Wangen beim Anblick der Menge.

Ähnliche Berichte von Auferstehungen von Kirchen und Gemeinden gibt es aus allen Gegenden und aus allen Zeiten. Es ist vollkommen klar: Kirchen, Gemeinden können zu neuem Leben erwachen.

Die Frage ist: Was braucht es dazu?

Bevor wir diese Frage klären, eine Vorbemerkung: Dass niemand Gott davon überzeugen muss, dass die Auferstehung seiner Gemeinde was Schönes wäre, liegt offen da: Diese gewaltige Geschichte aus Hesekiel 37, die heute unser Predigttext ist, sagt, dass Gott ein Gott des Lebens ist, und dass ihn Totengebeine nicht hindern werden, Leben zu schaffen! Das hat er am Beginn gemacht, bei der Schöpfung, und das macht er immer wieder und gerne! Darüber brauchen wir also nicht nachzudenken, und dazu braucht es keine Anstrengungen unsererseits – das steht fest: Gott ist ein Gott der Auferstehung und des Lebens!

Was ist aber unser Beitrag?

Gott braucht Menschen wie Hesekiel, oder Paul Hehenberger. Die haben nicht nur die Anfangsbuchstaben ihres Namens gleich, sondern einiges weitere, genau genommen zwei Dinge: (Marcel Hirscher beginnt zwar auch mit H, aber den lassen wir jetzt mal links liegen.)

1. Sie trauen Gott was zu

Gott führt Hesekiel zu einem Feld mit Totengebeinen. Vielleicht die Überreste einer Schlacht – jedenfalls, sehr anschaulich geschildert – so tot, toter geht nicht. Die Bedeutung des hebräischen Wortes für „Herumgehen“ ist eigentlich: „Drübersteigen“. Sie gehen mitten durch das Knochenfeld.

Insgesamt eine Triumphstätte des Todes, so könnte man meinen.

Und dann die Frage Gottes: Glaubst du, dass die je wieder lebendig werden können?

Die normale Antwort wäre: Niemals! Aber Hesekiel antwortet: Du weißt es, Herr! Was so viel heißt, wie: Unmöglich – Aber ich trau es dir dennoch zu. Nur dir!

Paul Hehenberger geht mit seinen Freunden – bevor er sich auf das Abenteuer einer Gemeindegründung einlässt – nach Ortenburg ins benachbarte bayrische Ausland. Dort sind evangelische Gottesdienste erlaubt. Dort hören sie Gottes Wort und empfangen das Heilige Abendmahl – und so gesegnet machen sie sich ans Werk.

2. Sie trauen sich was!

Dann wird es brenzlig: Hesekiel hatte zwar ein Bekenntnis seines Glaubens abgelegt: „Du, Gott, weißt es!“ hat er gesagt. Aber Gott lässt es damit nicht bewenden. „Dann sag zu den Gebeinen, dass sie lebendig werden sollen!“ – Fordert er Hesekiel auf.

Das könnte peinlich werden…

Aber Hesekiel spricht es aus, und Gott lässt es geschehen! Er ist der Gott, der Tote lebendig machen kann. Am Unmöglichen zeigt er sich am Liebsten!

Auch Paul Hehenberger lässt seinen bekennenden Worten Taten folgen: Als der Regierungsrat Eybel eine Liste mit mindestens 100 evangelischen Familien verlangt, bringt er in kürzester Zeit eine mit mehr als 300. Und als das angezweifelt wird, und die Evangelischen nach Wels beordert werden, da wird es auch für ihn brenzlig: Wie oft in der Vergangenheit haben sich ähnliche „Einladungen“ als Falle entpuppt! Wie oft haben die Verantwortlichen ihr Engagement teuer bezahlt? – Dennoch: Mutig organisieren er und seine Mitstreiter mehr als 2000 Personen, die sich am 1. Advent einfinden.

Der GAK hat es geschafft. Marcel Hirscher wird es, so wie er gestrickt ist, auch schaffen. Aber ist das wichtig? Fußball ist ein Spiel, und Schifahren ist Sport. Da geht’s um nichts. – Ja, ich weiß schon, Fußballfans würden vielleicht widersprechen, aber in Wahrheit ist der Aufstieg des GAK in die höchste österreichische Fußballliga so wichtig, wie ein umgefallenes Rad in China.

Was wirklich zählt ist, dass Blinde sehen und Lahme gehen, dass Aussätzige rein werden und Taube hören, dass Tote aufstehen und Armen das Evangelium gepredigt wird.

Was wirklich zählt ist, dass die Kirche eine Zukunft hat!

Hat die Kirche eine Zukunft?

Natürlich hat sie eine! Gott will Leben, und er ist bereit, es zu schenken, es neu einzuhauchen!

Was es braucht, sind Menschen wie Hesekiel und Hehenberger: Mit Gottvertrauen und mutigem Handeln wird es geschehen!

Wenn ihr bereit seid, solche Menschen zu sein, egal ob dein Name mit H beginnt oder nicht, dann sagt doch Gott jetzt in der Stille eures Herzens euer:

„Ich bin bereit, Herr!“

Amen.

Rektor i.R. Fritz Neubacher

St. Georgen im Attergau, Ö

Email: Fritz.neubacher@aon.at

Fritz Neubacher, Jahrgang 1958, Pfarrer der Evang. Kirche A. B. i. Ö.; bis 8/23 Rektor des Werks für Evangelisation und Gemeindeaufbau, seither im Ruhestand.